"Fahrkartensalat" der VAG verwirrt die Nürnberger
27.01.2014, 06:00 UhrEin Kunde der VAG steht am Nordostbahnhof an einem Fahrkartenautomaten. Hinter ihm eine Schlange. Nervös blickt eine Frau auf den Bahnsteig, ein Mann auf seine Armbanduhr. Abbruch. Der ältere Herr am Automaten hat sich vertippt. Er gibt vorerst auf, macht den Weg für die anderen frei. Und versucht es noch einmal, als er mit dem modernen roten Kasten mit Touchscreen wieder alleine ist.
Immer wieder stehen potenzielle Fahrgäste hilflos vor Ticketautomaten, weil das Tarifsystem der VAG sowie des VGN und damit auch der Kauf von Tickets ihnen zu kompliziert ist. Eine besondere Herausforderung hält das System für die Bürger bereit, die aus dem Umland kommen. Horst Kollan gehört dazu. Der Laufer fährt zwei- bis dreimal pro Woche nach Nürnberg.
Sieben verschiedene Tickets
Der VAG-Kunde spricht von einem "Fahrkartensalat", den VAG und VGN den Menschen zumuten. "Ich bewege mich mit vier bis sieben verschiedenen Sorten von Streifenkarten im Großraum", sagt der NN-Leser und zählt auf: Für Fahrten zwischen Lauf und Nürnberg die 10er Streifenkarte; für Fahrten in der Tarifzone A (TZA) die 5er Karte; für Kurzstrecken eine andere 5er Karte; für Fahrten in der Stadt Lauf eine 5er Streifenkarte der Tarifzone S.
Nimmt der Laufer sein Fahrrad in S- und U-Bahn mit, muss er sich noch drei weitere Karten zulegen: fürs Rad die Kurzstreckenkarte zum Kindertarif, eine für die TZA und eine 10er Kinderkarte für den Gesamtraum des VGN. Hier den Überblick zu behalten, ist nicht einfach. Zu leicht könne ein Fahrgast in diesem Tarifgeflecht ungewollt um Schwarzfahrer werden.
Wer dem komplexen System entkommen will und mit Handy-Kauf sowie Online-Shop nicht zurechtkommt, findet Hilfe bei privaten Verkaufsstellen in Kiosken. Doch die VAG schließt nach und nach diese beliebten Standorte. Im vergangenen Jahr hat das Verkehrsunternehmen in Nürnberg weitere neun abgestoßen. Damit ist die Zahl in zehn Jahren von 90 auf 60 Fahrkarten-Verkaufsstellen geschrumpft.
Nürnberger Stadttarif
Klar ist: SPD und CSU haben im Jahr 2011 einen eigenen Stadttarif für Nürnberg beschlossen. Seit 2012 benötigt man im Stadtgebiet eigene, verteuerte Fahrkarten. Diese gelten außerhalb von Nürnberg, Fürth und Stein nicht. Damit verbunden ist, dass das bereits zuvor schwer verständliche Tarifsystem nun noch komplizierter geworden ist.
Die Nürnberger Grünen haben sich deshalb am vergangenen Samstagvormittag am U-Bahn-Abgang "Kaulbachplatz" postiert, um den Fahrgästen beim Lösen der Tickets über die Schultern zu gucken - und gegebenenfalls Hilfestellung zu geben. "Da verrinnt kostbare Zeit, bis man sich durch das Menü am Automaten durchgeklickt hat", sagt Günther Albrecht, der für den Stadtrat kandidiert. Er habe sich umgehört und will dabei erfahren haben, dass viele Bürger lieber mit dem Auto fahren, weil der Sprit günstiger und das Tarifsystem zu kompliziert sei.
Die Ökopartei verweist daher auf das Modell für den öffentlichen Nahverkehr in Wien. Eingeführt wurde es 2012. Aushängeschild des neuen Systems ist die Jahreskarte für 365 Euro. Sie kostete 2011 noch 460 Euro und sollte auf 504 Euro verteuert werden. Vor der Reform kauften die Wiener 360.000 Stück. Mitte Juli 2013 waren es bereits 538.000, berichtete die Wiener Vize-Bürgermeisterin Maria Vassilakou während einer Veranstaltung.
Verlierer in Nürnberg sind nach Ansicht von Grünen-Stadträtin Christine Seer die Fahrgäste und der Klimaschutz. Nicht nachvollziehen kann sie daher die jüngste Forderung der CSU - demnach sollen in der Innenstadt zusätzlich 500 Parkplätze geschafft werden. Überdies soll die erste Stunde Parken umsonst sein. "Das ist der völlig falsche Ansatz", sagt sie. Die Union müsse erklären, was sie den Bewohnern der Altstadt damit zumute.
Ebenfalls diskutiert wurde die Einführung eines günstigen Semestertickets.
40 Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen