Falsch behandelt? Intersexuelle klagt gegen Erlanger Uniklinik
13.12.2015, 10:45 UhrWaren eine Hormontherapie und eine Operation verkehrt? Im Nürnberger Zwitter-Prozess will das Landgericht Nürnberg-Fürth an diesem Donnerstag (17. Dezember) seine Entscheidung verkünden. Die Intersexuelle Michaela R. aus Mittelfranken wirft dem Universitätsklinikum Erlangen und einem behandelnden Arzt vor, sie vor der Behandlung nicht über die Tragweite und Folgen der Behandlung aufgeklärt zu haben.
Durch die Therapie mit weiblichen Hormonen vor rund 20 Jahren sei sie so schwer erkrankt, dass sie heute voll erwerbsunfähig sei. Die Klägerin fordert 250.000 Euro Schadenersatz und Schmerzensgeld sowie eine monatliche Rente von 1600 Euro. Intersexuelle Menschen tragen Merkmale beider Geschlechter in sich. Michaela R. bezeichnet sich selbst auch als Zwitter. Es ist der zweite derartige Prozess in Deutschland.
Leitlinie zur Intersexualität existiert erst seit 2007
Nach Angaben von Michaela R. verschwiegen ihr die Mediziner damals, dass sie zwar äußerlich weibliche Geschlechtsorgane hatte, ihr XY-Chromosomensatz jedoch der eines Mannes ist. Beim Prozessbeginn Ende Februar hatte ein Gutachter erläutert, heutzutage gehöre die Besprechung der Chromosomenanalyse dazu. Damals sei es jedoch üblich gewesen, die Patienten nicht über ihren Chromosomensatz aufzuklären. Früher seien die Mediziner noch der Meinung gewesen, dass diese Information einen zu großen Schock für die Patienten bedeuten würde.
Die erste ärztliche Leitlinie zur Intersexualität gab es erst im Jahr 2007. Dennoch gibt es nach Angaben des Gutachters heute wie damals keine eindeutigen Vorgaben für die Behandlung von intersexuellen Menschen. Es müsse immer ein individueller Weg gefunden werden.
In einem ersten derartigen Prozess in Köln hatte eine Krankenpflegerin 2008 einen juristischen Sieg gegen einen Chirurgen erzielt. Nach langem Leidensweg und unfreiwilligem Leben als Mann hatte sie den Arzt wegen einer 30 Jahre zurückliegenden Operation verklagt. Das Kölner Landgericht entschied, die folgenreiche OP sei ein rechtswidriger Eingriff gewesen. Der Mediziner habe seiner damals 18 Jahre alten Patientin die weiblichen inneren Geschlechtsorgane entfernt, ohne sie vorher umfassend aufgeklärt zu haben.