Fernwärme in Nürnberg als Schlüssel zum Klimaschutz?

10.12.2019, 05:55 Uhr
Original: Das Heizkraftwerk in Nürnberg-Sandreuth: Zur Fernwärmeerzeugung werden hier auch die Abwärme aus der Müllverbrennung sowie eine Holzhackschnitzel-Anlage genutzt. 

Original: Das Heizkraftwerk in Nürnberg-Sandreuth: Zur Fernwärmeerzeugung werden hier auch die Abwärme aus der Müllverbrennung sowie eine Holzhackschnitzel-Anlage genutzt. 

Ölheizungen droht in ein paar Jahren das Aus. Aber worauf können und sollen Hausbesitzer dann umsteigen? Gas? Holzpellets? Erdwärme und Wärmetauscher? Oder doch Fernwärme? Die Verunsicherung ist offenkundig groß, jedenfalls sind Beratungstermine im Kundenzentrum der N-Ergie seit einiger Zeit gefragt wie lange nicht mehr.

Einfache Antworten könne es nicht geben, beteuert Rainer Kleedörfer, Leiter der Unternehmensentwicklung bei der Nürnberger N-Ergie. Denn die Antwort hänge von unterschiedlichen Faktoren und Gegebenheiten ab, etwa Lage und Anschlussmöglichkeiten oder räumlichen Bedingungen. So lässt sich beispielsweise in dicht bebauten Innenstädten kaum Erdwärme nutzen, während in ländlichen Regionen ein Anschluss an das Gasnetz vielleicht unwirtschaftlich wäre.

Klar ist aber: Wo immer sich eine Fernwärmeleitung anzapfen lässt, ist das zu empfehlen. Vor allem, wenn über die sogenannte Kraft-Wärme-Kopplung Strom und Wärme gleichzeitig erzeugt werden – wie im Heizkraftwerk der N-Ergie in Sandreuth. Mit einem Wirkungsgrad von 85 Prozent zählt sie zu einer der effizientesten in Deutschland. Über das derzeit 320 Kilometer lange Leitungsnetz werden derzeit rund 55.000 "Verbrauchsstellen" beliefert, an ihnen hängen teilweise auch mehrere Haushalte und Wohneinheiten.

Fassadendämmungen reichen nicht

In Stadtteilen wie Langwasser, Röthenbach, Gebersdorf oder auch der Altstadt ist Fernwärme flächendeckend verfügbar; Nachbarorte werden derzeit allerdings nicht erreicht. Grob geschätzt, kann in Nürnberg rund ein Viertel des gesamten Heizwärmebedarfs über Fernwärme gedeckt werden. Aber das ist längst nicht genug. "Bei Diskussionen um die Energiewende steht oft der Verkehr im Vordergrund – und natürlich sind da große Anstrengungen unumgänglich", stellt Kleedörfer weiter fest. "Aber dabei wird bisher leicht übersehen, dass die Hälfte aller Kohlendioxid-Emissionen aus der Wärmeerzeugung für Gebäude stammt."

Deshalb gilt es, dort ebenso energisch anzusetzen. Um die Klimaziele zu erreichen, reichen aber bloße Gebäudesanierungen, also vor allem Fassadendämmungen, längst nicht aus – schon weil das viel zu lange dauern würde. "Es gibt, unabhängig von den Kosten, einfach viel zu wenige Handwerks- und Baubetriebe, um das Volumen überhaupt in überschaubarer Zeit zu bewältigen und den Gebäudebestand rasch zu ertüchtigen", ergänzt der N-Ergie-Manager. Vergleichsweise rasch wirksam sei allein das Umsteigen auf umweltverträglichere Energieformen wie die Fernwärme.

Politik gibt Rahmen vor

Wie aber steht es um deren Ausbau in Nürnberg? Das größte Projekt seit langem steht im kommenden Frühjahr an: Mit dem Bau einer "nur" 200 Meter langen Leitung wird in zwei Ausbaustufen das MAN-Werk an der Vogelweiherstraße (Gibitzenhof) neu mit Fernwärme versorgt. "Es geht um jeweils 15 Megawatt, das ist einer der höchsten einzelnen Anschlusswerte, die wir je hatten", merkt Vertriebschef Bernd Kallies an.


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Die Fernwärme ersetzt in dem Werk die bisherige Verbrennung von Braunkohlestaub – die bisher 20.000 Tonnen CO2 pro Jahr in die Atmosphäre pustete. Über das 40 Hektar große Areal werden zugleich zwei bisher getrennte Leitungen gekoppelt; und die "Südspange" dient künftig auch zur Erschließung des geplanten Wohngebiets Neu-Lichtenhof sowie – wenn der Freistaat als Bauherr mitzieht – der künftigen Universität.

Wie es mittelfristig weitergeht, zum Beispiel bei der Versorgung des Tiefen Feldes, ist indessen weniger gewiss. Denn: Ob und welche Investitionen sich lohnen, hängt entscheidend von politischen Weichenstellungen ab. Zum Beispiel davon, welche Erzeugungsformen langfristig gefördert werden und wie stark diejenigen zur Kasse gebeten werden, die weiter Kohlendioxid ausstoßen. Und die Vorgaben und Rahmenbedingungen wirken sich unmittelbar aus auf die Preise für die Verbraucher.

Maxime "original regional"

Aktuell tüfteln die Fachleute bei der N-Ergie an verschiedenen Szenarien für die Entwicklung der Wärmeversorgung in Nürnberg bis zum Jahr 2050. Das ehrgeizige Ziel ist ein Versorgung ohne Emissionen. Im kommenden Jahr sollen die Prognosen im Stadtrat vorgestellt werden.

Die Bezeichnung ist beinahe ein wenig irreführend. Denn "Fernwärme" wird ja nicht weit weg produziert und über Dutzende oder gar Hunderte von Kilometern geleitet, sondern jedenfalls in unserer Region quasi vor der Haustür erzeugt. Und weil selbst innerhalb einer Großstadt die Wege relativ weit sein können, gibt es bereits weitere, kleinere Heizkraftwerke wie etwa in Langwasser und in Klingenhof, um die dezentrale Versorgung sicherzustellen und auszubauen.


N-Ergie senkt die Preise: Fernwärme bald billiger


Solche kleinere Anlagen im Verbund sind auch weiteren Stadtteilen denkbar – und nötig, wenn die Versorgung noch ausgebaut werden soll. Im übrigen will die N-Ergie auch ihr Werk Sandreuth um eine weitere Komponente ergänzen: eine Anlage zur Verfeuerung von Altholz, natürlich nur aus der Region. Und genau darauf sollte es, wie bei der Erzeugung und dem Verbrauch von Lebensmitteln, auch im Energiebereich verstärkt ankommen: Vorrang gebührt allem, was der Maxime "original regional" folgt, Nahwärmenetzen gehört die Zukunft.

Neben dem Umsteigen auf erneuerbare Energie ist diese Wende nicht weniger wegweisend – die Abkehr von den großindustriellen hin zu regionalen Strukturen. Wenn es dann noch gelingt, Bürger verstärkt an den Entscheidungen und womöglich auch der Finanzierung zu beteiligen, bringt das nicht nur einen Gewinn für die Umwelt, sondern auch für Teilhabe und bürgerschaftliche Verantwortung.

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