Finanzprobleme: So macht Corona Nürnberg arm

Andre Fischer

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18.8.2020, 05:24 Uhr
So soll es aussehen, das neue Konzerthaus an der Meistersingerhalle.

© Visualisierung: Team Johannes Kappler Architektur So soll es aussehen, das neue Konzerthaus an der Meistersingerhalle.

Die finanziellen Folgen der Corona-Krise sind für Nürnberg katastrophal. Noch nicht in diesem Jahr, weil Bund und Land helfen, aber in den nächsten Jahren. Wir haben zusammengestellt, wie die Probleme miteinander zusammenhängen.

Die Ausgangslage

Der Verwaltungshaushalt der Stadt liegt bei rund zwei Milliarden Euro. Darin sind Steuereinnahmen und Zuschüsse enthalten, aber nicht die größeren Investitionen. Von diesen zwei Milliarden gehen, grob gerechnet, 700 Millionen an Sozialausgaben, 700 Millionen an Personalkosten und 300 Millionen an Sachkosten weg. Im vergangenen Jahr blieben rund 194 Millionen Euro als sogenannter Cashflow übrig.

Finanzprobleme: So macht Corona Nürnberg arm

© Foto: David Ebener dpa/lby

Damit konnten Investitionen, etwa im Schulbereich und Kinderbetreuungsbereich, von insgesamt 350 Millionen Euro auf den Weg gebracht werden. Die Differenz von 150 Millionen Euro wurde mit Zuschüssen von Bund und Land sowie mit Krediten gedeckt. Die neuen Kredite lagen knapp unter 40 Millionen Euro. Der Cashflow für die Investitionen pendelte in den guten Jahren seit 2010 zwischen 100 und 194 Millionen Euro.

Das Problem

Durch den wirtschaftlichen Einbruch wegen der Corona-Krise muss Kämmerer Harald Riedel mit deutlich weniger Steuereinnahmen rechnen. In diesem Jahr gleicht der Bund den Rückgang bei der Gewerbesteuer aus. Der Bund entlastet die Stadt auch deutlich bei den Kosten der Unterkunft für Hartz-IV-Empfänger. Künftig erhält die Stadt 35 Millionen Euro mehr. Wenn es aber bei Einmalzahlungen für den Ausfall der Gewerbesteuer bleibt, dann hat Nürnberg wie andere Städte auch spätestens ab 2022 riesige finanzielle Probleme.

Nach den ersten Planungen hätte die Stadt für 2021 nur noch fünf Millionen Euro für Investitionen übrig. Es muss also gespart werden. Wenn es keine zusätzlichen Hilfen gibt, dann würde der Schuldenstand des städtischen Haushalts in den nächsten drei Jahren von 1,5 Milliarden auf über zwei Milliarden steigen. Für das kommende Jahr wären neue Schulden in Höhe von 200 Millionen Euro zu befürchten.

Der Erwartungsdruck

Weniger Einnahmen bedeutet aber nicht, dass die Erwartungen an die Stadt weniger werden. "Der gesellschaftliche Erwartungsdruck ist riesig, weil in den vergangenen zehn Jahren durch die gute Konjunktur auch viel möglich war", sagt Riedel. Gefordert werden der Ausbau der Digitalisierung, der Kinderbetreuung, der Schulen und Maßnahmen gegen den Klimawandel. "Ich höre immer nur: Wir müssen, müssen, müssen", so Riedel. Rund 500 neue Stellen wurden von der Stadtverwaltung für 2021 beantragt.

Das wäre ein Ausgabenplus von 35 Millionen Euro im Jahr. Darunter sind 30 Stellen mehr für Bürgerämter, 20 für die Digitalisierung, 24 für das Gesundheitsamt, 50 für die Bauverwaltung und 76 für Kindertagesstätten. "Um zu sparen, dürften wir nicht eine neue Stelle genehmigen." Dass das nicht geht, weiß auch der Kämmerer. "Ohne Stellenschaffungen geht nichts voran." Einen zweistelligen Millionenbetrag würde etwa der dauerhafte Ausbau von Homeoffice-Arbeitsplätzen städtischer Mitarbeiter kosten.

Schöne Projekte

Die Pläne für die Sanierung des Volksbads sind fertig. Von den 52 Millionen Euro würde die Stadt fast die Hälfte an Zuschüssen von Bund und Land erhalten. Diese gute Ausgangslage wird nicht wiederkommen, so Riedel. Aber finanziell leisten kann sich die Stadt das Projekt, das nicht unbedingt nötig ist, eigentlich nicht. Für das Vorhaben sprechen der Denkmalschutz, denn die Stadt müsste beim Erhalt von unter Denkmalschutz stehenden Gebäuden ein Vorbild sein. Außerdem liegt das Volksbad in einem Stadtsanierungsgebiet, und es fehlt in Nürnberg an Bädern für das Schulschwimmen.


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Ähnlich ist die Lage beim Konzertsaal. Das Versprechen des Freistaats, in München und Nürnberg einen Konzertsaal zu bauen, wiegt schwer. Die Meistersingerhalle ist akustisch nicht ganz auf der Höhe der Zeit und ein Konzertsaal wäre, wenn man zwei Orchester und eine Musikhochschule in der Stadt hat, sicher sinnvoll. Er wäre eine neue Attraktion für Nürnberg und würde sich in Kombination mit der Meistersingerhalle auch finanziell tragen. Es kommt alles darauf an, wie viel von den Gesamtkosten der Freistaat übernimmt. Dem Vernehmen nach liegen die Kosten bei 190 Millionen Euro. Es ist eine Chance, die es in den nächsten Jahren nicht mehr geben wird.

Doch nicht nur Investitionen kosten viel Geld. Nürnberg leistet sich die Einführung eines Sozialtickets zum Preis von 15 Euro im Monat. Bislang kostete es knapp über 30 Euro. Aufs Jahr gerechnet muss die Stadt dieses Vorhaben aber mit bis zu 22 Millionen Euro bezuschussen. Das ist fast das halbe Volksbad.

Unwägbarkeiten

CSU und SPD haben sich auf einen Klimafonds in den nächsten vier Jahren geeinigt, der 120 Millionen Euro umfassen soll. Die Stadt finanziert aber schon etliche Maßnahmen gegen den Klimawandel. "Was müssen wir an neuem Geld reinstecken und was können wir übernehmen? Was müssen wir machen, um glaubwürdig zu bleiben?", fragt Riedel.

Keiner weiß, wie lange die Auswirkungen von Corona noch zu spüren sind: Derzeit hat die VAG durch den Fahrgastrückgang einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag an Einnahmeausfällen. Das wird dieses Jahr weitgehend durch das ÖPNV-Soforthilfeprogramm von Bund und Land ausgeglichen, so die Erwartung.


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Das 365-Euro-Ticket, das für 2023 versprochen wurde, wird den städtischen Haushalt je nach Ausgestaltung mit weiteren 20-30 Millionen Euro belasten. Ohne Bund und Land ist das Vorhaben nicht finanzierbar.

Lösungen und Befürchtungen

Die Stadt kann mehr Schulneubauten komplett an private Firmen auslagern, die dann auch den Betrieb übernehmen. Sie kann Standards reduzieren, Pauschalen kürzen und die Stellenwünsche zusammenstreichen. Es können Vorhaben verschoben oder gestrichen werden.

Städtische Anleihen für einzelne Projekte sind jedenfalls keine Lösung: Die Stadt müsste den Bürgern einen höheren Zinssatz zahlen als für Kredite. Es bleibt die Hoffnung, dass Bund und Land die Kommunen noch zwei weitere Jahre unterstützen. Aus dem kommunalen Finanzausgleich hat Nürnberg in diesem Jahr 249 Millionen Euro bekommen. Wenn BMW oder Audi weniger oder keine Gewerbesteuern zahlen, dann wird der Kuchen, der zu verteilen ist, deutlich kleiner, denn Regensburg, Ingolstadt und München beanspruchen dann auch Ausgleichszahlungen.

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