Flüchtlingsamts-Chef Weise gegen mehr Härte im Asylrecht
29.12.2015, 06:00 UhrAsylrecht: "Meine Haltung ist: Asyl hat in Deutschland einen hohen Wert. Die Sympathie, die Deutschland dafür bekommt, ist etwas außerordentlich Wichtiges", sagt Frank-Jürgen Weise. Letztlich sei eine Reform des Asylrechts aber eine politische Entscheidung.
Asylamt: Kritik übt Weise an den Arbeitsabläufen im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: "Wenn mir einer sagen will, dass das, was 2015 im Flüchtlingsmanagement gelaufen ist, gut sei, dann sagt er nicht die Wahrheit", so Weise. Es gebe Flüchtlinge, "die stehen im Regen und kriegen einen Termin zur Anhörung zum Teil erst nach sechs oder sieben Monaten". Sie seien zum Warten und zur Untätigkeit verdammt, statt die deutsche Sprache zu lernen oder zu arbeiten. "Das ist verlorene Zeit für die Integration in Arbeit und Gesellschaft", sagt Weise, der das Asylamt nach dem Rücktritt von Manfred Schmidt im September übernahm. Mit Hilfe der neuen Mitarbeiter, die das Amt im kommenden Jahr erhält, werde der Berg unbearbeiteter Asylanträge aber abgearbeitet.
Arbeitsmarkt: Obwohl schon viele deutsche Langzeitarbeitslose keine Jobs finden, glaubt Weise, dass Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt integriert werden können. "Langzeitarbeitslosigkeit hat vielschichtige Gründe, zum Beispiel fehlende Berufsabschlüsse oder fehlende Sprachkenntnisse. Es ist einerseits besorgniserregend, dass wir dies auch bei Flüchtlingen wiederfinden. Es gibt aber zwei wichtige Unterschiede: Die Motivation der Flüchtlinge ist erstens extrem hoch, das sagen mir auch viele Arbeitgeber, höher als bei einem Teil der Langzeitarbeitslosen. Zweitens: Viele bringen zwar keine Abschlüsse nach deutschen Standards mit, dafür aber berufliche Erfahrungen, Kompetenzen und Fähigkeiten", so Weise, der auch Chef der Bundesagentur für Arbeit ist.
Ängsten: "Wenn Gemeinden in kurzer Zeit mit so großen Veränderungen, so vielen Flüchtlingen konfrontiert werden, dann macht das den Menschen immer Angst, das ist verständlich." Seine Arbeit im Asylamt sei deshalb auch daraufhin ausgerichtet, der Bevölkerung die Unsicherheit zu nehmen. Der neue Flüchtlingsausweis, der die Mehrfach- oder Nicht-Registrierung von Migranten verhindern soll, sei dabei ein erster Schritt.
Optimismus: Weise hält trotz der Ängste nichts davon, die Flüchtlingsströme als größte Krise seit Gründung der Bundesrepublik zu bezeichnen - die Möglichkeit eines Atomkriegs im Ost-West-Konflikt sei viel bedrohlicher gewesen.
Der 64-Jährige zieht einen anderen Vergleich - nämlich den zur Finanzkrise 2008/2009, die erfolgreich bewältigt worden sei: "Was haben wir in der Bundesagentur gemacht? Wir haben unseren Leuten gesagt, geht 'raus in die Betriebe, bietet Lösungen wie Kurzarbeit an. In völliger Ruhe waren wir für die Gesellschaft präsent", so Weise. Ähnliches wünsche er sich für die Integration der Flüchtlinge. "Wenn sie schon da sind, dann machen wir etwas daraus." Mit Blauäugigkeit und Naivität habe das nichts zu tun.