Folklore aus Draculas Reich

28.06.2009, 00:00 Uhr
Folklore aus Draculas Reich

© Stefan Hippel

Vor dem großen Unwetter zieht die Folklore-Show Passanten in großer Zahl in ihren Bann. In ihren bunt bestickten Westen, schwarzen Hüten und weißen Hosen setzen sie eine traditionelle Dorf-Hochzeit in Siebenbürgen in Szene – und wechseln die Kostüme ebenso schnell wie die Formationen.

Viele Nummern sind gespickt mit Anspielungen und symbolischen Bezügen auf uralte Wurzeln: Die Pfauenfedern als Kopfputz des Bräutigams erinnern an Vorbilder aus dem alten Rom, beim Hennentanz wurde einst Geld für ein großes Geschenk gesammelt, als Grundstock für die junge Ehe.

Wie Hochzeitslader von einst waren die Akteure in ihren farbenfrohen Trachten aus verschiedenen Regionen Siebenbürgens schon am Vorabend durch die Fußgängerzone gezogen, um die Passanten zu dem großen Bürger- und Kulturfest zu lotsen. Es steigt, unterstützt von vielen Seiten, an diesem Wochenende zum fünften Mal und soll nicht etwa nur nostalgische Gefühle der Rumäniendeutschen bedienen, die hierher gezogen sind. «Wir wollen vor allem all jenen etwas von der rumänischen Kultur vermitteln, die nicht von dort stammen», sagt Mariana Alexie, die agile Vorsitzende von Romanima.

Teure Handarbeit

Geboten sind nicht nur Musik und Tanz, auch die touristische Trumpfkarte wird ausgespielt: Ein Infostand mit einer großen Abbildung des Dracula-Schlosses Bran will Lust auf Reisen nach Transsylvanien machen. In weiteren Zelten ist originales Kunsthandwerk zu bewundern (und zu erwerben): Wie traditionelle Stickereien und Stoffmuster entstehen, führt beispielsweise Valeria Sofonea an einem historischen Webstuhl vor, was sie und ihre Angehörigen in Handarbeit fertigen, können sich in Rumänien allerdings nur Kunden mit guten Einkommen leisten. Schnitzarbeiten aus dem Holz von Pflaumenbäumen hat einen Stand weiter Zina Manesa-Burloiu aus ihrer Werkstatt mitgebracht, dazu kunstvoll nach uralten Vorlagen bemalte Eier.

Die beiden gehören zu der 33-köpfigen Delegation, der bisher größten, die aus dem befreundeten Brasov (Kronstadt) nach Nürnberg gekommen ist. Neben den Künstlern umfasst sie auch Wirtschaftsvertreter und Kommunalpolitiker wie Aristotel Cancescu, den Präsidenten des Bezirkstags von Brasov. Gleich nach der Ankunft stellten sie sich bei einem rumänischen Abend in der Ehrenhalle des Rathauses vor – und warben nicht zuletzt für den Ausbau der Kontakte zu einer regelrechten Partnerschaft. Zu Panflötenklängen und einer Weinprobe stellten die Gäste den neuen Lyrikband «Kronstadt in 100 Gedichten» vor, während Ex-Rechtsdirektor Hartmut Frommer als Brasov-Kenner und -Freund ein Bild des Nürnberger Malers Karl-Heinz Raps zu Gunsten einer Ausbildungsstätte in Brasov versteigerte.

Die Wirtschaftsbeziehungen ankurbeln sollte schließlich eine Präsentation der Region Brasov im Feuchter Pfinzingschloss; den rund zwei Dutzend deutschen Firmenvertretern schilderten der Direktor eines Industrieparks und der Präsident des Deutschen Wirtschaftsclubs in Brasov die Situation und Ansätze für Kooperationen.

Auch am heutigen Sonntag lockt von 11 bis 21 Uhr ein prall gefülltes Programm – samt rumänischen Spezialitäten vom Grill wie aus der Backstube, zum Beispiel den süßen, «Kürtoskolacs» genannten Teigkringeln. W. HEILIG-ACHNECK