Hähnchen aus der Geisterküche

Food-Trend aus den USA schwappt weiter nach Franken: Rap-Star plant Eröffnung mitten in Nürnberg

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2.12.2024, 05:00 Uhr
Eine Holzwand vor der ehemaligen Filiale der insolventen Modekette "Scotch & Soda" in der Breiten Gasse kündigt an: "Coming soon".

© Jonas Werling/nordbayern.de Eine Holzwand vor der ehemaligen Filiale der insolventen Modekette "Scotch & Soda" in der Breiten Gasse kündigt an: "Coming soon".

Man nehme ein Logo, das an "Breaking Bad" erinnert, ein Fast-Food-Konzept, das ohne Gäste auskommt, und einen Berliner Rapper mit Gastronomie-Ambitionen. Heraus kommt die virtuelle Kette "Loco Chicken", die jetzt auch in Mittelfranken expandiert. Verwirrt? Keine Sorge, wir klären Sie auf.

Längst haben Künstler und Influencer in Deutschland den Essens- und Getränkesektor als lukratives Geschäftsfeld entdeckt. Das bislang größte Projekt dieser Art hat Deutschrapper Luciano aus Berlin - bürgerlich Patrick Großmann - mit "Loco Chicken" gestartet. Am 12. Oktober 2023 eröffnete er zeitgleich 100 Filialen - kein Witz! Wie das funktioniert, lesen Sie weiter unten. Die Fast-Food-Kette konzentriert sich auf Hähnchenfleisch und bietet ausschließlich halal-zertifizierte Produkte an. Es bestehen unter anderem Filialen in Köln, Berlin, Frankfurt und Düsseldorf, aber auch eine in Nürnberg. Im Stadtteil Werderau ist sie seit Oktober vergangenen Jahres in Betrieb.

Nun soll eine weitere in der Breiten Gasse folgen. Eine Holzwand vor der ehemaligen Filiale der insolventen Modekette "Scotch & Soda" kündigt an: "Coming soon". Hinter dem Emblem mit einem Hahn mit Weste und Zahnstocher auf gelbem Grund - in Anlehnung an eine fiktive Fastfood-Kette aus der Kultserie "Breaking Bad" - operiert das Berliner Unternehmen Lanch GmbH mit dem Konzept der "Ghost Kitchen". Lanch hat bereits eine Kooperation mit den Streamern Knossi und Trymacs gestartet, die im Pizza-Segment wirbeln. Luciano dagegen macht, wie erwähnt, in Hähnchen und will "KFC" und Co. Konkurrenz machen.

Was ist Loco Kitchen?

Loco Chicken ist eine virtuelle Fast-Food-Kette. Das bedeutet, sie arbeitet nach dem Prinzip der sogenannten "Ghost Kitchen" - zu Deutsch: Geisterküche. Es gibt keine freundlichen Kellner und auch keine schön dekorierten Tische. Gäste sind unerwünscht. Das Konzept funktioniert folgendermaßen: Die Fast-Food-Kette sucht sich Partnerrestaurants in ganz Deutschland aus, die Chicken, veganes Chicken, Soßen, Chicken-Waffles und Beilagen nach einheitlichem Rezept zubereiten - ähnlich eines Franchise-Modells. Im Anschluss verkaufen die Restaurants die Gerichte über Lieferdienste wie Lieferando, Wolt oder Uber Eats online an ihre Kunden.

Die virtuelle Kette von Luciano hat den Vorteil, dass sie ihre Produkte überall in Deutschland vertreiben kann, ohne physische Restaurants zu eröffnen. So spart sich das Unternehmen Kellner, Parkplätze und alles, was zu einem regulären gastronomischen Betrieb dazugehört. Auf diese Weise konnte der Rapper im vergangenen Jahr den Mega-Launch mit 100 Eröffnungen stemmen.

Was bringt das Konzept den Partnerrestaurants? Ganz einfach: Sie können ihren eigenen Betrieb weiterführen und sich noch etwas dazuverdienen. Die Partner erhalten mehrmals pro Woche frische Zutaten, bekommen Equipment wie Fritteusen und werden von dem Unternehmen geschult, so Loco Chicken. Bis zu 250.000 Euro pro Jahr sollen sich Restaurants mit "Ghost Kitchen" dazuverdienen können, wirbt das Unternehmen.

Kritik am System

Doch nicht überall kommt das Konzept gut an. Beobachter der Branche befürchten, dass die schnell wachsenden Angebote andere Anbieter aus dem Markt drängen könnten - ähnlich wie es in den USA, wo der Trend entstand, teilweise schon zu beobachten ist. Zudem zweifeln Szenekenner an dem Frische-Versprechen und vermuten minderwertige Tiefkühl-Ware, die zu überteuerten Preisen verkauft wird. Auch würden viele Ghost Kitchen-Betreiber Online-Bestellplattformen mit mehreren Inseraten derselben Anbieter überschwemmen und so die Konkurrenz ausstechen, berichten Insider.

Für Rapper Luciano scheint sich das Investment allerdings zu lohnen. 2022 war er der in Deutschland am meisten gestreamte Künstler auf der Plattform Spotify. Neben seiner neuen virtuellen Fast-Food-Kette hat er bereits seine eigene Eistee-Marke sowie ein alkoholisches Mischgetränk auf den Markt gebracht. Wann in der Breiten Gasse eröffnet wird, steht derweil allerdings noch nicht fest - nur das Versprechen "Coming soon".