Frankenschnellweg: Maly zweifelt am guten Willen des BN

30.12.2017, 07:56 Uhr
Ulrich Maly im Gespräch mit der NZ.

© Foto: Michael Matejka Ulrich Maly im Gespräch mit der NZ.

Herr Maly, Nürnberg will sich verstärkt den Herausforderungen durch die Digitalisierung stellen. Was sind die Schwerpunkte?

Ulrich Maly: Das Unternehmen Stadt Nürnberg wird digitaler. Welche Erwartungen haben die Bürgerinnen und Bürgern an uns? Wo sind rechtliche Grenzen? Wie müssen wir kommunizieren? In einer Studie des Deutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit im Internet heißt es: 15 Prozent aller dreijährigen Kinder sind in Deutschland im Internet, 65 Prozent aller sechsjährigen, 100 Prozent aller zehnjährigen. Das heißt, viele Sechsjährige lernen die Kulturtechniken Lesen, Schreiben, Rechnen über eine digitale Kulturtechnik und nicht erst in der Schule. Das bedeutet die Neuerfindung einer Pädagogik für digitale Souveränität. Wir werden deshalb eine Bildungskonferenz zu diesem Thema machen, auf der vertiefend Pro und Contra diskutiert wird.

Digitalisierung hat aber auch ganz konkrete Auswirkungen.

Maly: Auch müssen wir uns überlegen, wo die Stadt bei ihren Abläufen intelligenter werden kann. Gibt es eine digitale App zur Parkplatzsuche? Wie weit digitalisiert sich die Mobilitätskette, die von der VAG angeboten wird, wenn sie das Fahrradverleihsystem übernimmt? Ein weiterer Schwerpunkt ist natürlich die Digitalisierung für unsere Unternehmen und welche Auswirkungen das für die Beschäftigten hat. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) geht davon aus, dass es zu keinem dramatischen Arbeitsplatzverlust kommt, aber es wird Strukturveränderungen auf dem Arbeitsmarkt geben, denn die Zahl der Jobs im mittleren Bereich wird in den Unternehmen nicht mehr wachsen.

Die Zahlen der Akademiker an der Spitze, der Meister- und der Helferbereich werden dagegen zulegen. Die Digitalisierung wird auch zu kleineren Unternehmensgrößen führen, weil es nicht mehr nötig ist, hohe Stückzahlen zu produzieren, um einen günstigen Preis zu erzielen. Der 3-D-Drucker produziert das erste Stück wie das millionste Teil zum gleichen Preis. Für die Gewerkschaften eine Riesenherausforderung.

Wie wird das Thema Digitalisierung in die Kulturhauptstadtbewerbung eingebunden?

Maly: Im Rahmen unserer Bewerbung um den Titel Kulturhauptstadt werden wir uns überlegen, wie sich unser Kommunikationsverhalten, unsere ästhetische Einstellung, unser Alltagsleben durch digitale Kommunikation, durch digitale Ästhetiken, durch massenhaftes Publizieren von eigentlich Privatem verändert.

"Die Leihräder nutzen vor allem Pendler"

Ist es schon sicher, dass die VAG das Fahrradverleihsystem übernimmt, nachdem Nextbike aufgibt?

Maly: Es gibt Gespräche, auch mit der Stadt München, ob man gemeinsam eine Fahrradbeschaffung macht und es gibt Gespräche, wie es organisiert wird. Wir wollen aber in jedem Fall an einem Fahrradverleihsystem festhalten. Ursprünglich sind wir davon ausgegangen, dass vor allem Touristen Fahrräder mieten. Das stimmt aber nicht. Die Leihräder nutzen vor allem Pendler. Deswegen müsste das Fahrradverleihsystem dem ÖPNV zugeordnet werden.

Bei den Verhandlungen mit dem Bund Naturschutz (BN) über den kreuzungsfreien Ausbau des Frankenschnellwegs hat man den Eindruck, dass nichts vorangeht. Liegt das an der Schummelsoftware von Dieselautos, die dazu führt, dass der Schadstoffausstoß bei den Verkehrsprognosen neu berechnet werden muss?

Maly: Nein, das ist nicht das Problem. Das Problem ist, dass in den Vergleichsverhandlungen zwischen BN und Stadt, wenn man eigentlich schon glaubt, man ist sich einig, der BN eine Zusatzforderung stellt. Ich bin der Meinung, dass der Kompromiss ausverhandelt ist. Das Problem aus der Sicht des BN ist der zeitliche Ablauf. Wir wollen, wenn wir einen Vergleich schließen, dass der Planfeststellungsbeschluss, der Baurecht schafft, sofort gilt.

Der BN verweist darauf, dass es eine neue Verkehrszählung und eine neue, ergänzende Umweltverträglichkeitsstudie gibt, die weiter in die Zukunft reicht als die alte, die bis 2025 ging. Der BN will alle Ergebnisse abwarten und auswerten, bevor er dem Vergleich zustimmt. Dann können wir aber gleich das Gerichtsverfahren abwarten und brauchen keinen Vergleich mehr schließen.

Schuld am zähen Fortgang der Vergleichsverhandlungen ist aber nicht nur der BN.

Maly: Es gibt aber auch alltägliches Ungemach. In dem alten Vergleichsvorschlag steht, dass die Stadt sich bemüht, die Maßnahmen, die im Nahverkehrsentwicklungsplan enthalten sind, abzuarbeiten. Gutachter haben aber zuletzt festgestellt, dass die Stadtbahn nach Kornburg derzeit nicht förderfähig ist. Wir können aber keine Straßenbahn ohne Zuschuss bauen. Jetzt müssen wir uns neu unterhalten, was das bedeutet. Ich glaube der BN ist so zerrissen, dass es, wenn er die Vergleichsverhandlungen zu einem guten und schnellen Abschluss bringt, internen Ärger gibt. Wenn er den Vergleich aber auf Dauer verzögert und es dann zu einer Gerichtsentscheidung kommt, wird es ebenfalls internen Ärger geben.

Blaue Plakette wird kommen

Wie geht es dann mit dem Frankenschnellweg weiter?

Maly: Irgendwann wird der Richter Recht sprechen und dann gilt der Planfeststellungsbeschluss.

Dann glaubt der OB nicht mehr an eine Verhandlungslösung?

Maly: Ich bin immer ein Optimist und glaube grundsätzlich an Verhandlungslösungen. Aber der Verlauf der Gespräche in diesem Jahr macht einen skeptisch.

Kommt die blaue Plakette für Nürnberg und damit ein Fahrverbot für ältere Dieselfahrzeuge in der Innenstadt?

Maly: Das wissen wir am 25. Februar. Wenn das Gerichtsurteil des Verwaltungsgerichtshofs in Leipzig so ausgeht, wie ich glaube, dass es ausgeht, dann bedeutet die Nichtexistenz der blauen Plakette, dass man mehr Dieselautos aussperren muss als man eigentlich will. Und die Existenz der blauen Plakette, dass man weniger ausschließen muss – und deswegen wird sie kommen.

Wie geht es mit dem Nahverkehrsentwicklungsplan weiter?

Maly: Es gibt Überlegungen, mit der Straßenbahn entweder entlang der Großen Straße Richtung Messe zu fahren und dann weiter in den Süden oder aber die Linie, die den neuen Universitätscampus anbinden soll, zu verlängern. Dann stellt sich auch die Frage, wie die Bertolt-Brecht-Schule und das Südklinikum mit der Schiene erschlossen werden können. Bei der Altstadtquerung gilt das Versprechen, dass es erst nach ausführlicher Information und mit einem entsprechenden Ratsbegehren oder einer Bürgermeinungsanalyse einen Beschluss gibt.

Aber auch hier müssen wir nachrechnen, das haben wir aus dem Scheitern der Stadtbahnpläne nach Kornburg gelernt: Je sauberer die Autos werden, desto niedriger ist der Nutzen-Kosten-Faktor der Straßenbahn, weil bei der Analyse auch die eingesparten Schadstoffe gezählt werden. Darunter leidet dann die Förderfähigkeit. Das ist eine Straßenbahnverhinderungssystematik.

Dresden ist immer gefährlich

Wie unterstützt die Stadt die Gründung der Universität?

Maly: Wir machen zusammen mit den Kollegen vom staatlichen Bauamt die Planung. Wir wollen die Universität an der Brunecker Straße haben und es soll ein schöner Campus werden. Wir machen die verkehrliche Erschließung, auf der Straße und auf der Schiene. Neben der Straßenbahn gibt es möglicherweise auch eine neue U-Bahnstation. Wir haben dem Freistaat auch angeboten, dass wir potenzielle Erweiterungsflächen kaufen können. Wir kaufen allerdings keine zentralen Uniflächen - das ist Sache des Freistaats.

Welche Städte werden bei der Bewerbung um den Titel Kulturhauptstadt die schärfsten Konkurrenten Nürnbergs sein?

Maly: Das weiß ich nicht. Ich habe mir lange überlegt, ob ich mir die Bewerbungsbücher der Konkurrenz durchlese. Ich weiß im Moment, dass ich es nicht mache, weil die Gefahr besteht, dass gute Ideen, auf die man nicht selber gekommen ist, sich festsetzen und dann besteht die Gefahr, dass man sie kopiert. Wir müssen uns aus uns heraus definieren. Kleinere Städte können mit einer pfiffigen Bewerbung immer gefährlich sein, auch Dresden ist immer gefährlich. Es gilt der alte Fußballerspruch: Wir müssen uns auf unsere eigenen Stärken besinnen. Auch wenn es eine Binsenweisheit ist.

Was erwartet der OB vom Ministerpräsidenten Söder für Nürnberg?

Maly: Ich bin Realist. Der Ministerpräsident Söder wird, weil er seine Nürnberger Herkunft nicht versteckt, vom Rest Bayerns unter verschärfter Beobachtung stehen, ob er auch ein gerechter Ministerpräsident ist. Für Nürnberg hat er als Finanzminister vielleicht mehr machen können als er künftig als Ministerpräsident machen wird. Die Versprechungen, wie zum Beispiel die neue Universität und der Zuschuss zum Frankenschnellweg, sind natürlich auch nach dem Wechsel gültig. Was Söder sicherlich in seiner politischen Vita in sich trägt, ist das Nicht-Oberbayerntum und das muss nicht schlecht sein.

Wie steht es um die Sanierung des Volksbads?

Maly: Wir müssen mit dem Freistaat noch Gespräche führen. Finanzielle Mittel können bei der Bäderförderung oder bei der Städtebauförderung zur Verfügung stehen.

Man hat den Eindruck, dass der Schwung bei den Versuchen, Flüchtlinge zu integrieren, nachgelassen hat. Gibt es neue städtische Initiativen?

Maly: Ich glaube, dass der Schwung nicht nachgelassen hat, sondern dass man aus dem Krisenmodus an vielen Stellen in den Regelbetrieb übergegangen ist. Wir haben die zusätzlichen Kinder in den Aktionsprogrammen zum Kindertagesstättenbau untergebracht. Das gilt auch für die zusätzlichen Kinder in den Schulen. Wir bemühen uns auch, die Menschen in Arbeit zu bringen. Unsere Übergangsklassen, die das berufliche Schulwesen anbietet, sind ein Erfolgsmodell und führen zu Ausbildungsplätzen. Das Engagement ist nicht weniger geworden. Es wird aber medial weniger darüber berichtet.

Steigt der Club 2018 auf?

Maly: Ist beschlossene Sache!

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