Frauenpower schlägt Funken in Männerdomäne
26.11.2015, 20:49 Uhr„An jedem Fahrzeugtyp, der da draußen fährt, sind wir in irgendeiner Weise beteiligt“, erklärt Cornelia Michel nicht ohne Stolz. Als Beispiel zeigt sie ein Armaturenbrett, bei dem bei sehr genauem Hinsehen zu erkennen ist, dass es sich aus zwei Teilen zusammensetzt. „Das lässt heute, wo alles ganz exakt sein muss, niemand mehr durchgehen.“ Aufgabe der Schweißerei Konrad Michel ist es nun, für die Hersteller die Form so zu schweißen, also nachzubessern, dass die Nahtstelle absolut unsichtbar ist. „Eine Spezialität des Betriebes und eine echte Marktlücke“, wie Geschäftsführerin Michel sagt.
Cornelia Michel leitet seit zwölf Jahren die Schweißerei; Tochter Marina Raum ist als Bürokauffrau und Betriebswirtin (HWK) für den Innendienst zuständig. Ramona Raum – sie ist Metallbauer-Meisterin und internationale Schweißfachfrau, eine Qualifikation, die nur wenige Frauen hierzulande haben – arbeitet in der Werkstatt. Normalerweise ist das eine reine Männerdomäne. Nicht so bei Michel in der Werkstatt. Hier arbeiten drei der fünf Frauen des Betriebs – neben Ramona Raum eine Metallbauerin und eine Auszubildende.
Selbst im Zeitalter der Emanzipation sind Frauen in dieser Sparte noch Exoten, und anders als bei Männern wird ihre Fachkompetenz durchaus infrage gestellt. Das haben auch Cornelia Michel und Ramona Raum erlebt. Sie schmunzeln noch heute, wenn sie an die sechsköpfige Delegation eines großen Automobilherstellers denken, die angereist war, um einen Auftrag zu vergeben und plötzlich zwei Frauen als Verhandlungspartner vor sich hatte. „Die haben bei der Begrüßung als Erstes nach dem Chef gefragt und waren bass erstaunt, als sie sich zwei Chefinnen gegenübersahen, die in ihrem Metier absolut sattelfest waren.“
Dabei ist es eigentlich gar nicht neu, dass Frauen als Schweißerinnen arbeiten. Auf den Bremer Werften war die harte Arbeit im Schiffsbau jahrhundertelang Männersache. Doch ab Ende der 50er Jahre mischten sich plötzlich Frauen unter die Schweißertrupps. Eine besondere Herausforderung war die Arbeit an Bord — für Frauen seinerzeit eigentlich verboten. Aber wen scherte das, wenn Not am Mann, beziehungsweise der Frau, war.
Bepackt mit Kabel, Schweißzange und dem sogenannten Spiegel krochen die Schweißerinnen durch enge Luken, die „Mannlöcher“, in den Doppelboden des Schiffes. Dort atmeten sie die gefährlichen Gase ein, die beim Abbrennen der Elektroden frei wurden, denn es gab keine Absaugvorrichtungen oder nur solche, die nicht funktionierten. „Arbeitsschutz“ war damals ein Fremdwort und Verletzungen durch heiße Metallspritzer, das Verblitzen der Augen beim Hineinsehen in den Lichtbogen und Wirbelsäulenschäden an der Tagesordnung.
Auch in der Schweißerei Michel zischt der Brenner, prasseln die Funken und das Metall wird unter dem Lichtbogen rot und heiß. Zu Schaden aber kommt dabei niemand, denn die gesetzlichen Bestimmungen zum Gesundheitsschutz werden hier nach Angaben der Chefin peinlich genau beachtet.
Stichwort „Genauigkeit“: Beim Schweißen, Gewindeschneiden, Löten, Drehen, Justieren und Bohren kommt es auf Hundertstel Millimeter an, egal, ob ein winziger Riss, beispielsweise an einem Motorblock geschweißt werden muss oder Formen und Werkzeuge in der Größe eines Mittelklassewagens und tonnenschwere Konstruktionen mit Abmessungen wie ein Doppelhaus. Die Auftraggeber sind international und aus den unterschiedlichsten Branchen, von der Automobilindustrie über Hausgerätehersteller bis zum Kraftwerksbauer.
Schlaflose Nächte
Und das beschert Cornelia Michel schon mal schlaflose Nächte. So wie damals, als ihr Betrieb ein Sieb für einen Turbinenläufer gefertigt hatte, das in Taiwan eingebaut, an der Turbine einen Schaden von zehn Millionen Dollar anrichtete. „Meinem Vater war schnell klar, dass nicht wir daran schuld waren, sondern ein Bedienungsfehler in Taiwan. Und genauso war es.“
Nachts wach gelegen sei sie auch, als es 2001 hieß, Michel bekomme den Auftrag für die Fertigung des Medienwürfels für die Arena Nürnberger Versicherung – aber nur dann, wenn er innerhalb von sechs Wochen ausgeführt sei. Eigentlich ein Unding, denn die erforderlichen Träger hatten eine monatelange Lieferzeit. „Um den Termin halten zu können, haben wir sie halt geschweißt – und es hat geklappt.“
Angefangen hat alles vor 50 Jahren. Da machte sich Konrad Michel im Fuchsloch auf 60 Quadratmetern mit einer kleinen Schweißerei selbstständig. Die platzte allerdings schnell aus allen Nähten, so dass 1973 in eine rund 1000 Quadratmeter große Halle in die Illesheimer Straße 8 umgezogen wurde.
Die Michels scheinen die Liebe zu Metall in den Genen zu haben. Seit Mitte des 17. Jahrhunderts vererben Konrad Michels Vorfahren mütterlicherseits das Schmiedehandwerk von Generation zu Generation. Und sowohl eine der beiden Töchter des Firmengründers, Cornelia Michel, als auch deren Töchter, Marina und Ramona Raum, haben das „Metaller-Gen“ ebenfalls im Blut.
In der Schweißerei stehen sowohl robuste alte Maschinen, die sich noch zerlegen und selbst reparieren lassen als auch computergesteuerte neue. Dank moderner Hebevorrichtungen ist die Arbeit körperlich nicht mehr allzu schwer. Beim Schweißen kommt es vor allem auf Geschicklichkeit an. Gefragt ist eine ruhige Hand und viel Fingerspitzengefühl. Demnach sind Frauen prädestiniert, die Funken sprühen zu lassen.
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