"Freude für alle": Nürnbergerin ist seit Unfall querschnittsgelähmt

7.11.2015, 14:42 Uhr

Langsam rollt die 26-Jährige an den Esstisch neben dem Kachelofen heran. Zur Kaffeetasse greift sie aus eigener Kraft – und schafft es auch, mit der Gabel ein Stück Kuchen zu teilen. Wenn nur das Kribbeln und die Krämpfe in den Beinen nicht wären. "Ich weiß, dass es anderen noch viel schlechter geht als mir", sagt sie, wohl auch, um sich selbst ein wenig Mut zuzusprechen.

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Lange genug hatte sie in Kliniken noch schwerere Schicksale mitbekommen. Aber alle Vergleiche hinken. Was sie selbst durchstehen muss, reicht allemal: Von den Brustwirbeln abwärts hat die junge Versicherungskauffrau kein Gespür und keine Chance mehr, sich gezielt und bewusst zu bewegen. Mit Müh und Not schafft sie es, sich vom Rollstuhl ins Bett oder ins Auto zu hangeln. Sogar ans Steuer. „Einen Handgas-Führerschein habe ich schon gemacht“, erzählt sie.

Doch einen Wagen mit solcher Ausstattung kann sie sich nicht leisten. Zudem hat sie noch viel zu viel Scheu, sich überhaupt wieder unter Leute zu wagen. Dafür ist alles, was ihr seit einem Jahr widerfahren ist, noch viel zu frisch und zu bedrückend.

Mit ihrem ebenfalls erwachsenen Bruder hatte sich die bildhübsche und lebenslustige Nürnbergerin eine besondere Reise gönnen wollen, für die sie lange gespart hatte: zwei Wochen Safari in Afrika, gebucht bei einer auf solche Touren spezialisierten Reisebürokette. Doch zur Halbzeit, auf dem Weg von Kenia nach Tansania, verlor der Fahrer die Kontrolle über seinen Bus. Mit gut zwei Dutzend Touristen aus aller Welt an Bord stürzte das Fahrzeug einen Hang hinab und überschlug sich. Die beiden Geschwister aus Nürnberg überlebten, Evelyns Bruder kam mit Knochenbrüchen etwas glimpflicher davon, sie dagegen konnte sich mit ihrer Wirbelsäulenverletzung kaum mehr rühren.

Kräftig durchgeschüttelt

Einheimische brachten die Schwerverletzte auf der Rückbank in den nächsten Ort, von dort ging es im Krankenwagen, aber nicht weniger holprig, ins Hauptstadt-Hospital. Viel mehr als eine Versorgung mit Morphium war dort nicht drin. Als die spärliche Nachricht von dem Unfall die Eltern erreichte, steigerte die Ungewissheit noch die Sorgen und den Schock: „In der Klinik anzurufen, war aussichtslos“, erzählt die Mutter, „ich habe nächtelang kein Auge zugetan.“ Immerhin klappte nach ein paar Tagen die Verlegung mit einem Ambulanzflieger nach Deutschland. Es folgten monatelange Behandlungen in Fachkliniken und Rehazentren. In hartem Training wurde Evelyn C. schon einiges beigebracht, was ihr helfen soll, sich wenigstens teilweise auch eigenständig zu versorgen. Eine halbe Stunde benötigt sie, um sich an- oder auszuziehen – und ist danach schweißgebadet.

Mangels passender Bleibe fand sie erst mal Aufnahme bei ihren aufopferungsbereiten Eltern. Dort ließ sich einiges umstellen und für sie herrichten. Aber es ist allenfalls eine Lösung auf Zeit – schon weil die Kräfte der Eltern nachlassen und sie selbst mit mancherlei Beschwernissen zu kämpfen haben.

Dazu kommt, dass die permanente Sorge um die Tochter und das ständige Ringen mit Kranken- und Pflegekassen und anderen Institutionen der Mutter so zugesetzt hat, dass sie reif für eine Kur wäre. Und ein dicker Brocken steht noch aus: Vom Reiseveranstalter hat die Familie keinerlei Schadenersatz oder Schmerzensgeld erhalten. „Wir waren angeschnallt und tragen keinerlei Mitschuld“, sagen die Geschwister. Ob eine Klage Erfolg hat, steht freilich in den Sternen.

Unterdessen hat ihre Firma schon signalisiert, Evelyn C. gerne weiterzubeschäftigen und alle nötigen Vorkehrungen zu treffen. Aber noch ist sie vollauf beschäftigt, den Alltag neu zu bewältigen. Manche Freundin will nun nichts mehr von ihr wissen. Und mit ihren Eltern teilt sie eine leidvolle Erfahrung vieler chronisch Kranker: Nötige Hilfen – bis hin zum größeren Rollstuhl – werden von den Kassen als „nicht notwendig“ versagt und allenfalls nach zähem Ringen bewilligt.

Längst zehren die vielen Zusatzausgaben einen Großteil der bescheidenen Ersparnisse der Familie auf. Und nicht nur Evelyns früheres Auto haben die Eltern inzwischen versilbert. Auch auf ihre heißgeliebten Highheels muss sie für immer verzichten – für sie mehr als ein Symbol.