Georgensgmünd: "Reichsbürger" rechnete mit SEK-Einsatz
21.9.2017, 16:48 UhrAm 15. Oktober, nur drei Tage vor dem Polizeieinsatz, saß Wolfgang P. im Nürnberger FKK Club Venezia. Er spielte Poker und erzählte dem Leiter des Spieltisches, dass er wohl demnächst Besuch vom SEK oder der Polizei bekommen werde. Dabei kündigte er an, dass er sich seine 30 Kurz- und Langwaffen nicht so einfach abnehmen lassen werde. Dabei habe er Drohungen wie "bei mir kommen die nicht rein, ein paar von denen nehm’ ich mit" ausgestoßen – und ab diesem Zeitpunkt, so schildert der 42-jährige Zeuge, sei ihm das Gespräch mit Wolfgang P. unangenehm gewesen. "So was möchte ich nicht hören."
Drei Tage später erschoss Wolfgang P., Kampfkunsttrainer und ehemaliger Vermögensberater, während der Razzia in seinem Anwesen einen Polizisten und verletzte zwei weitere Beamte. Der tödliche Polizeieinsatz sorgte für Schlagzeilen – und wenige Tage später meldete sich der Spieltischleiter bei der Polizei. Er hatte aufgrund eines Medienberichtes seinen Gesprächspartner vom Pokertisch wieder erkannt. Nun sitzt er als Zeuge vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth und betont, dass er sich "beim besten Willen" nicht habe vorstellen können, dass all dies eintreffen würde. Er schildert, dass ihm Wolfgang P. an jenem Abend erklären wollte, dass Deutschland nicht existiere, sondern nur eine Art GmbH sei, er selbst damit nichts zu tun habe, deshalb außerhalb des Rechtssystems stehe und daher auch keine Steuern und keine Versicherung mehr bezahle. Auch sein Auto habe er abgemeldet. Ein "Freak", erinnert sich der Zeuge, der trotz seiner kruden Thesen ganz klar gewirkt habe und sehr gut Poker spielen konnte.
Die Aussage belastet Wolfgang P. schwer. Denn sie passt nur zu gut zu seinem Besuch bei seinem Facebook Freund Adrian Ursache. Ihn, einen bekennenden Reichsbürger, hatte Wolfgang P. erst im August 2016 in Sachsen-Anhalt besucht. Am 24. August versuchte die Polizei das Haus des selbsternannten Königs des Staates "Ur" wegen einer Grundschuld zwangsweise zu räumen – Wolfgang P. war vor Ort, er hatte sich mit seinem Freund solidarisiert. Zog er auch Inspiration aus dem Ausflug?
Am 25. August, das SEK sollte die Räumung vollziehen, lieferte sich Ursache eine Schießerei mit den Beamten. Der Besuch in Sachsen-Anhalt, die Aussage des Zeugen – all dies passt gut zu den Vorwürfen des Staatsanwaltes, der den Angeklagten als heimtückischen Mörder schildert, der an jenem 19. Oktober 2016 in seiner Wohnung auf der Lauer lag, in Schutzweste und bewaffnet mit einer Neun-Milimeter-Pistole, um bei der Razzia möglichst viele Polizisten zu töten.
Wie sehr ihn die Aussage belastet und seine Verteidigungsstrategie ins Wanken bringt, ahnt offenbar auch Wolfgang P. – er, der diesen Staat und das Rechtssystem angeblich ablehnt, fordert, dass der Zeuge vereidigt wird. Auf Meineid steht eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr, doch dieser Hinweis des Gerichts schreckt den Zeugen nicht.
Er habe nichts richtig zu stellen, seiner Aussage sei nichts hinzuzufügen. Am Ende bekräftigt sein Eid seine Aussage nur noch mehr. Wolfgang P. will die tödlich endende Razzia dagegen als Unglücksfall verstanden wissen. Seine Verteidiger tragen vor, dass er nur schoss, weil er im Schlaf überrascht wurde, die Polizei habe er nicht erkannt. Der Prozess geht weiter.