Gesichter der Region: Wenn ein Busfahrer Brot backt

9.10.2016, 12:35 Uhr
Multitalent mit nigerianischen Wurzeln und deutschem Pass: Adewale Ayoola Adebayo in der Backstube.

© Eduard Weigert Multitalent mit nigerianischen Wurzeln und deutschem Pass: Adewale Ayoola Adebayo in der Backstube.

Die Bäckerei Walzel in der Pirckheimerstraße überlässt ihre Räume Ayoola Adebayo, wenn gerade kein Betrieb ist. Dort backt der 50-Jährige Agege-Brote. Der Bäckermeister stammt aus Nigeria und hatte eigentlich nie vor, Teig zu kneten. Man merkt es ihm nicht an. "Das ist mein Brot", sagt der 50-Jährige stolz und reicht dem Gast ein duftendes, schweres Weißbrot.

Der Mann aus Lagos wollte nicht Bäcker werden, sondern Technik studieren. Auch Busfahrer stand nicht auf seiner Wunschliste. Trotzdem chauffiert er im Brotberuf einen VAG-Bus durch die Stadt. Er hat eine Biografie, die in Schlangenlinien verläuft. Manchmal sei es auch ein Horrorfilm gewesen, sagt Adebayo.

Dabei war es ein schwarzer Tag, an dem er 1990 am Frankfurter Flughafen strandete. Als der 24-Jährige sein Flugzeug aus Nigeria verlässt, ist er überzeugt, in England zu sein. Ein fataler Irrtum, der ihn im doppelten Wortsinn sprachlos macht.

Der junge Mann hatte Pläne, wollte auf der Insel ein technisches Studium beginnen, für das die ganze Großfamilie in Lagos zusammengelegt hatte. Es kam anders. "Ein Menschenhändler, der alles organisieren wollte, behielt das Geld und die Dokumente", sagt der kleine, drahtige Mann. Wenn das kein Horrorfilm ist. Der Schlepper überließ ihn mit 50 US-Dollar in der Tasche einer ungewissen Zukunft. Plötzlich also Deutschland. " Schicksal" nennt er das.

26 Jahre später: keine Spur mehr von Sprachlosigkeit. Adebayo redet schnell, wenn er schildert, wie er sich mit unverwüstlichem Gottvertrauen durchgebissen hat. Aus dem Asylbewerber wider Willen wird zunächst ein Hilfsarbeiter im Supermarkt. Er heiratet eine Deutsche, bekommt eine Tochter, denn er hat Sehnsucht nach "einer richtigen Familie".

Die Eltern getrennt, als Kind herumgeschubst, geschlagen. Der kleine Adewale, der früh beim Lebensmittelverkauf am Markt mithelfen musste, hatte keine schöne Kindheit, keine "richtige Familie". Seine erste Ehe scheitert, obwohl er mit aller Kraft versucht, "eine Welt aus zwei Kulturen zu schaffen". Nicht immer sei er akzeptiert worden von den Deutschen. Seine Frau studierte, er selbst fuhr nachts um eins mit dem Rad zur Schicht, nun in einer Tennenloher Großbäckerei. Dazu das Baby und oft nur drei, vier Stunden Schlaf, dann wieder Bleche schrubben. Die Sache ging schief.

Süße und scharfe Bananenchips

Der jugendliche 50-Jährige greift in eine Tasche und legt süße und scharfe Bananenchips in Zellophan auf den Tisch. "Probieren Sie mal" — er kann nämlich nicht nur Agege-Brot backen, sondern viel mehr. Langfristig soll daraus ein Geschäft werden. Noch sucht er einen Investor, der ihm hilft, afro-karibische Snacks en gros zu produzieren. Schön wäre eine eigene Bäckerei. Adewale Ayoola Adebayo hat wieder einen Plan.

Vorerst sitzt der Schwarze mit dem deutschen Pass noch im VAG-Bus am Steuer. Den Führerschein hat er in Irland gemacht, wo er jahrelang arbeitete. Die zweite Ehe mit einer Krankenschwester wurde zur Fernbeziehung, nicht nur, weil er in Irland sehr gut verdienen konnte. In Deutschland hat man ihm wohl viele Türen vor der Nase zugeschlagen. Adebayo spricht nicht gerne darüber, er ist ein höflicher Mann. Nur so viel: "Die Leute sehen oft nicht den Menschen hinter der dunklen Haut." Aber auch in Nigeria, wendet er ein, gebe es Rassismus.

Als Sohn Adetayo, heute vier, geboren wurde, kehrte er zurück nach Nürnberg. Doch viele private Busunternehmer hätten keinen dunkelhäutigen Fahrer gewollt. Die VAG gab ihm eine Chance, der Wechsel vom irischen Doppeldecker im Linksverkehr zum deutschen MAN-Bus gelang. Mit seiner zweiten Familie lebt er in Neuhof an der Zenn. 

1 Kommentar