Gewalt an Nürnberger Schulen nimmt immer mehr zu
22.2.2018, 05:31 UhrEs ist 10 Uhr am vergangenen Dienstag, als in der Bismarckschule ein Schüler bemerkt, dass sich ein anderer über seinen Sehfehler lustig macht. Ohne zu überlegen, geht er zu ihm und schlägt zu. "Konflikte zwischen Schülern beanspruchen einen großen Teil unserer Zeit", sagt Schulleiter Peter Weidner. Wenn es zu Gewalt kommt, sei die oft sehr heftig. Für Weidner zählt dazu, wenn noch nachgetreten wird, obwohl das Opfer schon wehrlos am Boden liegt. Oder Massenschlägereien, bei denen die Polizei schlichten muss.
20 Jugendliche aus der Berufsschule rückten mal vor der Mittelschule an, weil sich zwei Jungs um eine Achtklässlerin stritten. Gewalt an Schulen hat eine neue, negative Qualität angenommen. Raub, einfache und gefährliche Körperverletzung: An Nürnbergs Schulen ist die Zahl der Rohheitsdelikte seit 2013 kontinuierlich zurückgegangen, doch 2017 stieg sie laut Polizeisprecher Robert Sandmann plötzlich auf einen neuen Höchststand. 2013 registrierte die Polizei an Schulen in Nürnberg 21 gefährliche und 112 einfache Körperverletzungen.
Ergebnisse bilden bundesdeutschen Durchschnitt gut ab
2016 waren es noch elf schwere Attacken und 67 leichtere Fälle. "2017 lagen die Zahlen über dem Niveau von 2013." Soziologe Dirk Baier kann weitere Zahlen liefern. Der Professor an der Züricher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ließ 2015 über 10.000 Neuntklässler in Niedersachsen befragen. Die Ergebnisse bilden den bundesdeutschen Durchschnitt gut ab, betont Baier. Von 100 Schülern hätten fünf bis sechs eine Waffe in der Schultasche. Jungs prahlten vier- bis fünfmal so oft wie Mädchen mit einem Messer.
Fazit: "Jeder zehnte bis elfte Junge bringt eine Waffe mit." Interessant sei, dass zwar seit Jahren die Gewalt unter Jugendlichen rückläufig sei, "aber gleichzeitig mehr Waffen an den Schulen sind". Es müsse in die Köpfe der Lehrer rein, dass Schüler gefährliche Gegenstände mitbringen, gefährdete Jugendliche darauf vielleicht zurückgreifen und Schlimmes passieren könne. Wobei die tödliche Messerattacke eines 15-Jährigen auf einen Mitschüler im nordrheinwestfälischen Lünen Mitte Januar ein krasser Einzelfall sei. "Lehrer sollten unabhängig von einem konkreten Vorfall mit Schülern besprechen, wie man sich ohne Waffen und Gewalt Respekt und Achtung verschafft", sagt Baier.
Oft würden Messer mitgebracht, um zu provozieren, sich untereinander zu messen und in der Clique den Status zu erhöhen. Nach dem Motto: Schau mal, wie cool ich bin! Stefan Kuen, Leiter des staatlichen Schulamtes, weiß, dass Schüler Waffen dabei haben. "Es gibt schon Grundschüler, die mit einem Messer angeben."
Seine Behörde bekommt pro Jahr im Schnitt zweimal gemeldet, dass an einer Schule ein Jugendlicher eine Waffe dabei hat und einem anderen droht. Damit ist das für Kuen "ein kleines Randthema". Prügeleien, aber auch Cyber-Mobbing, beschäftigten Schulen jedoch enorm. Weniger wegen der Häufigkeit, sondern weil Schüler oft "sehr brutal sind und auch noch auf Wehrlose einschlagen".
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