Gewalt gegen Männer in Partnerschaften: Diese Hilfsangebote gibt es
4.2.2021, 15:41 Uhr
Ein Mittvierziger erzählt: "Meine Frau und ich waren eigentlich ganz glücklich, und dann, zwischen dem ersten und dem zweiten Kind, da waren immer wieder Aussetzer. Immer wieder nächtliche Gewaltaktionen. Aber irgendwie, durch die Verliebtheit, hat man verziehen und immer wieder gedacht, es wird wieder ruhig, sie wird sich wieder fangen, es wird wieder gut werden."
Es gab Fälle, da hat Philipp Schmuck in der Männer-Beratungsstelle Gerichtsbeschlüsse gesichtet und ist mit zur Polizei gegangen, einmal auch zum Familiengericht. Oft hat er die Verzweifelten auch an die Schutzwohnung vermittelt, die in Nürnberg an einem geheimen Ort steht und drei Männern Platz bietet – ein "Männerhaus" gewissermaßen. Mit der Eröffnung dieser Schutzwohnung und mit der Beratungsstelle setzte der Freistaat im Januar vergangenen Jahres ein Zeichen: Männer können gewalttätig sein. Frauen auch. Opfer bekommen Hilfe.
Jedes 5. Opfer ist männlich
In der aktuellen Kriminalitätsstatistik 2019 meldet die Polizei für Mittelfranken knapp 3400 Fälle, die im Bereich "Häusliche Gewalt" zur Anzeige gebracht wurden. Wie in den Vorjahren auch seien 80 Prozent der Opfer weiblich. "Das heißt, dass 20 Prozent männlich sind", sagt Philipp Schmuck. Der Sozialpädagoge leitet die Beratungsstelle für Männer, die von häuslicher Gewalt betroffen sind. "Es sind also keine Einzelfälle. Die Männer fühlen sich aber so."
Häusliche Gewalt: Wo es Hilfe auch für Männer gibt
Der Mittvierziger erzählt: "Sie war wahnsinnig eifersüchtig. Sie hat mich im Handy quasi ständig nachverfolgt. Wenn ich geschäftlich unterwegs war, hat sie Misstrauen gehabt, hat immer gemeint, ich würde fremdgehen. Die hat mir hinterhertelefoniert, ich sollte dann Fotos machen von Dienstreisen, ihr per Smartphone schicken, ob ich wirklich in der Gesellschaft von Freunden bin und ob ich mich nicht mit einer fremden Frau irgendwo getroffen habe. Danach hat sie den Verdacht gehabt, dass ich was gemacht hätte mit einer anderen Frau und dann ist sie meistens sehr, sehr gewalttätig geworden."
"Die Kinder siehst du nie wieder"
Frauen schlagen mit Fäusten zu, aber sie können auch psychische Gewalt anwenden. Dazu gehört etwa, dem Partner Schuldgefühle einzureden oder ihn ständig schlechtzumachen. "Die sagen dann: Mir geht es mies und du bist schuld daran, wenn ich mich umbringe. Oder: Ich nehme die Kinder und du siehst sie nie wieder", weiß Schmuck. Manchmal prügeln auch der erwachsene Sohn oder der Bruder, in einem Fall waren es die Schwiegereltern. Das familiäre Umfeld und die sich daraus ergebende besondere Beziehung machen noch verletzlicher. Oft sind es Jahre oder Jahrzehnte, in denen sich der Mann selbst beschwichtigt: Ist doch alles nicht so schlimm.
Angriff mit dem Gürtel
Der Mittvierziger erzählt: "Sie hat mich wirklich angegriffen, hauptsächlich mit Fäusten oder mit dem Gürtel. Meistens mitten in der Nacht, wenn ich geschlafen habe. Durch meinen Beruf, ich bin fast Nachtarbeiter, gehe ich früh zu Bett und dann hat sie mir nachspioniert, wenn ich geschlafen habe, und dann, wenn sie da was ,entdeckt’ hat, hat sie mich aus dem Schlaf gerissen und auf mich eingeschlagen. Ich habe ihr immer wieder diese Gewalt verziehen und geglaubt, dass der Moment kommt, dass meine Frau wieder zu der tollen Mama meiner Kinder wird. Aber das wurde leider nie mehr."
Der jüngste Mann, der sich an die Beratungsstelle in Gostenhof wandte, war Anfang 20. Viele sind über 60 Jahre alt. Die meisten kamen aus der Region, einer auch aus dem Raum Würzburg. Ein Mann wohnte in der Nähe von Aschaffenburg. Die Beratungsstelle und die Schutzwohnung für Männer sind für Betroffene in Nordbayern gedacht, die Einrichtungen arbeiten zusammen. Für den südbayerischen Raum ist Augsburg zuständig. "Die Nachfrage ist noch höher als erwartet", sagt Petra Zöttlein. Sie ist zuständig für diese Schutzwohnungen namens "Riposo" – italienisch für Ruhe. Träger ist der Caritasverband Nürnberg.
Flucht mit 72 Jahren
Zurzeit leben vier Männer in diesem Wohnprojekt, "Riposo" ist damit voll belegt. Im vergangenen Jahr haben hier 23 Männer angefragt, einige hatten ihre kleinen Kinder dabei. Das älteste Opfer war 72 Jahre alt. Mehreren musste Zöttlein absagen. Wo es keine Schutzwohnungen gibt, verweise er von häuslicher Gewalt betroffene Männer an Obdachlosenunterkünfte, erklärt Matthias Becker, der Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Nürnberg. Eine Flucht mit Kindern ist da unmöglich.
Häusliche Gewalt: Wo es Hilfe auch für Männer gibt
Finanzierung ist gesichert
Der Mittvierziger erzählt: "Dann hatten wir ganz normale Weihnachtsvorbereitungen, ich kam vom Einkauf zurück. Meine Frau hatte behauptet, die dreijährige Tochter, die schwer sprachverzögert war, hätte ihr morgens gesagt, ich hätte mit ihr in der Nacht Sex gehabt. Ich habe gesagt: Das kann nicht wahr sein, du weißt doch selber, die Tochter weiß nicht, was das sein soll. Ja, aber sie hat das so glaubhaft gesagt – "Das hast du gemacht!". Und dann waren die nächsten drei Nächte sehr brutal, massive, schwerste Gewalt, da hat sie mich ganz stark mit dem Ledergürtel geschlagen. Ich bin dann aus dem Haus geflüchtet, im Schlafanzug, und bin zu meiner Mutter zum Schlafen gegangen."
Auch Beratungsstelle und Schutzwohnung haben im vergangenen Corona-Jahr nicht so arbeiten können wie gedacht, persönliche Gespräche wurden erschwert, Veranstaltungen gestrichen. Dennoch ist die Finanzierung beider Einrichtungen für 2021 gesichert. Philipp Schmuck bekommt sogar Verstärkung und möchte einmal monatlich auch in Neumarkt, Bamberg, Ansbach und Würzburg vor Ort beraten.
Corona und häusliche Gewalt: Zuhause mit dem Peiniger
Vor den Augen der Kinder
Der Mittvierziger erzählt: "Am nächsten Morgen wollte ich zurück in die häusliche Wohnung und dann hat sie mir wiederum den Zutritt verwehrt. Vor den Augen des damals Achtjährigen und der damals dreijährigen Tochter hat sie mich geschlagen. Der Sohn hatte damals in der Kirche im Krippenspiel einen Auftritt, und da bin ich zusammengebrochen, und da hat sich der Pfarrer mir gegenüber geöffnet und da habe ich ihm alles erzählt."
"Im Gespräch sage ich den Männern: Ich gehe den Weg gemeinsam mit dir", erklärt Schmuck. "Aber ich kann für dich nicht die Beziehung beenden."
(Das Interview mit dem Betroffenen hat der Journalist Eckhard Rahlenbeck in seinem Beitrag "Weil sie zugeschlagen hat. Weibliche Gewalt in Partnerschaften" für SWR2 Leben geführt.)