Glauben in Gostenhof: Hier wird jeder nach seiner Fasson selig

Hartmut Voigt

Lokalredaktion Nürnberg

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13.11.2018, 18:01 Uhr
Für die religiöse Feier brauchen die Gläubigen in der griechisch-orthodoxen Gemeinde Apostel Paulus etwas Ausdauer — die Gesänge, Lesungen und Gebete dauern drei Stunden.

© Foto: Michael Matejka Für die religiöse Feier brauchen die Gläubigen in der griechisch-orthodoxen Gemeinde Apostel Paulus etwas Ausdauer — die Gesänge, Lesungen und Gebete dauern drei Stunden.

Vor einem Monat gab es in der griechisch-orthodoxen Gemeinde Apostel Paulus hohen Besuch vom Berg Athos, dem spirituellen Zentrum Griechenlands: Eine in der Mönchsrepublik gemalte Ikone wurde in die Gostenhofer Kirche an der Oberen-Kanal-Straße 35 gebracht. Ein Männerchor aus Griechenland sorgte mit feierlichen Gesängen für einen würdigen Empfang des Heiligenbildes mit der Gottesmutter, das ein Nürnberger Gemeindemitglied gestiftet hat.

Im Gegensatz zu den großen christlichen Kirchen in Deutschland lebt die Orthodoxie nicht von der Kirchensteuer, sondern von Spenden. Auch das Gehalt von Pfarrer Sotirios Tsurlis kommt durch die freiwilligen Gaben der Gläubigen zusammen. Der 53-Jährige ist der einzige Hauptamtliche, alles andere machen engagierte Ehrenamtliche. Manche helfen als Mesner, Ministranten und Kantoren, andere sorgen bei Festen für Essen und Trinken oder schenken nach dem Sonntagsgottesdienst Kaffee aus.


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Rund 10.000 Griechen leben in Nürnberg. Auch wenn nur 400 von ihnen zur dreistündigen Messe am Sonntag kommen, so ist die Kirche Apostel Paulus doch ein wichtiger Identifikationsort für die Hellenen. Die Gemeinde hat sich das Gotteshaus in byzantinischer Kreuzform mühsam zusammen gespart, bis der 2,5 Millionen Euro teure Bau 1997 endlich geweiht werden konnte. Pfarrer Sotirios Tsurlis ist in Nürnberg geboren und ging mit elf Jahren mit den Eltern nach Griechenland zurück. Nach dem Theologiestudium kam er 1991 erneut nach Deutschland, seit 2013 ist er Pfarrer in Nürnberg.

Der 53-Jährige beschreibt die Integration seiner Landsleute so: Die erste Gastarbeiter-Generation habe hauptsächlich in der Gastronomie gearbeitet. Heute sind Nürnberger Griechinnen und Griechen als Erzieherinnen und Lehrer, Bankkaufleute und Frisöre, Ingenieure und Ärztinnen tätig. Und ein weiterer Beleg, dass die Griechen in der Stadtgesellschaft verwurzelt sind: "Früher hat man die Verstorbenen nach Griechenland gebracht und dort beerdigt", erzählt Tsurlis, "das ist heute sehr selten. Die meisten beerdigen ihre Angehörigen auf Nürnberger Friedhöfen."

Früher gab es mehr Respekt

Auf die Frage, wie sich die Stadt seit seiner Jugend verändert hat, antwortet der Geistliche: "In meiner Jugend haben die Menschen mehr Respekt vor dem Land gehabt."

Ehe die Griechen ihre (schon wieder zu kleine) Kirche erbauten, waren sie im Betsaal der evangelischen Epiphaniasgemeinde an der Fürther Straße 166/168 untergebracht. Dort treffen sich jetzt die rumänisch-orthodoxen Gläubigen. Mittlerweile ist hier der Bischofssitz für 26 Pfarreien in Deutschland, vier in Österreich, je eine in Luxemburg und Dänemark und sieben in Schweden.

Mit über 28.000 Mitgliedern war die evangelisch-lutherische Gemeinde der Dreieinigkeitskirche einst die größte in Bayern. Das ist lang vorbei. Heute gehören noch 3800 Christen dazu, nur etwa 100 sind aktiv. Trotzdem ist Pfarrerin Gabriele Wedel, die seit neun Jahren hier arbeitet, keineswegs pessimistisch: "Wir haben eine gute Mischung." Neben Senioren, die zum Gemeindeclub kommen, haben wir junge Familien bei den Krabbel- und Kindergottesdiensten."

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© Foto: Weigert

Jüngere, Ältere, Akademiker und Flüchtlinge, Alleinerziehende, Banker, Homosexuelle, Studenten - der bunte Stadtteil spiegelt sich auch im Gotteshaus an der Glockendonstraße wieder. Zu den Angeboten gehört auch die Schuldnerberatung zweimal im Monat - sie wird gut nachgefragt.

Die Theologin weiß, dass Protestanten im Viertel eine kleine Minderheit sind: In der Knauerschule besuchen beispielsweise überhaupt nur 20 Prozent den christlichen Religionsunterricht. Die Mehrheit sind muslimische Mädchen und Buben. Wedel lebt und arbeitet gern in Gostenhof: Im Viertel kennt man sich. Es ist wie im Urlaub, sagt sie, der Stadtteil mit seinen netten Cafés lebt auch abends.

"Every Nation Nürnberg" trifft sich immer sonntags

Die evangelische Freikirche "Every Nation Nürnberg" trifft sich sonntags im Saal des CVJM an der Glockendonstraße 10. Die Gruppe gibt sich auf ihrer Internetseite das Motto "Global denken, lokal handeln: Gott mehr lieben als uns selbst"

Die römisch-katholische Kirche St. Anton steht wie ein mächtiger, riesiger Klotz an der Adam-Klein-Straße. Mit Hilfe einer "Antonius-Lotterie" wurde das Gotteshaus in neuromantischem Stil 1910 errichtet. Im großzügigen Inneren lässt sich unter den hohen Gewölbebögen gut nachdenken, zur Ruhe kommen und durchatmen. Klaus Brunner gehört seit den 1980ern dem Pfarrgemeinderat an, er ist einer von 3550 Gemeindemitgliedern. Am Sonntag feiern etwa 200 Gläubige Gottesdienst, es gibt 20 bis 30 aktive Helfer.

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© Foto: Weigert

Soweit die Zahlen, nun zum Selbstverständnis: "Wir versuchen, eine offene Gemeinde zu sein. Bei uns sollen sich die Menschen willkommen fühlen", erklärt der 67-Jährige. Ein Zeichen dafür ist die persönliche Begrüßung an der Kirchentür vor der Sonntagsmesse. Ein weiteres: Auch die chaldäischen Katholiken aus dem Irak und die eriteisch-orthodoxe Gemeinde feiern hier regelmäßig Gottesdienst — mit ihren Riten, Gesängen und Gebeten.

Seit einem Jahr hat St. Anton keinen eigenen Pfarrer mehr, der Geistliche ist noch für weitere Gemeinden zuständig. Die Ehrenamtlichen sind stärker gefordert. Brunner sieht dies auch als Chance für die Gemeinde.

Welchen Effekt das Engagement letztlich hat? "Das weiß ich auch nicht", sagt der Rentner, "wichtig ist aber, dass man es überhaupt versucht." Er lebt seit Jahrzehnten in Gostenhof und fühlt sich im Stadtteil absolut zuhause: "Hier haben schon meine Eltern gewohnt, hier bin ich verwurzelt."

Auf der Webseite www.nordbayern.de/meingoho wartet noch mehr Material zu Nürnbergs bekanntestem Stadtteil. Hier können Sie Gostenhof interaktiv erleben in Videos, Bildergalerien, einer historischen Zeittafel oder mit einem Quiz.

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