Glücksrezept: "Lieber Dinge weitergeben als horten"
11.4.2018, 08:49 UhrHerr Lindert, wie kamen Sie auf die Idee für dieses Buch?
André Lindert: Ich habe als Student ehrenamtlich im Umsonstladen in Gostenhof ausgeholfen. Die Arbeit hat mir total Spaß gemacht — allein die glänzenden Kinderaugen, wenn der Nachwuchs sich ein Kuscheltier aussuchen durfte . . . Allerdings waren in der Regel immer die gleichen Leute dort, die etwas abgegeben oder mitgenommen haben. Viele Nürnberger, denen ich davon erzählt habe, kannten dieses Projekt gar nicht. Also fing ich an zu recherchieren, ob es noch ähnliche Angebote in der Stadt gibt, denn ich wollte sie bekannter machen. Aber wie? Eine App erschien mir zu unpersönlich. Letztendlich ist so das "LeihBu" im Rahmen meiner Bachelorarbeit entstanden.
Wann war das?
Lindert: Im Jahr 2015, damals noch selbst finanziert mit lediglich 50 Exemplaren. Doch die Nachfrage war da. Jetzt, in der zweiten Auflage, sind 800 Stück gedruckt worden — mit Unterstützung einer Spendenplattform. Jede Stadt hat ihre Sharing-Projekte, aber in den wenigsten Fällen werden sie zusammengetragen und publiziert. Meines Wissens ist solch eine Übersicht in Buchform deutschlandweit einmalig.
Es geht um Share Economy in Nürnberg. Was heißt das genau?
Lindert: Grob gesagt: die Wirtschaft des Teilens. Dabei stehen aber nicht nur Güter im Mittelpunkt, sondern es geht auch darum, Wissen und Fähigkeiten weiterzugeben.
Wie ist es denn diesbezüglich um Nürnberg bestellt?
Lindert: Es gibt hier zahlreiche tolle Projekte und ein breitgefächertes Angebot. Das Problem ist nur: Viele Angebote sind zu unbekannt, deswegen werden sie zu wenig angenommen und weiterentwickelt — genau darauf zielt mein Buch ab. Man kann auf den hinteren Seiten auch Projektideen eintragen und nach Mitstreitern suchen, denn auch das "LeihBu" soll ja weitergegeben werden, viele Menschen erreichen und eben nicht im Bücherregal verstauben.
Von "Kultur umsonst" über klassische Tauschprojekte bis zum Foodsharing: Das Buch umfasst insgesamt sechs Rubriken. Was läuft in Nürnberg am besten?
Lindert: Das umfangreichste Kapitel sind die klassischen Projekte wie eben Büchertauschregale oder der Umsonstladen. Sehr interessant ist aber auch das Kapitel "Werkeln & Gärtnern" mit gemeinsamen Reparatur-Aktionen — etwa in den offenen Fahrradwerkstätten.
Auf dem Buch-Cover sind drei
Hände abgebildet: zwei geben, eine nimmt. Welche Idee steckt dahinter?
Lindert: Es soll verdeutlichen, dass wir im Überfluss leben und alle etwas abgeben können. Hinzu kommt der Gedanke, dass es Spaß macht, Sachen zu verschenken. Das merke ich immer wieder, wenn ich auf der Straße meine Bücher verteile. Auch Nachhaltigkeit und die soziale Komponente spielen natürlich eine Rolle, denn viele Leute können sich bestimmte Sachen einfach nicht leisten. Meine Erfahrung: Sachen weiterzugeben macht glücklicher, als sie zu horten.
In Kurzinterviews stellen Sie die Macher, die hinter den Projekten stehen, vor. Was hat Sie an diesen Personen besonders fasziniert?
Lindert: Dass alle mit solcher Leidenschaft ihr Projekt betreiben und tolle Geschichten von ihren Erfahrungen und Begegnungen mit Menschen erzählen können.
Bei Facebook sind Sie unter "LeihBu Nürnberg" zu finden.
Lindert: Ja, bereits seit 2015. Ich poste Filmbeiträge zum Thema sowie Veranstaltungen und liefere einen Überblick, was in Nürnberg diesbezüglich gerade passiert.
Welches ist Ihr Lieblingsprojekt?
Lindert: Mir gefällt besonders das Repair Café im Fablab auf AEG, weil hier Jung und Alt gemeinsam werkeln. Wissen wird weitergegeben und Toaster, Staubsauger oder Handy wieder auf Vordermann gebracht.
Zu guter Letzt: Wo bekommt man denn nun Ihr Buch?
Lindert: Bald ist ein Exemplar in der Stadtbibliothek zu finden. Ansonsten gibt es immer mal wieder welche in öffentlichen Bücherschränken, im Stadtgarten in Eberhardshof oder in Läden wie Zero Hero, Obere Kanalstraße 11a, in Gostenhof sowie Senfgelb, Albrecht-Dürer-Straße 13, und Lotus Naturkostladen, Unschlittplatz 1, in der Altstadt. Hier ist das "LeihBu" gegen eine freiwillige Spende erhältlich. Wer es genutzt hat, gibt es im besten Fall an Bekannte, Nachbarn, Freunde oder die Familie weiter, um die Idee des Teilens zu verbreiten.
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