Gorilla aus dem Tiergarten Nürnberg wirft mit Hölzchen auf Besucher
22.6.2020, 10:04 UhrEr liegt im Verhalten von Silberrücken Thomas. Der Gorilla reagiert stark auf Fotoapparate und besonders auf lange Teleobjektive. Ist es Angst oder Aggression? Löst der Anblick unangenehme Erinnerungen an das Betäubungsgewehr aus, mit dem Tiergarten-Mitarbeiter Thomas zweimal in Narkose versetzt haben? Lorenzo von Fersen, Verhaltensbiologe im Tiergarten, weiß es nicht.
Auf jeden Fall hat der Silberrücken schon mehrfach mit Holzstückchen nach Zuschauern auf der im Mai eröffneten Plattform geworfen. Nicht häufig zwar, aber immerhin. Offenbar hat er sich auch schon gelegentlich Steinchen zurecht gelegt, berichtet von Fersen. Auslöser war, dass Passanten Thomas fotografieren wollten. Seither ist der Zugang gesperrt, Mensch und Tier haben nun eine größere Distanz zueinander. "Wir wollen schließlich nicht, dass ein Besucher getroffen wird", sagt Tiergarten-Direktor Dag Encke.
Viel Platz zum Verstecken
Stück für Stück soll die Zuschauer-Plattform wieder freigegeben werden, um den männlichen Gorilla allmählich an die Nähe der Menschen zu gewöhnen. Thomas, die weiblichen Gorillas und Jungtier Kato haben hinter frisch gepflanzten Büschen genügend Möglichkeiten, sich zu verstecken. In dem etwa 2000 Quadratmeter großen Freigelände gibt es nach Meinung der Tiergarten-Leitung ausreichend Rückzugsareale.
Geplant ist außerdem, über die Trennscheibe und die Mauer am Außengehege noch ein Netz zum Schutz der Passanten zu spannen. Darüber hinaus will man den muskulösen, starken Menschenaffen durch eine Übung desensibilisieren: Statisten mit Kameras sollen auf mögliche Wurfgeschosse von Thomas nicht reagieren. Sie dürfen nicht schreiend weglaufen, sondern sollen das Verhalten des Gorillas einfach ignorieren. "Wir wollen ihm das Erfolgserlebnis nehmen", erläutert Encke. Damit hofft man, ihm das Werfen auf Menschen abzutrainieren. Er soll lernen: Passanten mit Teleobjektiven stellen keine Gefahr dar.
Schwarz gestrichene Rohre im Käfig
Ob das funktioniert? Schon lange wissen die Tierpfleger, dass Thomas, der vor zwei Jahren aus dem spanischen Valencia gekommen ist, nervös auf Fotoapparate reagiert. Daher ist das Fotografieren (mit Blitz) im Affenhaus verboten. "Wir haben schon viel ausprobiert", berichtet Biologe von Fersen, "wir haben Stative und Teleobjektive im Affenhaus aufgestellt. Sogar schwarz gestrichene Rohre legten wir in den Käfig, um ihn zu signalisieren: ,Da passiert nichts.‘"
Doch sämtliche Bemühungen waren bislang vergeblich, Harems-Chef Thomas blieb weiter nervös. Dieses Verhalten ist erst am Schmausenbuck aufgetreten, bestätigt der Tiergarten-Mitarbeiter: "Seine Pfleger aus Valencia kannten dieses Verhalten nicht."
Nachahmung befürchtet
Eine Studentin beobachtet nun den Silberrücken, um noch genauere Bedingungen für die Stresssituationen herauszufinden. Denn man will unbedingt verhindern, dass das Verhalten des Silberrückens die anderen Artgenossen zur Nachahmung anregt: „Es könnte sich eine Kultur des Werfens entwickeln, das wäre verheerend“, meint von Fersen.
Gorilla-Baby Kato erkundet das neue Außengehege im Tiergarten
Übrigens: Der Verein der Tiergartenfreunde hat die Umgestaltung der Gorilla-Freianlage mit 250.000 Euro ermöglicht. Dazu zählt neben den Bepflanzungen auch das Erneuern der Wassergräben: zwei Meter tief zu den Pavianen, 1,70 Meter tief zur Besucherplattform. Damit will man Ausbrüchen vorbeugen. Ein schmaler, von den Gorillas nie genutzter Geländestreifen wurde als Gehege für Löffelhunde umgebaut.
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