Einsatz für Umweltbildung
Gründerin von "Beach Cleaner": Für das Meer lebt sie ohne Plastik
2.10.2020, 08:46 UhrAuf einer Reise hat alles angefangen. Anne Mäusbacher fliegt mit ihrem Mann und ihrem Sohn nach Ibizia. Ein Urlaub, wie ihn viele Familien unternehmen. Für Anne, Andi und Peer Mäusbacher ist die Insel im Mittelmeer fast ein zweites Zuhause. Vor allem für Anne, die sich immer dann am wohlsten fühlt, wenn sie nah am Wasser ist. "Am liebsten würde ich am Meer wohnen", sagt sie. Vor allem aber will sie es retten.
Strand säubern im Urlaub
Seit dem Urlaub vor fünf Jahren. Gleich am ersten Tag springt sie mit ihrem Sohn ins Wasser. Als die beiden an den Strand zurückschwimmen, kleben Algen an ihren Armen. Denken sie zumindest. "Es waren Streifen von riesigen Plastikplanen." Anne Mäusbacher ist entsetzt, erst recht als ein Mann nur wenige Meter weiter das Plastik einfach wieder ins Wasser wirft. Nicht so Anne Mäusbacher und ihre Familie. Die verbringen den restlichen Tag damit, Müll am Strand zu sammeln. Die anderen Urlauber schauen interessiert, helfen aber nicht.
Zurück im Liegestuhl greift die heute Mittvierzigerin nicht zum Buch, sondern zum Tablet. Und recherchiert. Was sie dort entdeckt, lässt sie nicht schlafen. Sie liest auch spät in der Nacht noch über die Verschmutzung der Meere, über die Plastikinseln in den Ozeanen, "manche so groß wie ganz Europa". Immer wieder stößt sie auf Zahlen, die sie nicht loslassen. Zum Beispiel wie schädlich Plastik für den Körper ist, weil es zum Beispiel eine hormonveränderte Wirkung hat. Und dass es 450 Jahre dauert, bis sich eine PET-Flasche in der Natur zersetzt hat.
Ab diesem Moment ihres ersten Urlaubstags stehen für Anne Mäusbacher zwei Dinge fest: Eine Plastikflasche kommt ihr nicht mehr ins Haus. Und: Sie will, nein, sie muss etwas tun, um die Meere zu retten. Diese Welt unter Wasser, die sie, bis dahin, als Hobbytaucherin so oft bewundert und erlebt hat.
Alle zwei Monate wird gesammelt
Noch in derselben Nacht gründet sie die Beach Cleaner. Mit ihnen räumt sie seitdem nicht nur Strände in Ibiza, sondern auch in und um Nürnberg Grünflächen auf. Alle zwei Monate treffen sich zwischen 40 und 90 Menschen auf Anne Mäusbachers Einladung. Dann ziehen sie mit Säcken und Greifzange am Wöhrder See entlang oder durch das Pegnitztal. Was sie dort finden? "Viel", sagt Mäusbacher, "nach zwei Stunden haben wir mindestens sechs oder sieben Säcke Abfall".
Den werfen die "Beach Cleaner" nicht einfach weg: Stattdessen leeren Anne Mäusbacher, ihr Sohn Peer oder ihre starken Helferinnen Kathi Liedtke-Liss und Silvia Häberlein vor allen den Müll aus und erklären, wo überall Plastik drin steckt. In Zigarettenkippen zum Beispiel, "die finden wir am häufigsten". Und in denen steckt ein Plastik-Filter. Auf Platz zwei der Müllfunde: Plastikflaschen. Die landen zuerst am Ufer, dann aber irgendwann im See oder Fluss - und so im Ozean. "80 Prozent des Abfalls im Meer kommt aus den Städten und Flüssen", sagt Anne Mäusbacher.
Hier finden sie alle Ehrenwert-Preisträger.
Sie kennt sich aus. Seit fünf Jahren beschäftigt sie sich mit dem Thema, anfangs bis spät in die Nacht, nachdem sie von ihrem Job in der Marketingabteilung eines Großkonzerns nach Hause kommt. 2015 nimmt Mäusbacher an einem internationalen Programm teil, in dem es um die Verschmutzung der Meere geht. Täglich paukt sie über ein halbes Jahr für ihren Online-Lehrgang - um danach all ihr Wissen in ein Buch zu packen. "Kids for the Ocean" heißt es und richtet sich an Lehrer und Lehrerinnen, die mit dem Buch ihre Schulklassen für das Abfall-Problem in den Ozeanen sensibilisieren sollen. "Das ist meine Doktorarbeit", grinst Anne Mäusbacher.
Die Küche ist längst plastikfrei!
Inzwischen hat sie ihre Arbeitszeit bei ihrem Arbeitgeber, wo sie nun für Nachhaltigkeit zuständig ist, um einen Tag reduziert. Sie will noch mehr Zeit haben für den Ozean und für ihren Kampf dem Verpackungsmüll. Den hat sie auch in ihrem eigenen Haus begonnen. Heute lebt sie plastikfrei. So weit das geht. In ihrer Küche im Nürnberger Norden reihen sich Glasflaschen mit Nudeln und anderen Zutaten. Joghurt-Becher, Wurstverpackungen oder Frischhaltefolie sucht man vergeblich. Wie Müll. "Da haben wir fast keinen mehr." Getrunken wird nur noch aus der Leitung oder Glasflaschen.
Also eigentlich wie früher, erinnert sich die Mittvierzigerin. "In meiner Kindheit haben wir auch nur Glasflaschen gehabt - und in der Schule haben wir Müll gesammelt." In den 90ern kommt der Plastik-Boom "und nimmt 2000 noch einmal richtig Fahrt auf". Im Unterricht ist für Müllsammeln aber keine Zeit mehr. Anne Mäusbacher will das ändern, ihr Buch ist der erste Schritt.
Längst ist sie viele Schritte weiter. Mäusbacher hält vor Klassen oder Verbänden Vorträge, unterstützt den Unverpacktladen, will mit Gleichgesinnten Nürnberg zur "Zero Waste City" machen - und lebt das alles vor. "Meine Freunde sagen oft, dass sie beim Einkaufen an mich denken." Für Anne Mäusbacher ein riesiges Kompliment, mindestens so sehr wie der Umweltpreis der Stadt, den sie schon erhalten hat. Jedem erzählt sie, wie viel sie daheim selber herstellt. Zahnpasta zum Beispiel, "und zwar aus Backpulver, Kokosöl und Pfefferminzöl".
"Heute sehe ich den Müll überall"
Silvia Häberlein hat sie schon lange angesteckt: "Anne ist eine Inspiration. Es ist toll zu sehen, was alles plastik- und verpackungsfrei geht." Putz- und Waschmittel macht Häberlein inzwischen selbst, "das ist praktisch und spart Geld". Mäusbacher hat schon vorher nachhaltig gelebt. "Früher habe ich aber auch gedacht, unsere Parks wären schon relativ sauber." Heute sieht sie den Müll, der überall liegt. Und hebt ihn auf, bevor er seinen Weg ins Meer nimmt.
Noch mehr aber geht es den "Beach Cleanern" darum, dass der Müll gar nicht entsteht. Da kann jeder bei sich anfangen - ohne die ganze Küche auf den Kopf zu stellen, wofür auch Mäusbacher ein Jahr gebraucht hat. Wer sofort helfen will, "sollte immer eine Wasserflasche dabei haben - und vielleicht sogar eine eigene Brotbox". Und sie oder er muss den Mut haben, zu fragen. "Neulich hat eine Frau zum Zahnarzt den eigenen Becher mit gebracht - das fand ich klasse." Der nächste Schritt: Informieren, was man alles selber machen kann. Tipps gibt Anne Mäusbacher auf ihrer Seite www.beachcleaner.de. Weil egal wie viel jeder tut: Es geht noch mehr. Fürs Meer.
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