Gyros, Souvlaki und heiße Diskussionen

04.10.2011, 18:11 Uhr
Gyros, Souvlaki und heiße Diskussionen

© Reinhard Kemmether

Und dies, obwohl mit der „Goldenen Linde“ durchaus ein geeigneter Vorreiter zur Verfügung stand. Die „Linde“ in der Lindengasse 22 gilt allgemein als „erster Grieche“ in Nürnberg, auch wenn ihr Richtungswechsel nicht ganz geklärt werden konnte. Möglicherweise wäre ihr Umschwenken ohnehin nicht exakt datierbar, da die Übergänge von deutsch-fränkischer zu griechischer Küche in vielen Gaststätten fließend waren und sind. Unzweifelhaft ist die Wirtschaft am Johannisfriedhof bereits 1968 in griechische Hände gegangen.

Probleme mit dem Ausländerrecht

Anders als die Italiener stellte das deutsche Ausländerrecht griechische Wirte zunächst vor eine prekäre Situation. Als Nicht-EWG-Bürger lag bei ihnen die Eröffnung von Gaststätten – wie es der Gesetzgeber formulierte – „nicht im öffentlichen Interesse“. Ganz deutlich spiegelte sich der Unterschied in einer Erhebung aus dem Jahr 1973, als offiziell 83 italienische nur 29 griechischen Lokalen gegenüberstanden. Statistisch außen vor blieben Kneipen, die ganz unverfänglich etwa „Grüner Baum“ hießen, sogar einen deutschen (Schein-)Pächter hatten, in denen aber fast nur griechisch gesprochen wurde. Diese Ghettosituation löste sich nur langsam auf.

Um 1980 herum war es ein besonderes Verdienst der Griechen, verfallene deutsche Kneipen gerade in den altstadtfernen Stadtteilen wieder auf Vordermann zu bringen und zu einem angenehmen Treffpunkt für die Nachbarschaft zu machen.

Als Beispiel sei die Geschichte der „Taverna Meteora“ erzählt. 1978 konnte sich Dimitrios Mpilialis (geboren 1947) dank eines bei der Konzessionserteilung behilflichen Rechtsanwalts seinen Traum von einem eigenen Speiselokal erfüllen. Bis dahin hatte der frühere Gastarbeiter bei einem griechischen Freund in der „Erholung“ und im „Goldenen Faß“ gekellnert.

Beides waren Bierkneipen. In der Friedrichstraße 53 stieß er auf eine geschlossene Kaschemme und entschied sich zum aufwändigen Umbau. Man startete mit griechischer und deutscher Küche. Ehefrau Theodora kochte, eine Deutsche brachte ihr die einheimischen Gerichte bei. Die Familie Mpilialis bringt es dieses Jahr auf respektable 33 Dienstjahre, auch die Kinder sind trotz Universitätsstudium dem Lokal treu geblieben – genau wie der Wirt seinem „Club“, für den er seit 30 Jahren eine Dauerkarte besitzt.

Neben gutbürgerlichen Speisegaststätten spiel(t)en die Hellenen seit ihrem Auftreten auch in der alternativen Kneipenlandschaft mit. Das hiesige Paradebeispiel befindet sich gewiss nicht zufällig im Stadtteil Gostenhof. 1980 ging die „Planungskneipe“ (hier war die Sanierung Gostenhofs geplant worden), an den Griechischen Kulturverein unter der Führung von Kostas Charissis über, der sie seit 1983 privat führt. Nürnbergs erste Alternativkneipe war geboren; K-Gruppen, Autonome, Grüne, Friedensbewegte – mehr oder weniger linke Gruppierungen aller Art trafen und treffen sich heute noch im Eckhaus Kernstraße 29.

Die in unterschiedlichen Variationen, aber letztlich ziemlich gleichförmig angebotenen Grillspeisen wie Souvlaki, Gyros und Calamari waren den Urlaubern bekannt und ansonsten schnell erschmeckt. Die zentralen Ansprüche eines fränkischen Durchschnitts-Auswärtsessers wurden in jedem Fall erfüllt: Große Portionen zu kleinen Preisen. Am besten gleich alles miteinander – so entstanden die extra für deutsche Esser arrangierten Rhodos-, Dorf- und sonstigen üppig bestückten Platten.

Zu einseitig darf das Bild der griechischen Küche freilich nicht gezeichnet werden. Anfang 1979 titelte die Abendzeitung: „Griechische Haute Cuisine in Nürnberg! Das gab es bisher noch nicht in dieser Stadt.“ Der Jubel galt dem vormaligen „Mykonos“-Wirt Nicolaos Rigopoulos, der in seinem „O Morias“ mit Teppichboden und schweren Holztischen eine gediegene Atmosphäre geschaffen hatte für den „unverfälschten Geschmack der griechischen Küche“. Das Restaurant in der Bergstraße 1 schloss 2005; als Aushängeschild der gehobenen Griechen verblieb Evangelos Giannikis‘ „Delphi“, ein ebenfalls bis 1979 zurückreichendes Traditionshaus in der Inneren Laufer Gasse.

Der große Griechen-Boom verebbte bereits Mitte der 80er Jahre. Der Trend ging weg von Fett und Kalorien zu leichterer und eleganterer Kost. Das „Eleon“ in der malerischen Kleinweidenmühle hat die germanisch-hellenische Souvlaki-Küche sogar gänzlich verbannt. Der aus einer Gastronomenfamilie stammende Apostolos Kassiteropoulos tischt „authentische griechische Esskultur“ auf, wo der Gast aus vielen kleinen Gerichten sein Mahl selbst zusammenstellt. Der dreißigjährige Inhaber ist Koch-Autodidakt – zumindest darin unterscheidet er sich nicht vom Heer seiner griechischen Kollegen, kaum einer unter ihnen kann eine gastronomische Ausbildung vorweisen.

Die vollständige Version dieses Beitrags erscheint am 20. Oktober im Katalog zur gleichnamigen Ausstellung: „Dageblieben! Zuwanderung nach Nürnberg gestern und heute“, hrsg. von Michael Diefenbacher und Steven M. Zahlaus.
 

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