Halbes Jahrhundert zwischen Bach und Beatles
1.3.2016, 21:08 UhrMit dem „Hexentanz“ ist die Urfassung von Modest Mussorgskys „Eine Nacht auf dem kahlen Berge“ gemeint: Sie eröffnet einen illustren Abend, bei dem Gordian Teupke auch noch Schuberts „Stabat mater“, Leonard Bernsteins „Chichester Psalms“ und Luis Enriquez Bacalovs feurige „Misa Tango“ auf die Pulte legen lässt. Mit dabei sind die Stammpartner von den Symphonikern, der Junge Chor der Musikschule, Akkordeonist Stefan Hippe und vier Solisten.
Am Anfang der 50-jährigen Erfolgsgeschichte steht kurioserweise ein anderer Konzertchor vor Ort: Der Lehrergesangverein (LGV). Der wurde seit 1956 vom legendären Max Loy (1913-1977) geleitet, seines Zeichens Musikdirektor am Opernhaus, fanatischer Club-Fan, Verdi-Spezialist und engagierter Kämpfer für die neue Musik. Nachdem 1963 die Meistersingerhalle eröffnet worden war, forderte Loy, der künstlerische Leiter, ambitioniertere Konzert-Projekte. Doch der LGV-Vorstand wünschte sich eher populäre Programme, weil er die Chorkasse nicht überstrapazieren wollte.
„Dritter Großchor“
Die Streitereien über Loys allzu häufige Abwesenheiten wegen seiner Opernverpflichtungen eskalierten im Frühjahr 1965 mit der Kündigung des Chorleiters – freiwillig wollte sich Loy nämlich keineswegs zurückziehen. Er kündigte in der Presse an, neben dem LGV und dem Hans Sachs-Chor nun einen „dritten Großchor“ gründen zu wollen.
Tatsächlich folgten rund fünfzig LGV-Sängerinnen und -Sänger ihrem gefeuerten Dirigenten und hoben am 6. Juni 1966 den Philharmonischen Chor aus der Taufe. Der gab im Oktober 1967 mit DvoÝáks „Requiem“ eine erste musikalische Kostprobe ab und sorgte im nächsten Jahr wieder für Schlagzeilen. In den Nürnberger Zeitungen war von einem „Sängerkrieg“ die Rede. Was war passiert?
Am 10. November 1968 wollte der LGV sein 90-jähriges Bestehen mit einem Verdi-„Requiem“ begehen. Durchaus absichtsvoll setzte Max Loy seinerseits ein Verdi-„Requiem“ genau eine Woche früher in der Meistersingerhalle an, um damit dem Lehrergesangverein zu schaden. Im gleichen Jahr war der Philharmonische Chor übrigens mit der Gesangsabteilung des Industrie- und Kulturvereins (IKV) fusioniert — eine Ehe, die bis heute anhält.
Aber das ist mittlerweile alles Schnee von gestern. Nach Loys plötzlichem Tod 1977 ging die Stabführung kurzzeitig an den ehemaligen Symphoniker-Chefdirigenten Günther Neidlinger, bevor dann mit Gerhard Rilling für die nächsten 35 Jahre ein außerordentliches dirigentisches Kontinuum erreicht werden konnte. Rilling verwirklichte alle wichtigen chorsinfonischen Werke bis hin zu Benjamin Brittens hoch anspruchsvollem „War Requiem“, war aber auch für Erstaufführungen offen wie etwa Paul McCartneys „Ecce cor meum“.
Proben in Schweinau
Seit 2014 studiert nun Kapellmeister Gordian Teupke die Chorschar ein. Die hat seit Beginn des Jahres ein neues Quartier für die montäglichen Proben: Weil die Dreieinigkeitsgemeinde in Gostenhof die Miete für ihren Saal um über 100 Prozent erhöhen wollte, nahm der Philharmonische Chor das Angebot der Freien evangelischen Gemeinde an, in deren Schweinauer Räumen (Holbeinstraße 21) zu üben. Zwar besteht bei den Frauenstimmen ein gewisser Aufnahmestopp, aber singende Herren, vor allem Tenöre, sind immer hochwillkommen.
Geplant sind in diesem Jahr unter anderem ein Verdi-„Requiem“ in Erlangen (13. Juli), Rossinis „Petite Messe Solennelle“ in der Basilika von Assisi (9. August) und natürlich das 2. Festkonzert mit einem eminent groß besetzten Stück: Der „Grande Messe des Morts“ von Hector Berlioz am 30. Oktober in der Meistersingerhalle. „Und wenn alles klappt, führen wir im Dezember das ,Weihnachtsoratorium’ mit dem Tölzer Knabenchor in der Meistersingerhalle auf“, kündigt Rainer Ostermeyer, seit elf Jahren Vorsitzender des Chores, an.
Karten für das Festkonzert sind mit ZAC-Rabatt im NN-Ticket-Corner in der Mauthalle am Hallplatz (Tel. 09 11 / 2 16 27 77) erhältlich.
Weitere Informationen: www.philharmonischer-chor-nuernberg.de
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