Heftige Kritik an Umbauplänen für Nürnberger Lorenzkirche
22.1.2021, 05:58 UhrVor kurzem stellten Kirchengemeinde und Evangelische Landeskirche das Vorhaben vor: Das Gotteshaus soll sich stärker für Passanten öffnen. Die Gäste sollen künftig durch das Hauptportal und nicht mehr durch den Seiteneingang ins Innere gelangen. Dies könnte im Rahmen weiterer, auf sechs Millionen Euro veranschlagter Baumaßnahmen geschehen.
"Wir wollen aufräumen"
Ziel ist, dass der Sakralraum insgesamt besser zur Wirkung kommt: "Wir wollen aufräumen, jetzt steht drinnen noch zu viel herum, wie zum Beispiel die Podeste", sagt Lorenzer Pfarrerin Claudia Voigt-Grabenstein, "es soll einheitlich wirken, als Gesamtes und nicht zerstückelt." Sie hofft, dass dann auch eine Seitenkapelle, die derzeit als Lagerraum genützt wird, wieder zugänglich ist.
Möglich machen soll dies ein U-förmiges, dreistöckiges Bauwerk, das in den Westteil der Kirche eingepasst wird: 24 Meter lang, bis zu elf Meter breit und elf Meter hoch. Es muss komplett reversibel sein, das heißt: Man muss es wieder vollständig ausbauen können, ohne die historische Substanz zu beschädigen. "Es ist ein selbst tragendes Möbel", beschreibt Christian Brückner vom Würzburger Architektenbüro Brückner & Brückner, das mit der Baumaßnahme beauftragt ist. Er möchte keine modernen Materialien verwenden, die sehr große Konstruktion soll sich vielmehr "atmosphärisch in die mittelalterliche Kirche einfügen."
"Respektlos und ehrfurchtslos"
Genau das bezweifelt Stadtheimatpflegerin Maué, die dieses Ehrenamt seit 2010 innehat: "Durch diesen extremen Eingriff wird der Raumeindruck zerstört, die Kirche ist dadurch amputiert. Ein Drittel des Innenraums ist betroffen. Ich bin glühend dagegen." Sie empfindet es als "respektlos und ehrfurchtslos" gegenüber dem bedeutenden, historischen Gebäude. "Es gibt Baudenkmäler, die unantastbar sind. Die weit über Deutschland hinaus bekannte Lorenzkirche gehört dazu", betont sie.
Aufzug soll eingebaut werden
Die Kunsthistorikerin kann auch nicht verstehen, dass man für profane Nutzungen wie Lagerraum, Aufenthaltsbereich für Kirchenführer, Mesnerstube, Shop und anderes mehr so viel Geld ausgibt. Es sei unpraktisch, Stühle nach Konzerten mit einem - ebenfalls neu zu installierenden - Aufzug in die obere Etage des geplanten Einbaus zu hieven, um sie zu verstauen. Sie selbst habe nach Konzerten Sitzgelegenheiten mit einer Sackkarre zu den jetzigen, ebenerdig gelegenen Lagerräumen an den Seitenschiffen gebracht. Das sei deutlich einfacher.
Pfarrerin Voigt-Grabenstein hält dagegen den vorhandenen Stauraum nicht für ausreichend. Auch müsse man den Ehrenamtlichen, die die Besucher begrüßen und über die Geschichte von St. Lorenz sowie über die Kunstwerke informieren, einen Platz bieten, wo sie ihre Tasche abstellen und sich zwischendurch aufwärmen können.
Elf Meter hohe Raumteiler
Kritik kommt auch von Architekt und Denkmalpfleger Marco Popp, der seit 20 Jahren dem "Verein zur Erhaltung der Lorenzkirche" angehört. Er zeigt sich irritiert, dass die seit 2018 laufenden Planungen bisher nicht in der Öffentlichkeit diskutiert wurden. Dass die geplanten, elf Meter hohen Raumteiler berührungsfrei zwischen die Arkaden gestellt und auf einem flachen Fundament gegründet werden sollen, hält er für nicht machbar: "Die Schwelle zu Naivität und Realitätsferne hat weit überschritten, wer tatsächlich glaubt, dass dies machbar sein wird", meint Popp.
Den ursprünglich angedachten Durchbruch durch die anderthalb Meter dicke Mauer des Nordturms, um einen Fluchtweg aus dem geplanten Bauwerk zu schaffen, bezeichnet er gar als "Frevel". Doch von dieser Variante sind die Planer wieder abgerückt und favorisieren eine andere Lösung. Das deutliche "Nein" des Landesdenkmalschutzes in diesem Punkt hat zu einem Umdenken geführt.
Projekt ist in der Planungsphase
Die Reversibilität aller Eingriffe sei "unbedingte Voraussetzung", dass die Planung überhaupt diskussionsfähig ist, teilt das Landesamt für Denkmalpflege mit. Die Behörde sieht etliche ungeklärte Fragen - genauso wie die Nürnberger Untere Denkmalschutzbehörde: "Es fehlen noch viele, viele Unterlagen, um überhaupt etwas prüfen zu können", meint der hiesige Sachgebietsleiter Nikolaus Bencker. Unter anderem will er wissen, wie sich das Raumklima verändern könnte. Hierzu erarbeiten Bauphysiker ein Gutachten.
Derzeit befindet sich das Vorhaben in der Planungsphase, eine Baugenehmigung gibt es daher noch nicht. Allerdings finden Vorarbeiten wie archäologische Sondierungen des Untergrunds bereits statt. "Wir sind in ständiger Abstimmung mit dem Denkmalschutz, das ist ein wichtiger Austausch", betont Architekt Christian Brückner, "es gibt ein paar Hausaufgaben, die wir zu erledigen haben."
Einladendes Signal an Passanten
Den Vorwurf der "Respektlosigkeit" gegenüber dem mittelalterlichen Kirchenraum nehme er sehr ernst. Doch es gehe um die Notwendigkeit der Veränderung, um eine Öffnung von St. Lorenz für die Menschen in der heutigen Zeit. Pfarrerin Voigt-Grabenstein sieht im Eintritt der Besucher durch das Hauptportal ein einladendes Signal an die Passanten.
Pro Jahr kommen etwa 750.000 Gäste, um hier Kunstwerke wie den "Englischen Gruß" anzuschauen oder einen Moment der Stille, des Ausruhens zu erleben. Das ist übrigens auch derzeit möglich. Denn entgegen der ursprünglichen Ankündigung, St. Lorenz wegen anderer Bauarbeiten (Sanierung des Langhauses) bis Ende März zu schließen, ist die Kirche noch offen.
Gewaltige Verantwortung
Bis zum Evangelischen Kirchentag 2023 soll St. Lorenz seine Gäste in neuer Optik begrüßen. Doch die Pfarrerin macht klar: "Wenn die Baumaßnahme bis dahin nicht fertig ist, dann eben nicht. Wir setzen uns nicht unter Druck. Es muss alles gut geprüft werden, schließlich haben wir die Verantwortung für die Kirche."
Und die ist gewaltig: Denn ob der Eindruck des mittelalterlichen Sakralraums durch das Vorhaben beeinträchtigt wird, lasse sich derzeit nicht sagen, weil detaillierte Pläne noch nicht vorliegen, meint Denkmalschützer Bencker: "Theoretisch könnte es vielleicht akzeptabel werden (...), es kann aber auch völlig 'in die Hose gehen' und hinterher fürchterlich aussehen".
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