Unwetter trafen auch Region
Hochwasser in Nürnberg: Wenn sich unscheinbare Bäche in reißende Ströme verwandeln
17.7.2021, 06:00 UhrWäre Nürnberg ausreichend gegen Fluten geschützt, wie sie jetzt ganze Landstriche in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen überschwemmt haben? In den Behörden der Stadt wie auch im staatlichen Wasserwirtschaftsamt Nürnberg werden aufgrund der Ereignisse im Westen der Republik diese Szenarien durchgespielt. In allen Berechnungen und Maßnahmen gegen ein mögliches extremes Hochwasser geht es darum, Zeit zu gewinnen. Zeit, um im Ernstfall das Nötigste zusammenpacken und vielleicht auch noch den Keller ausräumen zu können, um Menschen aus den Gefahrenzonen zu bringen, Pflegeheime, Krankenhäuser und Kindertagesstätten zu evakuieren. "Nürnberg ist da gut aufgestellt", sagt Ulrich Fitzthum, Leiter des Wasserwirtschaftsamtes in Nürnberg.
Ein Schaden in Höhe von zehn Millionen Euro
Auch wenn es solche Dimensionen wie jetzt an der Ahr in der Eifel in Nürnberg noch nicht gab, hat es in Nürnberg und der Region auch in jüngerer Vergangenheit teils enorme Hochwässer gegeben. Man spricht von plötzlichen "Starkregen-Ereignissen", die auch kleine Bäche in reißende Ströme verwandeln können. Anfang Juni 2013 etwa, als kleinere Bäche und Gräben deutlich über die Ufer traten wie die Gründlach und der Fischbach. Letzterer drohte das Martin-Behaim-Gymnasium unter Wasser zu setzen. Feuerwehr und Technisches Hilfswerk verhinderten das, indem sie Sandsäcke auftürmten. Unvergessen ist auch die Flut nach einem Starkregen vom Juli 2007, die sich über ein großes Gebiet zwischen Erlangen und Forchheim wälzte. Heftig getroffen wurde damals Baiersdorf. Bis zu 1000 Häuser des 7000-Einwohner-Städtchens sind von der bis zu eineinhalb Meter hohen Flutwelle erwischt worden, Straßen und Brücken wurden unterspült, zwei Gasleitungen schlugen leck, Heizöltanks liefen aus. Von geschätzten zehn Millionen Euro Schaden war die Rede.
Tief in die Stadtgeschichte Nürnbergs hat sich auch die Hochwasserkatastrophe von 1909 eingeschrieben. Ein sogenanntes Jahrtausendhochwasser, das die komplette Altstadt überschwemmte. 420 Kubikmeter Wasser pro Sekunde brachte die Pegnitz damals mit, in normalen Zeiten sind es etwa elf Kubikmeter. "Heute würde eine Flut wie 1909 deutlich weniger schlimme Spuren hinterlassen, sie würde sich mit Ach und Krach durch die Stadt wälzen", sagt Fitzthum. Dass das Überschwemmungsrisiko durch die Pegnitz heute deutlich geringer ist, liegt nicht zuletzt an den Schutzmaßnahmen gegen Hochwasser, die nach dem Zweiten Weltkrieg in der Altstadt gebaut wurden - etwa der 140 Meter lange, zehn Meter breite und vier Meter hohe Hochwasserstollen zwischen Museumsbrücke und Trödelmarktinsel.
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Stollen kann große Wassermengen aufnehmen
Der Stollen kann hier an der engsten Stelle der Pegnitz in der Altstadt große Wassermengen aufnehmen. Aber auch der Wöhrder See kann einige Wassermassen zurückhalten und die Altstadt zumindest eine Zeit lang schützen - im Falle eines extremen Hochwassers wären hier nach Berechnungen mindestens 1040 Menschen direkt betroffen. Über die Talsperre am Wöhrder Talübergang vor der Altstadt wird das Wasser aus dem See kontrolliert in die Pegnitz eingeleitet.
Doch auch daraus macht Fitzthum keinen Hehl: Mit dem neuen Wetterphänomen "Sturzfluten" und damit plötzlich ansteigenden Pegelständen sind trotz der Schutzmaßnahmen Risiken auch für Nürnberg nicht auszuschließen. Mit Blick auf die Katastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen sagt er: "So etwas haben wir alle noch nicht erlebt." Wenn mehr Wasser kommt, muss klar sein, was seitens der Kommune zu tun ist. Dann greift der Hochwasserplan, in dem etwa festgelegt ist, welche Straßen und Wege gesperrt und welche Gebiete entlang der Gewässer evakuiert werden müssen.
Rückhaltebecken für Hochwasser gebaut
Entscheidend, so Fitzthum, seien die Frühwarnsysteme. Nach Berechnungen können die Wasserwirtschaftsämter heute sehr genau angeben, welche Gebiete in Bayern bei extremen Niederschlägen und enormen Hochwässern überflutet werden. Auf der Internetseite des Landesamtes für Umwelt (LfU) lässt sich das exakt nachvollziehen. Hier findet man auch Risikokarten, auf denen die gefährdeten Bereiche eingetragen sind, wo Wohnsiedlungen, Gewerbebetriebe und Firmen liegen, die mit gefährlichen Stoffen arbeiten.
Diese Kenntnisse nutzten die Städte, Gemeinden und Landratsämter. In Nürnberg etwa dürfen bestimmte Flächen entlang des Wetzendorfer Landgrabens nicht bebaut werden, weil sie im Hochwassergebiet liegen. An diesen neuralgischen Punkten ist auch der Einbau von Ölanlagen verboten, erklärt Ronald Höfler, kaufmännischer Werkleiter beim Servicebetrieb Öffentlicher Raum (Sör). Risiko-Gebiete in Nürnberg sind unter anderem die Stadtteile Altenfurt durch den Katzengraben und den Langwasserbach sowie der Ortsteil Gerasmühle im Südwesten Nürnbergs durch die Rednitz. "In Altenfurt hat die Stadt zwei neue Hochwasserrückhaltebecken für 4,5 Millionen Euro gebaut, 2022 bauen wir auch eines in Gerasmühle für 2,5 Millionen Euro."
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