Honorare für Nürnberger Notärzte um die Hälfte gekürzt
11.01.2015, 05:59 UhrZwei Wochen vor dem Jahreswechsel kam die Nachricht ins Haus. Ab 1. Januar bekommen Notärzte statt 91 Euro am Tag, beziehungsweise 111,50 Euro in der Nacht, pauschal nur noch 45 Euro für jeden Einsatz, egal zu welcher Uhrzeit. Ihr Honorar wurde um mehr als die Hälfte gekürzt.
Ein Menschenleben sei den Krankenkassen gerade einmal 45 Euro wert: So spitzt es Dr. Jürgen Hahn, Facharzt für Anästhesie, Intensiv- und Notfallmedizin, zu. Dabei sei der Notarztdienst in Nürnberg kein Zuckerschlecken, manchmal sogar ein Knochenjob.Hahn hatte am Neujahrstag selbst Dienst, ausnahmsweise eine 24-Stunden-Schicht, wie er sagt, weil wenige Kollegen bereit gewesen seien zu arbeiten.
In den 24 Stunden hatte er 16 Einsätze. Einem 75-jährigen Patienten, der einen Hinterwandinfarkt und später Kammerflimmern hatte, hat er das Leben gerettet. Für diesen Einsatz bekomme er jetzt rund 51 Prozent weniger Geld als im vergangenen Jahr, hat Hahn ausgerechnet.
„Das ist eine Katastrophe“, stimmen etliche Mediziner zu. Sie fühlen sich unter Wert verkauft und halten das neue Honorarsystem für ungerecht und unausgegoren. Leistung werde nicht mehr angemessen bezahlt, klagen sie.
Vergütung variiert
Die Vergütung für Notärzte variiert von Standort zu Standort, von Gemeinde zu Gemeinde. Sie ist abhängig von der Zahl der dort geleisteten Einsätze. Sie setzt sich im Großen und Ganzen aus Bereitschaftspauschalen und einer festen Summe für jeden Einsatz zusammen.
Im Gegenzug zu der halbierten Einsatzpauschale wurde zwar die Vergütung für die bloße Bereitschaft angehoben: von vier Euro pro Stunde auf 13 Euro (tagsüber) und acht auf 16 Euro (nachts). Doch das reiße es unterm Strich nicht heraus, finden etliche Notfallmediziner. Denn gleichzeitig seien Zeitzuschläge weitestgehend gestrichen worden. Es werde auch nicht mehr unterschieden, ob für den Einsatz die Sprechstunde in der Praxis unterbrochen werden muss oder nicht.
Die Ärzte sind deshalb sauer auf die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB), die mit den Krankenkassen die Honorare verhandelt hat. Diese verteidigt die neue Vergütung damit, dass dadurch ländliche Standorte mit wenigen Einsätzen mehr Geld bekämen. Denn diese erhalten seit dem Jahreswechsel mehr Honorar für die reine Bereitschaftszeit. „Bayernweit gewinnen etwa 75 bis 80 Prozent der Standorte. Das zu verteilende Honorar wird nun gerechter verteilt“, sagt KVB-Sprecher Martin Eulitz auf Anfrage.
Die Kleinen profitieren, große Standorte wie Nürnberg oder Augsburg „müssen allerdings bluten“, wie ein Notarzt sagt. Der langjährige Notfallmediziner Dr. Heinz Giering hält die neue Regelung „für einen weiteren Baustein, um den Notarztdienst unattraktiver zu machen. Die Kürzung ist ein Hammerschlag für das ganze System. Die Gängelungen nehmen insgesamt zu“, kritisiert er. Er und andere befürchten, dass es gewollt sei, dass Notfallsanitäter, ein neues Berufsbild, die Notärzte irgendwann ablösen werden. Diesem Szenario widerspricht die KVB jedoch vehement.
Verglichen mit anderen Berufsgruppen scheinen die Notärzte allerdings immer noch auf Rosen gebettet zu sein, doch Giering und etliche Kollegen relativieren das schnell: Von den Einnahmen gingen schließlich Steuer, Berufshaftpflichtversicherung, Kosten für Fortbildungen, der Beitrag zur Krankenkasse und zur Berufsgenossenschaft ab. Auch seine Einsatzkleidung müsse er sich selbst kaufen.„Wir sind extrem frustriert“, ergänzt Dr. Oliver Weintz, Facharzt für Anästhesiologie, der seit Jahren im Notarztdienst arbeitet. Er sei Überzeugungstäter, deshalb werde er auch weiterhin Einsätze fahren. „Aber ich werde es drastisch einschränken.
Miese Stimmung
“Dass die „Stimmung mies ist“, bestätigt auch Dr. Claus Heuschmid, Regionalvertreter für die Notärzte in Mittelfranken. Seit 2006 habe es keine Honorarsteigerungen mehr für Notärzte gegeben. „Das finde ich unbefriedigend.“ Er weist jedoch darauf hin, dass eine Verlustbegrenzung von 15 Prozent ausgehandelt wurde. Darüber sei er froh. Laut KVB werden die Abrechnungen der Ärzte aus dem ersten Quartal 2014 und 2015 verglichen. Verluste von über 15 Prozent werden ausgeglichen. Allerdings gilt diese Regelung nur fürs erste Quartal. Was dann kommt, ist offen.
Auch Augsburg ist von der Kürzung betroffen. Das führte dort dazu, dass Notarztdienste nicht besetzt werden konnten. Heuschmid glaubt nicht, dass das auch in Nürnberg passieren könnte. Hier stünden Ärzte Schlange, um Notarzteinsätze fahren zu dürfen.
13 Kommentare
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Siggella
@mark greene. So wie Sie schreiben so ist es. Es wird so dargestellt als wenn es nur € 45 für einen Einsatz geben würde. Dass stimmt so jedoch nicht. Es gibt ja bekanntlich Notärzte ohne eigene Praxis bzw. sind proforma an einer Praxis beteiligt, arbeiten aber ausschließlich als Notarzt. Weil dies ohne die üblichen Praxiskosten wesentlich lukrativer ist. In Insiderkrisen gibt es auch Spitznamen und Wortspiele für Notärzte im Kontext der außergewöhnlichen Verdienstmöglichkeiten. Man sollte also immer den Ball flach halten.
Kritischer_Bürger
Man muss kein Insider sein um zu erkennen, dass auf hohem Niveau gejammert wird. Natürlich müssen Notärzte angemessen bezahlt werden, keine Frage, d. h. unter Berücksichtigung des enormen Aufwandes, den die Ergreifung dieses Berufes mit sich bringt. Allerdings kenne ich kaum einen akademischen Beruf, bei welchem man innerhalb von 24 Stunden gut 1.000 Euro brutto bekommt. Wenn man die enorme Verantwortung von Notärzten berücksichtigt, ist das durchaus angemessen und war vorher schlichtweg überzogen.
mark greene
Die Realität ist:
Bisher werden ein Großteil der Notarzteinsätze in Nürnberg von wenigen, "alten" Notärzten durchgeführt. Warum? Weil Nürnberg eine wahre Goldgrube ist. >1000 Euro pro 12-Stunden-Schicht sind absolut keine Seltenheit.
Junge, motivierte Notärzte haben keine Chance, Dienste zu machen, werden ausgebootet und warten jahrelang in einem undurchsichtigen "Wartelistensystem".
Wenn man in der Notaufnahme oder auf Intensivstationen in Nürnberg arbeitet, dann weiß man: Auch wenn es einige fachlich exzellente Kolleg/innen da draußen gibt, viele der "alten" Notärzte fahren nur wegen der exzellenten Bezahlung und machen Nofallmedizin wie vor 20 Jahren - für Patienten manchmal eine echte Katastrophe.
Mit der Neu-Verteilung der Honorare wird ENDLICH Fairness geschaffen. Die engagierten jungen Notärzte, die auch "im Kaff" am Land Dienst machen und fachlich den "Alteingesessenen" auf jeden Fall ebenbürtig sind, bekommen nun keinen Hungerlohn mehr. Und in Nürnberg wird fair bezahlt, aber keine absurden Unsummen mehr.
Die Jammerei kommt von einigen wenigen, die von den Geld-Trögen nicht mehr wegwollen. Mfg, ein Notarzt.
swordfishtrombone
@simonenbg: Bevor Sie das ganze den bösen Politikern anhängen, lesen Sie doch nochmal im Text nach. Die KVB hat das mit den Krankenkassen ausgekungelt. Laut Wikipedia: "Die Aufgabe der Vertretung der Interessen ihrer Mitglieder wird ihnen über den § 75 Abs. 2 SGB V zugewiesen, in dem es heißt: „Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen haben die Rechte der Vertragsärzte gegenüber den Krankenkassen wahrzunehmen.“ " Da fühlen sich Notärzte von ihrer eigenen Vertretung und den Krankenkassen ausgebootet, nicht von der Politik. Dürfen Politiker ihrer Meinung nach nun doch wieder so schnell behandelt werden wie andere...?
Brechstange
Die eingesparten Gelder können dann ja für die ärztlichen und zahnärztlichen Behandlungen der Asylanten eingesetzt werden.
Find ich gut ...