Mit Beteiligung aus Kammerstein
Humorvoller "Sitzstreik": Podcast aus der Rollstuhlperspektive
20.08.2021, 15:00 Uhr
Eine Situation, die die Psychologiestudentin immer wieder erlebt. „Man bemitleidet mich, impliziert, ich würde leiden. Und man bevormundet mich, weil man annimmt, ich könnte gar nicht selbst kommunizieren“, berichtet sie. Finn Lange, der ebenfalls im Rollstuhl sitzt, kennt die Problematik. „Mitleid bringt uns nicht weiter“, sagt er.
"Kannst Du Sex haben?"
In „Sitzstreik“ teilen Zach und Lange ihre alltäglichen Erfahrungen mit den Hörern. Manche Fragen zu ihrem Leben mit Behinderung, so erzählen sie, können sie einfach nicht mehr hören. „Kannst du Sex haben?“, sagt Lange, werde er immer wieder ganz unverblümt gefragt. „An meine Privatsphäre denken die Leute dann kaum - es fehlt ein Stück weit die Scham.“ Zach kommt das bekannt vor: „Manche stellen unbedarft super-persönliche Fragen“, erzählt sie, „ohne mich zu kennen.“
Die Idee, einen Podcast „aus der Rollstuhlperspektive“ aufzunehmen, trieb Finn Lange schon länger um. Über Instagram fand er Charlotte Zach. Sieben Folgen sind mittlerweile aufgezeichnet, weitere sind geplant. Zach und Lange sprechen über das Bildungswesen, die Arbeitswelt, die Leistungsgesellschaft. Aber sie klopfen auch ihre Hobbys auf Barrierefreiheit ab: Festivals und Konzerten haben die beiden eine eineinhalbstündige Folge gewidmet.
Gemeinschaftsgefühl bei Metal-Konzerten
Lange, Heavy Metal Fan, schwärmt vom großen Gemeinschaftsgefühl unter den Festivalbesuchern. „Ob mit anderen Rollstuhlfahrern auf der Tribüne oder mit Menschen ohne Behinderung: Das fühlt sich richtig familiär an - unter völlig fremden Leuten.“ Auf Metal-Festivals werde angepackt, man helfe zusammen. „Alle gehen sofort zur Seite, wenn ich zur Rolli-Tribüne fahre, fragen, ob sie unterstützen können, holen mir vielleicht sogar ein Getränk.“
Zach blickt auf Musikfestivals mit gemischten Gefühlen. „Freud und Leid liegen da für mich recht nah beieinander“, sagt sie. „Die Teilnahme an solchen Events waren für mich mit 17 oder 18 ein Ausdruck von Freiheit, davon, dass ich mich nicht unterkriegen lasse.“
Humor sei stets ein wichtiger Begleiter, erzählt Zach. „Auf Festivals gibt es ja die Regel, dass man keine Flaschen mit hineinnehmen darf. Wir hatten aber noch Getränke übrig.“ Da habe sie sich vor dem Sicherheitscheck kurzerhand auf die Flaschen gesetzt. „Und wir sind durch die Kontrolle durch - nach dem Motto: Wird schon keiner die Rollstuhlfahrerin fragen, ob sie mal bitte kurz aufstehen kann.“
Tatsächlich keine freie Wahl
Zach berichtet von ihren Erfahrungen aus der Kindheit und Schulzeit. Ihren Eltern sei nahegelegt worden, ihre Tochter nicht in einen inklusiven Kindergarten zu schicken oder auf eine herkömmliche Grundschule, sondern in die jeweilige Sonderform für Behinderte. „Wieso werden nicht beide Lebensentwürfe gleichermaßen unterstützt? Damit es tatsächlich eine freie Wahl geben kann?“, fragt sie.
Mehr Lobbyarbeit von Behinderten für Behinderte sei zur Lösung der Probleme essenziell, betonen Zach und Lange. „Politische Inklusion“ müsse auf die Agenda. In der Corona-Krise habe sich das besonders drastisch gezeigt: „Bei der Impfpriorisierung wurden wir, Menschen mit neuromuskulären Erkrankungen, trotz erhöhten Risikos zunächst schlicht vergessen“, berichtet Lange. „Bei anderen Personengruppen, mit größerer Lobby, wäre der Aufschrei wohl groß gewesen.“
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