Ringen um den Standort
ICE-Werk bei Nürnberg: OB König will "hierfür keinen Wald verkaufen"
2.7.2021, 08:57 UhrNN: Wie oft haben Sie beide inzwischen schon schlecht vom neuen ICE-Werk in Nürnberg geträumt?
König: Schlecht geträumt? Kein einziges Mal.
Josel: Es ist ein herausforderndes Projekt und uns ist bewusst, dass hierfür Flächen benötigt werden. Auf der anderen Seite bauen wir hier auch etwas für eine ökologische Mobilität.
Wir haben klare Zielsetzungen mit dem ICE, der gerade 30. Geburtstag feiert. Wir wollen den Fernverkehr erweitern und im Sinne eines Deutschlandtaktes auf den großen Magistralen mehr Züge fahren. Heute haben wir rund 300 Fernverkehrszüge, Zielstellung sind 600 und für die benötigen wir auch Werkstätten.
Nach der Detailanalyse für neun mögliche Standorte werden wir entscheiden, mit welchen wir in das Raumordnungsverfahren gehen.
Das Projekt wurde am 5. Oktober 2020 mit viel Euphorie von DB und Politik vorgestellt. Ist es nicht erstaunlich, wie wenig davon gerade noch übrig ist?
König: Ich glaube, dass wir alle einen gemeinsamen Nenner haben. Wir wollen die Mobilitätswende und mehr Verkehr auf die Schiene bringen. Was das ICE-Werk betrifft, da bin ich immer noch euphorisch.
Aber, und das galt auch schon am 5. Oktober, als Oberbürgermeister habe ich immer gesagt, es muss auch verträglich für die Menschen vor Ort sein.
Deshalb träumen wir auch nicht schlecht, sondern das Ziel muss sein, gemeinsam Wege zu finden, um die Mobilitätswende mit einem neuen ICE-Werk in der Metropolregion zu schaffen.
Das wird immer irgendwo eine Belastung sein, aber das Werk können wir nicht in der Luft bauen.
Aber eben auch nicht bei Altenfurt?
König: Ich habe von Anfang an gesagt, ich stehe für Ehrlichkeit und Transparenz und habe dann nach der Veranstaltung gesagt, in der Nähe von Altenfurt und Fischbach sind mögliche Flächen dabei.
Und dass wir deshalb in den Dialog gehen, weil wir großes Interesse haben, das Werk in die Region zu holen, aber auch die Interessen der Bürgerinnen und Bürger vertreten.
Josel: Wir werden diesen Planungsprozess sauber abarbeiten. Es darf uns später im Rahmen des Raumordnungsverfahrens auch nicht vorgeworfen werden, wir hätten geeignete Flächen für das Werk nicht untersucht. Wir werden die Argumente der Bürgerinnen und Bürger in die Abwägung einbeziehen.
Die CSU-Stadtratsfraktion hatte gefordert, dass die Regierung den Verkauf von Staatsforst im Bereich Altenfurt/Fischbach verhindern soll. Kurz darauf kündigte Bayerns Forstministerium mit Verweis auf die Staatskanzlei genau das an. Hängt das vielleicht doch auch mit der Bundestagswahl zusammen?
König: Hier geht es nicht um ein Wahlgeschenk.
Sie sind für das Genehmigungsverfahren, aber die CSU greift dem doch vor, wenn sie sagt, an dieser Stelle gibt es keinen Staatswald für das Projekt.
"Das ist eine politische Aussage"
König: Das eine ist eine politische Aussage, das andere die Tatsache, dass es darum geht, ein Verfahren abzuarbeiten. Als die Menschen vor Ort gesagt haben, die Bahn muss Altenfurt/Fischbach aus der Standortsuche nehmen, habe ich auch gesagt, da macht sich die Bahn angreifbar, das funktioniert nicht.
Dass ein Bürgermeister, ein Landrat, auch ein Ministerpräsident sagt, an dieser Stelle ist es schwierig, das ist eine politische Äußerung. Man kann sich politisch äußern, trotzdem muss das Verfahren abgeschlossen werden.
Nochmal: Wenn man einerseits für das Raumordnungsverfahren ist, andererseits aber schon vorher erklärt, dort bekommt die Bahn keinen Wald von uns, dann ist das schon interessant.
König: Ich sage klar, wir verkaufen hierfür keinen Wald. Die Bahn wird das Verfahren zu Ende führen, das erwartet auch jeder. Zahlen, Daten und Fakten sind entscheidend. Deshalb habe ich auch gesagt, die jetzige Variante des ICE-Werks bei Altenfurt und Fischbach ist noch näher an der Wohnbebauung und da sind die Interessen derer zu vertreten, die da wohnen.
Das kann ich dann auch von politischer Seite unterstützen. Aber es muss auch gesagt werden, die Natur wird es treffen und irgendwo müssen Bäume gefällt werden, sonst wird es kein Werk geben.
Trotzdem sehe ich die Chance, dass wir die Geschichte Bahn in der Metropolregion fortschreiben. Es hat alles in Nürnberg mit sechs Kilometern 1835 begonnen.
Herr Josel, Sie sind seit 2003 der DB-Konzernbevollmächtigte für Bayern. Wie sind denn ihre Erfahrungen, wenn es in Wahljahren um solche Projekte geht?
Josel: In Wahljahren gibt es immer wieder Aufgeregtheiten, aber das ist nachvollziehbar. Was ich nochmal betonen möchte: Wir brauchen für ein solches ICE-Werk oder andere Großprojekte einen intensiven Dialog, das hat die Vergangenheit gezeigt.
Das setzen wir hier um und auch Herr König und ich ringen um die beste Lösung für die Region, welcher Standort es am Ende wird, werden wir sehen.
Welche Bedeutung hat der Bahnknoten Nürnberg, Herr Josel?
Josel: Hier liegt die Keimzelle der Eisenbahn in Deutschland und man kann in der Rückschau auch auf 30 Jahre ICE-Verkehr sehen, was für einen großen Effekt das für die wirtschaftliche Entwicklung des Standorts hatte.
Das ist auch ein Paradebeispiel für das Zusammenwirken von Infrastruktur und Betrieb. Zum einen braucht es moderne Fahrzeuge, um ein attraktives Angebot machen zu können, aber man braucht auch die Infrastruktur, um schnell von A nach B zu kommen.
Die Begeisterung für den ICE war bei der Inbetriebnahme vor 30 Jahren groß. Heute ist es so, dass die Bahn zwar einen großen politischen Rückhalt hat, ihr Ruf innerhalb der Bevölkerung aber nicht der beste ist. Wie erklären Sie sich das?
Josel: Aus meiner Sicht liegt das daran, dass das System Eisenbahn gewachsen ist, zum Beispiel im Nahverkehr, wo das Angebot um 50 Prozent gesteigert wurde. Aber die Infrastruktur ist nicht mitgewachsen, was auch für den Fernverkehr gilt.
Da gab es nur einen partiellen Aus- und Neubau. Gerade in den Knoten geht es eng zu und so haben wir nicht die notwendigen Kapazitäten und Puffer, um immer ein wirklich sauberes und pünktliches Angebot fahren zu können.
Deshalb ist es gut, dass mehr Geld zur Verfügung steht und sukzessive auch in neue Strecken investiert werden kann, um dem Fern-, Nah- und Güterverkehr gerecht zu werden.
König: Überall, wo es Schienen und Bahnhöfe gibt, kommt Leben, profitieren die Menschen davon. Letztendlich ist es doch so, das stelle ich auch bei unserem Nahverkehr fest: Wer ihn nutzt, lobt ihn und sagt, wir haben eine tolle U-Bahn oder Straßenbahn.
Unsere Bahnanbindungen nach München, Berlin oder Köln und Hamburg, nach Passau und Wien, sind sensationell. Es reden aber eben auch viele über die Bahn, die sie gar nicht nutzen und von dieser Seite kommen dann auch Vorbehalte.
Sie sind ja gelernter Bankkaufmann. Die Bahn hat in diesem Jahr einen Rekordverlust von 5,7 Milliarden Euro gemacht, die Verschuldung kratzt an der Marke von 30 Milliarden Euro. Was geht Ihnen bei solchen Zahlen durch den Kopf?
König: Das Thema Nachhaltigkeit, Klima und Mobilität wird uns viel Geld kosten. Jeder spricht darüber, aber wenn es konkret wird, tut es manchmal eben auch weh.
Das Bekenntnis der Politik und aller demokratischen Parteien zur Bahn ist eindeutig. Es wurde in den letzten Jahrzehnten vielleicht zu wenig investiert und das muss jetzt nachgeholt werden, aber das wird sich auszahlen.
Das Geld, das wir hier ausgeben, lohnt sich und ist nachhaltiger angelegt, als nur auf Autobahnen zu setzen. Das Motto muss sein: Eisenbahn für alle. Es ist wie bei der VAG: Wir machen Schulden, um Mobilität zu gewährleisten, die man sich auch leisten kann.
Welche Verbesserungen für den Bahnknoten Nürnberg würden Sie sich noch wünschen?
König: Jede Fahrt, die man nicht mit dem Auto macht, ist eine gute Fahrt. Ich denke, es ist abgesehen vom Ausbau vor allem wichtig, den Zugang zum ÖPNV-Angebot so einfach und niedrigschwellig zu gestalten, dass er beispielsweise auch für diejenigen interessant und attraktiv wird, die ihn bisher nicht nutzen.
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Josel: Das S-Bahn-Netz Nürnberg hat sich bereits gut entwickelt und ich begrüße es, dass der Freistaat dieses System weiter ausbauen will, etwa im Nordostsektor.
Ich bin auch froh, dass der Ausbau im Fürther Bogen jetzt kommt und für die wichtige S-Bahn-Linie 1 eine Verdichtung möglich macht. Dann haben wir zwar noch keinen sauberen Takt, aber drei Züge pro Stunde Richtung Bamberg.
König: Da sieht man, was aus sechs Kilometern im Jahr 1835 geworden ist. Als vor drei Jahrzehnten der ICE gekommen ist, hatten wir ungefähr 30 Anbindungen pro Tag, jetzt haben wir 130.
Weil Sie den Bau der alten Adler-Strecke immer wieder ansprechen: Auch der verzögerte sich damals schon, unter anderem wegen zäher Verhandlungen mit Grundstückseigentümern. Wird das neue ICE-Werk wie geplant 2028 stehen?
Josel: Wir arbeiten dran.
König: Ich freue mich, wenn wir ein Werk bekommen, das kaum eine Belastung für die Menschen bringt, von dem sie aber maximal profitieren können.
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