In der Höhle der TV-Löwin: So lebt Dagmar Wöhrl

9.4.2021, 17:12 Uhr
In der Höhle der TV-Löwin: So lebt Dagmar Wöhrl

© Michael Matejka, NN

Der Weg zu Dagmar Wöhrl führt von unten nach oben. Eine Auffahrt geht zu dem Haus mit Glasanbau, das etwas zurück versetzt zur Straße in Erlenstegen liegt. Es ist ein Vorfrühlingsmorgen, die Luft ist kalt, die Natur noch karg. Im Türrahmen hinter dem schmiedeeisernen Tor steht Wöhrl in klatschmohnroter Lederjacke und bester Laune. Mit ihren langen blonden Haaren, der schwarzen engen Hose und den Sneakern sieht die 66-Jährige aus wie ihre jüngere Schwester. Wenn sie eine hätte – sie ist Einzelkind. Seit fast 40 Jahren lebt die ehemalige CSU-Bundestagsabgeordnete und „TV-Löwin“ mit ihrem Mann, Unternehmer Hans Rudolf Wöhrl, hier. „Ich bin nur einmal in meinem Leben umgezogen“, erzählt sie. Von ihrem Elternhaus in Stein hierher ins Nürnberger Villenviertel.

In der Höhle der TV-Löwin: So lebt Dagmar Wöhrl

© Michael Matejka, NN

Über ein in hellem Cremeweiß glänzendes Treppenhaus geht es hinauf ins Erdgeschoss. Vorbei an einer weißen Ledercouch und einem Fernseher mit einem Bildschirm in der Größe einer Tischtennisplatte. „Hier schaut mein Mann immer“, sagt Wöhrl. Mit der gläsernen Wendeltreppe, die in den ersten Stock führt, und dem gläsernen Anbau mit Glastafel fühlt man sich ein bisschen an Dallas erinnert oder an Schneewittchen. Im Gegensatz zur exklusiven Nüchternheit im Erdgeschoss hat sie das Schlafzimmer im ersten Stock im afrikanischen Stil eingerichtet. Mit buntbedruckten Stoffen und Bambus-Rollos. „Es ist wie Aufwachen in Afrika“, sagt Wöhrl und lacht. Das zu zeigen, ist ihr aber zu privat.

Stattdessen geht es dorthin, wo sie sich am meisten aufhält: In ihr Arbeitszimmer, das sie mit ihrem Mann teilt. Mit zwei Schreibtischen ist es quasi die Kommandozentrale des „Familienunternehmens“, wie Wöhrl es gerne nennt. Die rechte Seite mit weißen Möbeln belegt ihr Mann, eine Flugzeugsammlung auf dem Regal deutet es an. Auf der linken Seite, mit dunkleren Holzmöbeln und einem alten Schrank aus Sri Lanka, arbeitet Wöhrl. Am liebsten zu später Stunde. „Ich bin eine Nachtarbeiterin“, sagt sie. Eine Langschläferin ist sie trotzdem nicht. Gegen acht Uhr ist sie spätestens auf den Beinen, in ihrer politisch aktiven Zeit war sie um sieben Uhr im Büro.

In der Höhle der TV-Löwin: So lebt Dagmar Wöhrl

© Michael Matejka, NN

Von ihrem Schreibtisch aus hat man einen schönen Blick in den großen Garten. Schön und schrecklich. Denn hier ist sie auch gesessen, als sich 2001 die Tragödie ihres Lebens ereignete: Ihr jüngerer Sohn Emanuel stürzte acht Meter in die Tiefe und starb mit zwölf Jahren. Er war auf ein Baugerüst geklettert, das das Haus damals umgab. Wöhrl sah ihn abstürzen, ebenso der größere Bruder Marcus, der auf einer Liege im Garten lag. Nicht auf den Rasen, sondern auf die Steinfliesen war Emanuel gestürzt und an einem Riss der Aorta gestorben.

Ein Schicksalsschlag

Dagmar Wöhrl spricht es von sich aus an. Sie hat einen Umgang gefunden mit diesem furchtbaren Unglück, eine Stiftung nach Emanuel benannt. „Manu war immer in Bewegung. Wir haben ihn so oft im Krankenhaus gehabt. Immer hat er sich etwas gebrochen und dann stolz seine Narben gezeigt“, sagt sie. „Eigentlich war es nur eine Frage der Zeit, dass so etwas passiert.“ Auf ihrem Schreibtisch steht ein Foto von ihm. Ein munterer Junge lacht glücklich aus dem goldenen Bilderrahmen. Um die Kinderzimmer zu verlegen, stand damals das Gerüst am Haus. Aus dem Ort des Unglücks auszuziehen, wollten sie damals nicht. „Vielleicht hätte man es machen sollen...“, sagt Wöhrl.

In der Höhle der TV-Löwin: So lebt Dagmar Wöhrl

© TVNOW/Bernd-Michael Maur

Vielleicht stürzt sie sich seitdem so in die Arbeit. Vielleicht ist das aber auch nur Küchenpsychologie. Tatsächlich steht die Fränkin selten still: Sie hat eine Consulting-Firma in Berlin, außerdem betreut sie zahlreiche Projekte auf der Welt, etwa für Kinder in Sri Lanka oder für Hunde. Eine Sammlung silberner Elefanten auf ihrem Schreibtisch erinnert an ein Elefanten-Projekt in Asien. Die Liste ihrer Ehrenämter ist lang. Prompt klingelt ihr Handy, Wöhrl spricht kurz auf Englisch – es geht um ein Projekt im Ausland. Durch Corona kann sie vieles nur noch aus der Ferne betreuen. „Das bedauere ich sehr“, sagt sie.

TV-Karriere bei VOX

Nach ihrer politischen Laufbahn hat sie eine TV-Karriere gestartet: Seit 2017 ist sie als Investorin in der „Höhle der Löwen“ auf VOX zu sehen. Telegen ist die „Miss Germany“ von 1977 zweifelsohne. Und das obwohl sie „eigentlich viel zu ungesund“ isst und es mit dem Sport nicht übertreibt. Ein bisschen Pilates und Yoga und ab und zu Spazierengehen im Erlenstegener Wald. Na gut, Salat und Gemüse esse sie schon gerne – aber auch Braten mit Kloß und Soß’ und Fleischküchle. Für ihre neue Optik, ist Stylist Apjar Black zuständig. Der Berliner riet ihr zu längeren Haaren, einer Haarverdichtung und einem weicherem Make-up. "Ich sehe jetzt so aus, wie ich mich fühle", hatte Wöhrl in einem früheren Interview mit unserer Zeitung erzählt.

Zu ihrem Fränkisch steht sie – auch im TV. „Meinen Dialekt hab’ ich jetzt schon so lange, den behalt’ ich auch“, sagt sie. Und fügt mit einem Grinsen an: „Ich ko’ auch richtig Fränkisch. Wenn ich so red’, dann versteht mi kanner mehr!“ Wenn die 66-Jährige richtig herzhaft lacht, dann gehen die Lampen in ihrem Gesicht an. In ihren grünen Augen sieht man den Schalk blitzen. Sie kann die blonde Unternehmerin sein mit dem Zahnpasta-Lächeln, aber auch bodenständig fränkisch.

Dazu passt auch diese Leidenschaft: „Ich liebe Rasenmähen. Am liebsten mit so einem zum Draufsitzen“, sagt sie und führt den Besuch ein Stück in den Garten. Jetzt mäht sie allerdings nicht mehr, denn nun hat „Paul“ übernommen – der elektrische Rasenmäher. Viele Hügelchen zieren den Wöhrl’schen Rasen. „Man sieht, meine Wühlmäuse und Maulwürfe sind aktiv.“ Sie hatten immer Haustiere früher, drei Hunde, zwei Katzen. Weil ihr Mann und sie viel unterwegs sind, haben sie jetzt keine mehr. „Aber die Gastmieze da kommt ab und zu vorbei“, sagt Wöhrl und deutet auf eine gefleckte Katze, die eilig durch den Garten spaziert.


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In Beeten herumzugraben, ist genau so wenig ihr Ding wie auf der Liege herumzuliegen. „Ich werde sicher keine Rosen züchten“, hatte sie in einem Interview nach dem Ende ihrer politischen Laufbahn in der lokalen Presse angekündigt. Den Artikel dazu hat sie ausgeschnitten und in ein großes Album geklebt. 25 solcher Alben hat sie mittlerweile davon. Mit sämtlichen Berichten über sich und ihre Familie – mit guten und negativen Schlagzeilen. „Ich bin ein Sortierer. Alles muss archiviert sein“, sagt sie und blättert im riesigen Album. Seit ihrem 15. Lebensjahr sammelt sie alle Berichte über sich.

Den Ausschlag hatte ihr Vater gegeben, der ihr als junge Frau einen Karton mit Ausschnitten über sie überreicht hatte. Wöhrl klebte sie alle chronologisch geordnet ein. Ein Leben in Text und Bildern. „Ich bin ein haptischer Mensch“, sagt sie. Die Zeitung liest sie lieber in Print statt digital. Und Fotos lässt sie noch entwickeln und klebt sie ins Album ein. Freunde, mit denen sie auf Reisen war, bekommen dann zum Geburtstag oder zu Weihnachten ein dickes, liebevoll gestaltetes Album von ihr. „Wenn ich bastle, dann ist hier der ganze Boden voll“, sagt sie. Dann schaut sie auf die Uhr. Zeit, die Höhle der Löwin zu verlassen. Sie hat noch einiges zu tun.

Zur Person: Dagmar Wöhrl, 1954 in Stein geboren, verheiratet, zwei Söhne, einer verunglückte 2001 tödlich. 1977 wurde sie „Miss Germany“. Sie ist Rechtsanwältin und war von 1994 bis 2017 Mitglied des Deutschen Bundestages für die CDU/CSU. Von 2005 bis 2009 war sie parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie. Sie betreut weltweit soziale Projekte, ist u.a. Präsidentin des Tierschutzvereins Nürnberg-Fürth und stellvertretende Vorsitzende von Unicef Deutschland. Ausgezeichnet mit dem Bundesverdienstkreuz und dem Bayerischen Verdienstorden. Seit 2017 ist die Unternehmerin als Investorin in der VOX-Sendung „Die Höhle der Löwen“ zu sehen.

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