In Nürnberg soll bald ein veganer Supermarkt eröffnen
13.10.2014, 06:00 UhrDer Saal im Künstlerhaus ist bis zum letzten Platz gefüllt. Der Veranstalter, der Verein Menschen für Tierrechte, hat anlässlich seines 30-jährigen Jubiläums Jan Bredack eingeladen, für den Tierschützer und Vegetarier früher „realitätsfremde Spinner“ waren. Er stellt sich offen und authentisch dem Publikum. Aus seinem Buch liest der Berliner keine einzige Zeile, er erzählt lieber.
Der 42-Jährige berichtet von seinem Leben als Manager bei Mercedes-Benz, von der Villa mit Swimmingpool, in der er mit seiner Frau und den drei Kindern wohnte, dem luxuriösen Dienstwagen und dem repräsentativen Büro. In seiner Garage standen die neuesten Mercedes-Modelle, „ich hatte immer die teuersten und schönsten Autos“. Karriere, Macht und Statussymbole beherrschten damals sein Leben, all das hat für ihn an Bedeutung verloren. „Man baut sich eine Welt auf und ist komplett abgeschnitten von der Realität“, sagt er in Nachhinein.
Gründe für seine Wandlung waren ein Burnout und seine Freundin, die er nach der Trennung von seiner Frau 2008 kennenlernte. Sie ernährte sich seit 13 Jahren fleischlos. „Im Anflug von totaler Verliebtheit, habe ich über Nacht beschlossen, auch Vegetarier zu werden.“ Ihm wurde bewusst, „dass das, was da auf meinem Teller liegt, ein Lebewesen ist, das für mich getötet wurde“. Der Schritt zum Veganer war da nicht mehr weit. Er informierte sich über die Milchproduktion: Die Kühe werden immer wieder besamt, „ich habe schreckliche Szenen gesehen und gehört, wenn ihnen nach der Geburt die Kälber weggenommen wurden“. Der Nachwuchs landet im gleichen Kreislauf oder als Schnitzel im Discounter. Bredack: „Wir trinken Muttermilch von einer anderen Spezies!“ Dass am Ende der Liter Milch für 69 Cent im Supermarktregal steht, nennt er einen „wirtschaftlichen Irrsinn“. Und merkt an, dass er sich ohne den Konsum von Milchprodukten auch gesundheitlich besser fühle — so seien etwa seine Hautprobleme verschwunden.
Dann kommt er zum nächsten Punkt: die Ressourcenverschwendung. Der 42-Jährige zählt auf, was nötig ist, um ein Kilo Fleisch zu produzieren. Das Gros der Zuhörer kennt diese Zahlen bereits, viele Vegetarier und Veganer sitzen im Publikum.
Zum Nachdenken anregen
„Ich freue mich, dass es gerade in Deutschland knallt; wir haben ein Trinkwasserproblem“, fährt er fort und spielt auf die Gülleflut als Folge der Massentierhaltung und die aktuelle Diskussion um zu hohe Nitratwerte im Grundwasser an.
Bredack möchte nicht missionieren, sondern zum Nachdenken anregen. Er selbst habe über 35 Jahre gebraucht, bis er sich vom Karrieremenschen und Fastfood-Konsumenten zum glücklichen Veganer entwickelte. „Wir können was machen, indem wir aufklären und darüber reden.“ Die Menschen seien darauf konditioniert worden, etwa zu glauben, dass Milch gesund sei oder beim billigsten Preis zuzugreifen. Er spricht von Subventionen, dem Einfluss der Politik, Wettbewerb und den Machenschaften der Lebensmittelindustrie. Auch geht es um Bio-Produkte. Die Ansprüche, die ein EU-Bio-Siegel habe, seien in keinster Weise vergleichbar mit dem Demeter-Bio-Siegel, kommentiert er. Und appelliert: „Seid wachsam und fragt nach.“
Der Mann, der von sich selbst sagt „ich bin Visionär und Realist“, kommt in Fahrt: „Wir müssen schmackhafte, pflanzliche Alternativen erschaffen.“ Im gleichen Atemzug berichtet er von seinem Besuch in der Schweiz bei einem Hersteller mit einem „unglaublich leckeren“ Käseersatz. Der 42-Jährige spricht vom „Wow-Effekt“ solcher Produkte, mit dem er Menschen, „die noch in Konditionierung leben“, überzeugen möchte.
Im Juli 2011 eröffnete Bredack den ersten veganen Supermarkt in Berlin, im November löste er seinen Arbeitsvertrag bei Daimler auf. Viele Pläne treiben ihn um, zum Beispiel seine Veganz-Produkte im Nahversorgungsbereich anzubieten. „Wir legen uns mit der Lebensmittelindustrie ins Bett und nutzen die Gunst der Stunde“, sagt er, möchte aber noch keine der herkömmlichen Supermarktketten nennen, die bei ihm vorstellig wurden. Auf diesem Weg werden voraussichtlich ab Weihnachten seine veganen Produkte auch in Nürnberg erhältlich sein.
Anfang 2015 soll hier Vresh2go und im Laufe des Jahres ein Supermarkt entstehen. Der 42-Jährige arbeitet nach wie vor sieben Tage die Woche, aber im Unterschied zu früher erfüllt ihn seine jetzige Tätigkeit.
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