In Nürnberger Museum: Uralter Lederstiefel als Sensation

24.10.2020, 16:03 Uhr
In Nürnberger Museum: Uralter Lederstiefel als Sensation

© Roland Fengler/NNZ

Ein zerschlissener, abgestoßener Schnürstiefel und zwei abgeschabte Kinderschuhe - wohl aus dem 16. Jahrhundert - sind in Vitrinen ausgestellt wie wertvolle Schaustücke. Und das sind sie auch: Denn Kleidung und Schuhe der normalen Bevölkerung aus jener Zeit hat sich fast gar nicht erhalten. Es ist eine Sensation, versichern daher die Ausstellungsmacher.

In die Wand eingemauert

Der Schnürstiefel kam als zusammengestauchter Dreckklumpen bei Ausgrabungen an der Oberen Schmiedgasse ans Tageslicht. Eine Restauratorin musste das Fundstück in Wasser einlegen, um es dann ganz vorsichtig in die Länge zu ziehen - und zu sehen, was es überhaupt ist.

Schließlich wurde das gegerbte Wildleder als Stiefel erkennbar. Die beiden Kinderschuhe waren in der Wand des Handwerkermuseums Kühnertsgasse direkt neben einer gotischen Türe eingemauert.

Postkarten, Zinnteller, Steinzeug

Alle drei Ausstellungsstücke dürften aus der Lebenszeit von Hans Sachs stammen. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Julia Uehlein, die mit Altstadtfreunde-Vorstand Karl-Heinz Enderle die Sonderausstellung gestaltet hat, taxiert den Stiefel vor dem Jahr 1580, die Schuhe vor 1550. Auch wenn der Meister das Leder nicht selbst geklopft haben sollte, so stammen die Schuhe zumindest aus seiner Epoche.

In Nürnberger Museum: Uralter Lederstiefel als Sensation

© Roland Fengler/NNZ

Ansonsten gibt es keine Originale aus jener Zeit. Die Schau ist mit Postkarten, Zinntellern, farbigen Tellern, einer Steinzeugkanne sowie Büchern mit seinen Fastnachtsspielen und Meistergesängen ausstaffiert. Die Exponate stammen aus dem 19. und 20. Jahrhundert.

Feier von "fast nie gekanntem Ausmaß"

Anlässlich des 400. Geburtstags von Hans Sachs im Jahr 1894 veranstaltete die Stadt nämlich Feiern in fast nie gekanntem Ausmaß, wie Enderle betont: einen phantasievollen Umzug in historischen Gewändern, zahlreiche Veranstaltungen und ein rauschendes Fest vor dem Denkmal des Dichters am Hans-Sachs-Platz.

In Nürnberger Museum: Uralter Lederstiefel als Sensation

© Roland Fengler/NNZ

Sein Wohnhaus in der Hans-Sachs-Gasse 17 war bis zu seiner Zerstörung im Zweiten Weltkrieg eine Pilgerort für Touristen und Schulklassen.

"Grobe Irreführung"

Auch der Nürnberger Denkmalpfleger Julius Lincke schaute sich in dem dortigen Museum um und bekam von der Führerin die angeblich "originale Schusterwerkstatt" von Hans Sachs ebenso präsentiert wie eine Wanduhr, die vom berühmten Nürnberger Uhrmacher Peter Henlein stammen sollte. In einer Aktennotiz hielt er seine vernichtende Einschätzung fest: "Grobe Irreführung".

Mit über 6200 Stücken, davon mehr als 4000 Meistergesängen, war der dichtende Schuster ein äußerst produktiver Literat. Aber war sein Werk beim großen Hype zu seinem 400. Geburtstag überhaupt noch aktuell, wurde es gelesen? Da müsse man doch seine Zweifel haben, meinen die Ausstellungsmacher.

Oper bei den Reichsparteitagen

In der Zeit des Nationalsozialismus wurde bei den Reichsparteitagen Richard Wagners Oper "Die Meistersinger von Nürnberg" aufgeführt, die dem Versschmied eine gewisse Popularität erhielten. Doch heute? "Sein Ruhm verblasst jeden Tag ein Stück mehr", erklärt der Altstadtfreunde-Chef.

Das Hans-Sachs-Denkmal, die Bronzefigur des Hans-Sachs im Ehebrunnen am Weißen Turm, die Schwänke der Hans-Sachs-Spielgruppe, eine Tafel an dem Ort, an dem bis zum 2. Januar 1945 sein Wohnhaus stand: Damit ist seine Präsenz in der Öffentlichkeit nahezu erschöpft.

Wer verschenkt "Hans-Sachs-Devotionalien"?

Soll ein eigenes Hans-Sachs-Museum geben - ähnlich dem Dürer-Haus, wie es die Stadt 1939 geplant hat? Daran denkt niemand mehr. Doch die Altstadtfreunde eröffnen mit der Dauerschau in drei Räumen zumindest eine "Hans-Sachs-Abteilung". Die jetzige Ausstellung zieht sich zeitlich befristet auch in die Wechselausstellungs-Räume des ersten Stocks hinauf.

Die Vitrine im Erdgeschoss mit Hans-Sachs-Devotionalien ist nur halb gefüllt. Wer zuhause Hans-Sachs-Krüge, Teller oder andere Erinnerungsstücke an den Nürnberger Handwerker hat, die er gern verschenken möchte: Die Altstadtfreunde nehmen sie gerne, um die Ausstellung zu ergänzen (Telefon: 0911 - 50 72 360).


Die Ausstellung in der Kühnertsgasse 18/22 öffnet am Sonntag um 14 Uhr. Sie ist jeweils mittwochs, samstags und sonntags ab 14 Uhr bis 17 Uhr zu sehen.

Keine Kommentare