Kalenderblatt

Kalenderblatt vom 27. Dezember 1971: Gemeinsamer Gottesdienst in St. Sebald

27.12.2021, 07:00 Uhr
Kalenderblatt vom 27. Dezember 1971: Gemeinsamer Gottesdienst in St. Sebald

© Hans Kammler

Praktizierte Ökumene am Heiligen Abend oder mißglückter Annäherungsversuch, das war hier die große Frage. Immerhin, der Reiz des Neuen lockte bereits zu nachmittäglicher Stunde so viele Nürnberger an, daß die altehrwürdige Sebalduskirche keinen Sitzplatz mehr zu bieten hatte. Der Tenor der Ansprachen des katholischen Dekans Paul Holzmann und des evangelischen Kreisdekans Fritz Kelber kam deutlich zum Ausdruck: Feiern Protestanten und Katholiken das Christfest nicht auf die gleiche Weise? Ist Christus nicht überkonfessionell geboren? Singen nicht beide Konfessionen die gleichen Weihnachtslieder? Zwischen den beiden Geistlichen war der einzige Unterschied die Robe. Dekan Paul Holzmann im rotweißen Meßgewand, Dekan Fritz Kelber im schwarzen Talar. Doch das sind nur Äußerlichkeiten.

Der katholische Geistliche würdigte von der Kanzel der evangelischen Kirche herab die Verdienste Martin Luthers, und sein evangelischer Kollege unterstrich die Reinheit Marias, der Mutter Gottes. Interessant waren auch die Gemeinsamkeiten, die von beiden Dekanen in den Ansprachen herausgestellt wurden. Schon die Leitsätze „Der Herr ist nahe“ (Dekan Holzmann) und „Er ist mitten unter uns getreten“ (Dekan Kelber) zeigen eine gewisse Parallelität und Konsequenz. So sprach Dekan Paul Holzmann von der Angst, die unser Leben erfüllt. Unsicherheit vor der Zukunft führt Christen beider Konfessionen zu einer Todesangst, die Jesus Christus in seiner Geburt für alle Menschen in Freude und Zuversicht umgewandelt hat. Dekan Kelber betonte die Notwendigkeit, die beiden Konfessionen gemeinsam ist, in den großen sozialen Fragen unserer Zeit Hand in Hand zu arbeiten. So kam ja auch die Kollekte dieser Christvesper den Hilfsaktionen Adveniat der katholischen Kirche und „Brot für die Welt“ auf protestantischer Seite zu gleichen Teilen zugute, denn Sinn und Zweck beider Aktionen verschmelzen zu einem: die ärgste Not aus der Welt zu schaffen.

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