Kampf gegen Vorurteile: "Wissen hilft weiter"

22.3.2015, 19:58 Uhr
Kampf gegen Vorurteile:

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Herr Prof. Heckmann, liegt der Wunsch nach Abgrenzung in der menschlichen Natur?

Friedrich Heckmann: Man wird nicht mit Vorurteilen geboren, sie werden erlernt und von anderen übernommen. Doch aus der Forschung weiß man, dass das bereits sehr früh beginnt, schon Kleinkinder übernehmen die Bewertungen anderer. Das ist die individuelle Ebene. Gesamtgesellschaftlich betrachtet, hängen Vorurteile mit der sozialen Natur des Menschen zusammen. Menschen leben in Gruppen, und Gruppen grenzen sich voneinander ab. Dazu gehört, dass man sich negative und falsche Bilder von den anderen macht. Gruppen haben Konflikte. Vorurteile sind dabei häufig ein Instrument der Herrschaft und rechtfertigen Ungleichheit. Das ist ein universelles Phänomen, nur dessen Ausprägungen sind unterschiedlich.

Also hat quasi jede Zeit ihre eigenen Vorurteile?

Heckmann: In gewisser Weise ja. Oft speisen sie sich aus gesellschaftlichen Ideologien wie zum Beispiel aus dem Antisemitismus oder der Islamophobie. In Büchern, Filmen, Redewendungen und Bildern werden solche ideologischen Vorstellungen oder Elemente davon transportiert. Aktuelle Auseinandersetzungen spiegeln sich darin wider, das kann man gut bei der Debatte über die griechischen Schulden beobachten. Da wird dann in bestimmten Kampagnen eine ganze Nation als "faul" verunglimpft.

Trotzdem sind nicht alle Menschen gleichermaßen empfänglich für Klischees. Liegt das vor allem an der Erziehung?

Heckmann: Schule und Elternhaus sind da natürlich wichtig. Wenn man in einem toleranten aufgeklärten Umfeld aufwächst, ist das Schubladendenken nicht so ausgeprägt. Außerdem spielen psychische Merkmale eine Rolle. Menschen, die ängstlich und unsicher sind, sind besonders anfällig für Stereotypen. Auch wer zu autoritären starren Denkmustern neigt, hält gerne an seinen Feindbildern fest.

Was können denn Aufklärungskampagnen überhaupt bewirken?

Heckmann: Eine ganze Menge! Wissen hilft auf jeden Fall, obwohl leider diejenigen am empfänglichsten dafür sind, die ohnehin am wenigsten mit Vorurteilen belastet sind. Viel kann man auch erreichen, wenn man die emotionale Seite von Vorurteilen anspricht, indem etwa über Filme, Kunst und Kultur positive Gefühle über zuvor abgelehnte Gruppen vermittelt werden. Und ganz wichtig sind persönliche Kontakte, denn wenn Menschen sich kennenlernen und die individuelle Wahrnehmung einsetzt, lösen sich viele stereotype Vorstellungen auf.

Also weist "Nürnberg hält zusammen" in die richtige Richtung?

Heckmann: Die Stadt ist da auf einem guten Weg. Einerseits durch Programme, die Aufklärung, Wissen, internationale Kultur und Begegnungen vermitteln. Zum anderen aber auch, weil es hier gelingt, ein positives öffentliches Klima zu schaffen, in dem sich rechtsradikales Potenzial kaum mobilisieren lässt.