Schlechte Nachricht am Welttierschutztag
Kein Nachfolger für den Vorstand: Tierschutzverein Noris löst sich auf
4.10.2021, 10:26 UhrHerr Derbeck, sind Sie sehr enttäuscht, dass niemand den Vorstandssitz übernehmen wollte?
Derbeck: Nein, es war keine Überraschung. Bei mir zuhause klingelt das Telefon von morgens bis abends, laufen Mails am PC ein. Das ist ein Vollzeitjob für eine ehrenamtliche Tätigkeit. Das kann ich niemandem zumuten. Und nachdem ich als Vorsitzender nicht mehr angetreten bin, haben auch die vier Stellvertreter(innen) ihr Amt niedergelegt. Die Folge ist, dass wir den Tierschutzverein Noris auflösen.
Sie haben den Verein mit Ihrer Familie vor 20 Jahren gegründet, wie kam es dazu?
Derbeck: Unser Ziel war, den Tierschutz zu legalisieren. Dabei geht es um ganz konkrete Arbeit: Was kann ich tun, wenn ein Hund dauerhaft an einer kurzen Kette gehalten wird? Darf man eine zugelaufene Katze einfach behalten? Wann hat eine Anzeige Aussicht auf Erfolg, wenn Tauben abgeschossen werden? Es ging mir um ganz konkrete Fragen und um die Vernetzung mit anderen Organisationen. Deswegen haben wir auch den bundesweiten Tierschutznotruf ins Leben gerufen.
Auszeichnung für Engagement von Robert Derbeck
Wird dieser Service nun eingestellt?
Derbeck: Nein, es hat sich zum Glück jemand im Verein gefunden, der den Tierschutznotruf übernimmt. Die Telefonnummer 0700-58 58 58 10 wird also weiterhin betreut. Wenn irgendjemand in Deutschland Hilfe für ein gefundenes oder verletztes Tier sucht, bekommt er über den Notruf Adressen in seiner Region.
Der Tierschutzverein Noris hat sich schwerpunktmäßig mit rechtlichen Fragen beschäftigt. Warum?
Derbeck: Ja, wir haben bemerkt, dass gerade im juristischen Bereich noch viel Unkenntnis herrscht. Ich hatte mir am Anfang viel Wissen angelesen und Seminare besucht. Dann wollte ich eine kurze Handreichung für Interessierte schreiben, dabei sind über 300 Seiten herausgekommen. Daher habe ich selbst viele Seminare zu rechtlichen Fragen abgehalten und vielen Tierheimen und Vereinen Tipps gegeben.
Andererseits haben Ihre Vereinsmitglieder verlassene Jungtiere aufgezogen und verletzten Tieren geholfen ...
Derbeck: Pro Jahr haben wir bis zu 70 Haustiere vermittelt und etwa 200 Wildtiere versorgt. Darunter befanden sich Waschbären, Dachse, Marder, Rehkitze, Eichelhäher, Füchse, Enten und Sperlinge. Meine Frau hat sich auf die sehr schwierige Aufzucht von Gebäudebrütern wie Mauerseglern und Schwalben spezialisiert. Da braucht man viel Erfahrung. Und es löst immer wieder ein Glücksgefühl aus, wenn die Kleinen flügge geworden sind und selbstständig werden.
Gelegentlich haben Sie auch Menschen aus einer Zwangslage befreit.
Derbeck: Eine Fürtherin hatte mich angerufen, dass eine Riesenmaus - so groß wie ein Kaninchen - in ihre Wohnung eingedrungen sei. Die Frau stand auf ihrem Wohnzimmertisch mit dem Handy in der Hand und wies mit der Hand aufgeregt in die Ecke. Dort saß aber keine Riesenmaus, sondern ein Chinchilla. Wir haben das Nagetier eingefangen und an eine Pflegestelle der Chinchillahilfe in München weiter vermittelt. Ein andermal musste ich mich um einen 5,5 Meter langen Tigerpython kümmern, den eine Frau in ein Zimmer eingesperrt hatte. Die Schlange gehörte ihrem Mann, der seine Ehefrau verlassen und das Reptil zurückgelassen hatte.
Streit um den Abschuss von Tauben
Wie oft sind Sie von einem Tier, dem Sie helfen wollten, gebissen worden?
Derbeck: Überhaupt nicht. Ich habe keine Berührungsängste und mittlerweile eine langjährige Erfahrung.
Küken schreddern, viel zu enge Kastenhaltung bei Schweinen: Stellen Sie in der Bevölkerung eine wachsende Sensibilität für Tierleid fest?
Derbeck: Die Bereitschaft, genauer hinzuschauen und sich mit den Schattenseiten der Tierhaltung zu befassen, ist gestiegen. Aber es fehlt noch die juristische Durchschlagskraft. Seit 2002 steht der Tierschutz im Grundgesetz, das ist jedoch oft ein zahnloser Tiger. Der Tierschutzbeirat ist eine schöne Sache, aber er kann nur Vorschläge machen. Ich halte es für wichtig, ein eigenes Tierschutz-Referat bei den Staatsanwaltschaften zu schaffen, das konsequent gegen Tiermisshandlungen vorgeht.
Ist für Sie das Thema Tierschutz mit der Vereinsauflösung abgehakt?
Derbeck: Keineswegs. Ich bin weiterhin Präsidiumsmitglied im bayerischen Landesverband des Deutschen Tierschutzbunds, gehöre dem Bündnis bayerischer Tierschutzorganisationen an und bleibe im Tierschutzbeirat des bayerischen Staatsministeriums aktiv. Als ich in Vorruhestand gegangen bin, wollte ich keine Kaffeefahrten unternehmen und Heizdecken kaufen, sondern mich sinnvoll engagieren. Das gilt auch künftig.
Robert Derbeck (73) war beruflich als Elektrotechniker tätig. Der gebürtige Wiener kam mit sechs Jahren nach Nürnberg und interessiert sich seit vielen Jahren für Tierrechte. Seine Seminare zu juristischen Tierschutzthemen sind quer durch ganz Deutschland gefragt.
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