Gefahr für vulnerable Gruppen

Keine Maskenpflicht im Supermarkt: "Habe wahnsinnige Angst, mich anzustecken"

Eva Orttenburger

Online-Redaktion

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5.4.2022, 05:51 Uhr
Vor allem ältere und vorerkrankte Menschen müssen sich vor einer Coronainfektion schützen. Viele von ihnen werden weiterhin Maske im Supermarkt tragen.

© imago images/photothek/Ute Grabowsky, NN Vor allem ältere und vorerkrankte Menschen müssen sich vor einer Coronainfektion schützen. Viele von ihnen werden weiterhin Maske im Supermarkt tragen.

"Ich habe wahnsinnige Angst davor, mich anzustecken und damit das Coronavirus nach Hause zu bringen", beschreibt Katja N. (Name von der Redaktion geändert) ihre Gefühle, wenn sie nun einen Supermarkt betritt. Die 36-Jährige pflegt zu Hause ihren Mann, der an Lymphdrüsenkrebs erkrankt ist. Die Diagnose kam Ende 2020. Seitdem hat sich das Leben des Paares drastisch verändert.

"Unsere erste Hausaufgabe des Arztes war: Kriegen Sie kein Corona", erinnert sich die Nürnbergerin an den einschneidenden Moment zurück. Seitdem lebt das Paar sehr zurückgezogen. Gearbeitet wird aus dem Homeoffice, Freunde werden fast nur digital per Videokonferenzen getroffen, pendeln zwischen Krankenhaus und der eigenen Wohnung ist angesagt. "Wir haben mittlerweile keinen Kontakt mehr zu Leuten ohne Masken", erklärt N. "Wir denken auch gar nicht darüber nach, zum Italiener zu gehen oder in einen Klamottenladen." Zu groß wäre die Gefahr, sich dabei mit dem Virus zu infizieren.

Doch Lebensmittel einkaufen muss jeder. Und genau dabei hat die 36-Jährige Angst, sich ohne Maskenpflicht bei anderen Menschen anzustecken und das Virus im schlimmsten Fall an ihren immungeschwächten Mann weiterzugeben, den sie täglich pflegt. Die Folgen wären drastisch: Die Chemotherapie müsste unterbrochen werden. Arztbesuche wären aufgrund der Quarantäne nicht mehr möglich. "Wir haben auch schon öfters den Abholservice von Supermärkten ausprobiert, doch da gibt es auch nicht alles, was mein Mann essen kann."

Trotz dreifacher Impfung kein vollständiger Schutz

Katja N. und ihr Partner sind zwar beide dreifach geimpft, infizieren können sie sich aber trotzdem mit dem Virus. Hinzu kommt, dass die Impfung aufgrund der Krebserkrankung von Katja N.s Mann nicht anschlägt. Wegen der hohen Inzidenzzahlen in der Bevölkerung rückt die Gefahr einer möglichen Infektion daher immer näher.

"Zumindest die FFP2-Maskenpflicht in Läden des täglichen Bedarfs hätte beibehalten werden müssen, weil es hier um die Grundversorgung der ganzen Bevölkerung geht", fordert die 36-Jährige. Die Entscheidung der Politik gegen die Maskenpflicht macht sie wütend, von den Einzelhändlern ist sie enttäuscht:. Sie könnten die Maskenpflicht immerhin per Hausrecht in ihren Läden durchsetzen. Doch das tut kaum ein Supermarkt. "Dafür würde ich bis ans andere Ende der Stadt fahren", sagt N. Auch ein zeitlich begrenzter Rahmen, in dem nur mit Maske eingekauft werden darf, bringt die Nürnbergerin als möglichen Lösungsansatz ins Gespräch. "Dann könnten vulnerable Gruppen und deren Angehörige beispielsweise am Vormittag von 8 bis 10 Uhr mit Maske einkaufen, um sich zu schützen."

"Corona-Politik der Bundesregierung ist fahrlässig"

Katja N. betont in der Debatte: "Es geht dabei nicht um mich oder ausschließlich um meinen Mann, sondern um alle Menschen, die einer vulnerablen Gruppe angehören." Dazu zählen neben Krebs- und Dialysepatientinnen und -patienten auch Menschen mit Behinderung oder chronischer Erkrankungen. Vertreten werden diese durch den Sozialverband VdK, der bundesweit 2,16 Millionen Mitglieder hat.

Auch deren Präsidentin Verena Bentele kritisiert die Lockerungen der Maßnahmen scharf: "Die Corona-Politik der Bundesregierung ist fahrlässig: Angesichts der hohen Infektionszahlen fordert der VdK, dringend grundlegende Corona-Schutzmaßnahmen wie die Maskenpflicht in Geschäften bundesweit über den 2. April hinaus zu verlängern. Viele Menschen mit einer chronischen Krankheit, einer Behinderung aber auch ältere Menschen haben Angst, angesichts von aktuell bis zu 300.000 Neuinfektionen pro Tag sich mit Corona anzustecken. Ihr Schutz muss oberste Priorität haben."

Derzeit bleibt den Betroffenen nur die Möglichkeit, abzuwarten. Bis Supermärkte aus eigener Kraft eine Maskenpflicht durchsetzen oder bis die Fallzahlen in Deutschland sinken. "Bei einer Inzidenz von 100 oder 200, könnten wir dem Alltag deutlich entspannter entgegen treten", so Katja N.

Nicht zuletzt steckt in der Diskussion um Corona-Lockerungen auch eine ethisch-moralische Komponente. Sollten sich schützenswerte Gruppen in ihrem Leben einschränken, damit der Rest der Bevölkerung wieder wie vor Corona leben kann? Oder sollte die gesamte Gesellschaft Maske tragen, um die Schwachen und Kranken zu schützen? Eine Entscheidung, die nach dem "Freedom Day" in Bayern in den Händen eines jeden Einzelnen liegt.

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