Keine Schüler: Frust in Nürnberger Jugendherberge wächst

Timo Schickler

Lokalredaktion Nürnberg

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9.12.2020, 15:44 Uhr
Schüler werden hier schmerzlich vermisst: die Jugendherberge in der Kaiserstallung hoch über Nürnberg.

© Harald Sippel Schüler werden hier schmerzlich vermisst: die Jugendherberge in der Kaiserstallung hoch über Nürnberg.

Sigrid Natterer wirkt niedergeschlagen. "Es ist alles so frustrierend", sagt die Leiterin der Jugendherberge in Nürnberg. Ihr und ihrer Herberge fehlen die Schüler. Die beleben die Kaiserstallung sonst das komplette Jahr über. Aber seit Corona fallen die vielen Klassenfahrten weg. Schon seit Monaten.

Platz für Schulen schaffen

Mitte November gibt es für Sigrid Natterer und ihre Mitarbeiter aber einen Hoffnungsschimmer. Das Deutsche Jugendherbergswerk entscheidet, dass die Unterkünfte ihre Seminarräume zur Miete als Klassenzimmer anbieten dürfen, um die Schulen zu entlasten, den Unterricht zu entzerren und die Infektionsrate zu senken. Die Herbergen sollen als "temporäre Nebenstandorte" dienen. Allein im Freistaat hätte das Bayerische Jugendherbergswerk 42 Häuser zur Verfügung.

Keine Schüler: Frust in Nürnberger Jugendherberge wächst

© Stefan Hippel

Eines davon in Nürnberg. Auch die Jugendherberge an der Kaiserburg bietet sofort Hilfe an - wie alle anderen auch, um sich selbst zu helfen. Denn die Besucherzahlen von Jugendherbergen und Hütten in Deutschland sind durch die Corona-Krise stark eingebrochen. Nach Zahlen des Statistischen Bundesamts haben die Unterkünfte im Juni 2020 etwa 83 Prozent weniger Gäste verbucht als im Vergleich zum Vorjahresmonat.

60 Berufsschüler pro Tag

Jeder Gast hilft. Wie die Berufsschüler, die bis diese Woche noch in der Jugendherberge untergekommen sind. Oder kürzlich eine Gruppe Optiker. "50 bis 60 Übernachtungen pro Werktag für Heimschülerinnen und -Schüler" hat die Berufsschule in Anspruch genommen, weiß Nürnbergs Schulreferentin Cornelia Trinkl.

Warum also nicht auch Gymnasiasten oder Hauptschüler? Natterer ist überzeugt, dass "wir den Schulklassen einen wunderbaren Lernort anbieten können". Auch wenn Wechsel- und Distanzunterricht dem Plan zunächst einen Strich durch die Rechnung machen. Aber im neuen Jahr und mit sinkenden Infektionszahlen? "Die Mitarbeiter und ich würden uns sehr freuen, wenn wir endlich wieder Leben im Haus hätten – die Schulklassen fehlen uns schon sehr, nicht nur in finanzieller Hinsicht."

Cornelia Trinkl will dem auch gar nicht widersprechen. Die Voraussetzungen für Unterricht sind in der erst 2013 frisch renovierten Jugendherberge in der Kaiserstallung sehr gut, sowohl was die technische Ausstattung als auch die Räume angeht. Und doch muss auch die Stadt sparen. Zunächst, sagt Trinkl, werden also immer freie Räume in städtischen Liegenschaften vorgezogen.


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Außerdem bestand bislang "für schulische Veranstaltungen und Unterricht nach Auskunft der pädagogischen Ämter keine Nachfrage aus den allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen". Ein Grund dafür sind die ohnehin leeren Turnhallen, die die Schulen für Prüfungen nutzen. "Für Unterricht werden außerdem Lösungen in Laufnähe benötigt." Sollte es aber von Schulen Anfragen geben, werde jede Möglichkeit geprüft.

Die Jugendherbergen müssen weiter auf Schüler warten. Aber wie lange geht das gut? Der bayerische Jugendherbergsverband hatte vor kurzem deutlich gemacht, dass wegen der Pandemie-Einbußen womöglich einzelne Häuser geschlossen werden müssen. Allein durch Klassen und Vereine, die heuer keine Übernachtungen gebucht haben, werden die Belegzahlen 2020 um mehr als die Hälfte einbrechen.

Fast alle Mitarbeiter in Kurzarbeit

Im Moment, weiß Sigrid Natterer, kommen die Jugendherbergen in Bayern noch über die Runden. "Sollten wir aber im Frühjahr keine Schulklassenbelegung und auch Familienbelegung bekommen, sind wir auf weitere Hilfen angewiesen."

80 Prozent der Mitarbeiter der Jugendherberge sind schon jetzt komplett in Kurzarbeit. "Wir arbeiten nur mit einer Notbesetzung an der Rezeption, in der Reinigung und in der Küche." Wenn die Berufsschüler diese Woche abreisen gehen bis 10. Januar erst einmal die Lichter aus.

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