Verständnis statt Verbote?

Keine „übliche Badekleidung“: Wie die Stadt Nürnberg mit dem Unterhosen-Trend in Freibädern umgeht

Georgios Tsakiridis

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31.8.2024, 08:41 Uhr
Menschenmengen planschen im Westbad.

© Roland Fengler Menschenmengen planschen im Westbad.

Es gibt sie in unzähligen Schnitten und Farben, verziert oder simpel, extravagant oder unauffällig. Gemeinsam haben sie meist eines: Sie bestehen zum Großteil aus Polyester, Elastan oder Nylon. Das bedeutet, sie sind chlorresistent, schnell trocknend und strapazierfähig. Wer es bisher noch nicht bemerkt hat: Es geht um Badehosen. Doch trotz vieler Design- und Funktionsmerkmale ist so manchem Schwimmer wohl die Optik seines Freibad-Outfits nicht stylisch genug. Vor allem unter Jugendlichen und jungen Männern lässt sich seit Jahren ein Modetrend beobachten, der jetzt die Stadtverwaltung von Bozen in Südtirol zu einem Verbot veranlasst hat.

Was in den 1990er Jahren durch Werbung als Trend begann, ist heute in vielen Freibädern angekommen: Herren der Schöpfung, die unter ihren Badehosen Boxershorts tragen. Meistens so, dass der Marken-Schriftzug zu sehen ist. Eine Verordnung soll dem jetzt Einhalt gebieten und verbietet Unterwäsche im Chlor-Pool - sowohl für Männer als auch für Frauen. Stattdessen dürfen Besucher nur noch in Bademode ins Wasser. Bademeister sollen in den letzten Wochen zahllose Schwimmer ermahnt haben, die den Dresscode nicht einhielten. Die Stadtverwaltung hat demnach sogar eine Aufklärungskampagne ins Leben gerufen, um vor allem junge Menschen über die Unterschiede zwischen Unterwäsche und Badekleidung zu informieren. Dabei sollen auch Streetworker im Einsatz sein. Wer die Badeordnung nicht beachtet, kann sogar des Freibads verwiesen werden.

Verbote auch in Nürnberg denkbar?

Ist ein solches Vorgehen auch bei uns denkbar? Diese Frage haben wir NürnbergBad gestellt. Der städtische Betrieb unterhält in Nürnberg vier Hallen- und drei Freibäder. "Wenn unsere Mitarbeiter darauf aufmerksam werden, dass jemand eine Unterhose trägt, dann wird unser Gast darauf hingewiesen, dass dies keine ‚übliche Badekleidung‘ ist und er solle diese doch bitte ausziehen", erklärt Helmut Blaß, Technischer Werkleiter bei Nürnberg Bad, mit Verweis auf den Wortlaut in der Badeordnung. Verbote würden generell nicht ausgesprochen, es gebe aber Piktogramme, die zeigen, welche Badekleidung gewünscht ist.

Aufmerksame Leserinnen und Lesern werden sich nun wundern, wie man das Einhalten der Kleiderordnung angesichts der Masse an Badegästen denn kontrollieren und Fehlverhalten sanktionieren will. Erstere Problemstellung lässt sich kaum aufklären, auf letztere antwortet Blaß aber umso klarer: "Wir haben keine ‚Sanktionen‘ – wir bieten unseren Gästen zusätzlich kostenlose, frisch gewaschene Leih-Badekleidung an. Wir setzen auf Verständnis und Einsicht – Verbote verleiten doch eher."

Das Verbot in Südtirol habe vor allem hygienische Gründe, wird Stadtrat Juri Andriollo vom Portal "Südtirol News" zitiert. Laut dem "Center for Disease Control and Prevention" ist Unterwäsche in der Regel nicht dafür ausgelegt, Wasser und Feuchtigkeit zu bewältigen. Sie soll Bakterien und andere Mikroorganismen festhalten und freisetzen, die sich im Wasser des Schwimmbeckens vermehren können. Der Hintergedanke: Eine Badehose, die vor dem Schwimmen angezogen wird, bringt weniger Bakterien ins Wasser, als eine Unterhose, die schon den ganzen Tag getragen wurde. Diese Argumentation kann der Werkleiter unterdessen nicht teilen. Der Hauptanteil von Schmutzstoffen werde "unsichtbar" über den Schweiß und abgelöste Hautschuppen eingetragen – und nicht über eventuelle verschmutzte Badekleidung oder Unterwäsche.

Neu ist die Debatte um geeignete Badebekleidung in Deutschland indes keinesfalls. Im Saarland war ein städtisches Bad erst im Jahr 2023 mit dem Vorstoß gescheitert, Männern nur noch das Tragen kurzer, enganliegender Badehosen zu erlauben, weil mit Standard-Badehosen 1,5 bis vier Liter Wasser beim Verlassen des Beckens verloren gehen sollen. Diese Menge hält Blaß für etwas hoch angesetzt, so könnten Badeshorts im Schnitt nicht mehr als einen Liter aufnehmen. Über den Tagesverlauf wirke sich das aber kaum aus, weil über die Umlaufrinnen am Beckenrand ein Großteil des Wassers aufgefangen und zurückgeführt werde. Für Fans des ikonischen Markenbund-Looks im Unterhosen-Stil ist aber nicht alles verloren: Die Modeindustrie hat längst reagiert und es sind schon seit Jahren Schwimmshorts mit angenähtem Unterhosenbund auf dem Markt.

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