Keine Unterstützung wegen Corona: So leiden pflegende Angehörige
14.8.2020, 07:51 UhrSeit 2012 kümmert sie sich zuhause um ihren demenzkranken Mann. Normalerweise bekommt sie dabei Unterstützung: An drei Tagen in der Woche wird ihr Mann dann in einer Tagespflege versorgt, außerdem kommen regelmäßig Helferinnen, Physio- und Ergotherapeuten, die Besuche von Tochter und Enkel sind ein Höhepunkt. Doch als im März Corona kam, brach all das von einem Tag auf den anderen weg.
Ganz ähnlich ist es auch Herbert Herbst gegangen. Er lebt mit seiner an Demenz erkrankten Frau zusammen in Nürnberg. Vorher, also vor Corona, sei es "ganz gut" gegangen, sagt er.
Soziale Kontakte, Gesprächsrunden für Angehörige und eine Sportgruppe gaben seinem Alltag Struktur. Im März war er plötzlich ganz allein mit seiner Frau, konnte keine Angebote mehr wahrnehmen, weil es keine mehr gab.
"Die gesamte Unterstützung ist weggebrochen", sagt Antje Jones, Geschäftsführerin der Nürnberger Angehörigenberatung. Pflegeheime nahmen keine neuen Patienten mehr auf, Tagespflegeeinrichtungen mussten schließen, Reha-Maßnahmen fielen weg, Hausbesuche ebenso. "Alles wurde von den Angehörigen gestemmt", sagt sie.
Über 60 Prozent mehr Beratungsgespräche als im Vorjahreszeitraum habe das Team der Angehörigenberatung im Zeitraum des Lockdowns durchgeführt, so Jones. Und meistens ging es in diesen Telefonaten nur um eines: die Angehörigen psychisch stabilisieren – in einer Situation, die man nicht ändern kann.
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"Einfach Mut machen", nennt Rosemarie Radl das. Sie wird selbst bald 82, ist nach einem Unfall körperlich eingeschränkt, bräuchte mal Erholung und Ruhe. Doch sie muss funktionieren: einkaufen, kochen, waschen, putzen, ihren Mann versorgen. Von morgens früh bis nachts.
Eine Dauerbelastung, die viele Angehörige an ihre Grenzen bringen kann, insbesondere wenn das erkrankte Familienmitglied herausforderndes Verhalten zeigt, zum Beispiel aggressiv wird oder die Wohnung verlässt. Sich beklagen oder jemandem zur Last fallen wollten die Angehörigen der Nachkriegsgeneration oft nicht, doch sie könnten eine solche Ausnahmesituation nicht lange alleine aushalten – "sonst haben wir am Ende zwei Kranke", sagt Barbara Kuhn, Fachberaterin der Angehörigenberatung.