Kindertanzkurs geht nur sonntags

25.1.2012, 07:59 Uhr
Kindertanzkurs geht nur sonntags

© Peter Romir

Sonntagmorgen scheint Gostenhof noch zu schlafen. Nur wenige Menschen sind unterwegs, die Straßen sind einladend frei. Doch dieser Eindruck ändert sich schnell, sobald man das Nachbarschaftshaus in der Adam-Klein-Straße6 betritt.

Im Treppenhaus herrscht reger Betrieb: Männer tragen Mikrofonständer herum, Raucher belagern das Außengelände, Väter und Mütter eilen mit ihren Kindern die Treppen hinauf oder hinunter. Über allem hängt das Plakat „Seit 30 Jahren 7 Tage offen — so soll es auch bleiben!“. Darunter Hunderte von Unterschriften.

Der erste Weg führt – dem stärksten Besucherstrom folgend – in den Keller. Dort befindet sich die Turnhalle, in der gerade ein Kurs mit traditionellen griechischen Tänzen beginnt. Hier treffen wir auf Dionysios Konstantatos von der griechischen Gemeinde, der sich spontan bereit erklärt, Übersetzer und Wegweiser durch das Haus zu sein, sowie auf Lamprini Koliofoti vom Epirus-Verein Dodoni. Sie trainiert hier jeden Sonntag mehrere Kindertanzgruppen.

Koliofoti ist sehr sauer über die geplante Schließung: „Man hat das nie mit uns besprochen: Wir haben einfach im Dezember einen Brief bekommen, in dem stand ,Ab April ist Sonntag geschlossen!‘“ Auf einen anderen Tag auszuweichen, hält sie für unmöglich: „Das sind ja alles Schulkinder und die Eltern arbeiten, da können wir uns nicht unter der Woche treffen. Auch einen anderen Ort kann ich mir nicht vorstellen. Wir sind doch schon seit 30 Jahren hier! Ich habe als Kind schon hier Tanzen gelernt und nun gebe ich es weiter. Das ist doch viel mehr als nur eine Turnhalle — das ist ein Generationen-Treff. Hier geht es doch nicht um Geld, sondern um Tradition, Würde und Werte.“

Café ist vollbesetzt

So sieht das auch Selah Nurhussen, den wir im voll besetzten Café im Erdgeschoss treffen: „Die meisten Leute hier sind Schichtarbeiter, die haben unter der Woche keine Zeit, ihre Kinder zu treffen“, meint er. „Für die Stadt ist das Haus vielleicht nur ein Gegenstand – für uns ist es ein Zuhause! Als ich aus Ostafrika hierher gekommen bin, war das der Ort, an dem ich Leute kennengelernt habe, die was im Kopf haben und die mir halfen.“

Heute will Selah selbst helfen: Er unterstützt seine Frau, die im ersten Stock Arabisch-Kurse gibt: „Etwa hundert Kinder kommen hier jeden Sonntag her – Amerikaner, Ägypter, Afrikaner. Sie lernen hier ihre Muttersprache. Das ist doch besser als fernzugucken oder auf der Straße zu sein. Mir liegt dieser Tag schon sehr am Herzen und ich finde, dass 10000 Euro kein Argument sind, wenn man sieht, wie viele Menschen hier jede Woche unbezahlt arbeiten!“

So wie Shahab Akbar vom Afghanischen Kulturverein. Er gibt ein paar Zimmer weiter Unterricht in Persisch und läuft für dieses Ehrenamt jeden Sonntag zwölf Kilometer aus Fürth nach Gostenhof: „Ich bin klar gegen die Sonntagsschließung“, erklärt er. „Das Haus ist gut für die Bevölkerung. Wenn Deutschland sparen will, soll es seine 5000 Soldaten aus Afghanistan heimholen und das Geld für die Leute hier einsetzen.“

Gleich darunter im großen Saal herrscht ebenfalls reges Treiben. Hier baut gerade die „Piraten“-Partei die Technik für ihre Bezirksversammlung auf. Wie erwartet, sind es vor allem Jungs mit Laptop und nerdigen T-Shirts, aber auch ein paar Frauen und Senioren ohne Computerbegleitung haben sich eingefunden.

„Seit dem Erfolg in Berlin bekommen wir Zulauf aus allen Schichten“, freut sich Vorstandsvorsitzender Patrick Linnert, der heute 70 Parteimitglieder erwartet. „Da wir uns nicht regelmäßig hier treffen, betrifft uns die Schließung nicht so hart wie andere Gruppen“, erklärt er. „Dennoch sind wir gegen solche unsinnigen Sparmaßnahmen. Wegen 10000 Euro! Das ist doch lächerlich!“

Linnert verweist zudem auf den Vortag, als er beim Podiumsgespräch zum Thema Sonntagsöffnung dabei war: „Da saßen hier mehr als 70 Leute über zwei Stunden lang. Wenn man sie für diese Zeit bezahlt hätte, wäre die Summe bereits zusammen — zumindest bei Stundenlöhnen wie in der IT-Branche.“

In den anderen Räumen sieht es nicht anders aus: In der Halle im Hof macht der Kulturverein aus Sri Lanka gerade einen Vormittag für Eltern zu Schulthemen. Auch hier sind sich alle einig: Das geht nur am Sonntag, wenn alle Zeit haben. An anderen Sonntagen veranstalten die Tamilen hier Kurse zu Tanz, Kultur und Musik. Anschließend kommen noch die Bulgaren, dann die Armenier...

Schließlich geht unser Rundgang zu Ende und Dionysios Konstantatos verabschiedet sich: „Sie haben in dieser Stunde jetzt sicher hundert Leute hier getroffen — und in der nächsten Stunde sind hundert neue Menschen hier und so weiter bis 18 Uhr. So viel interkulturelle, ehrenamtliche Arbeit! Da muss die Stadt doch was machen! Das darf doch nicht an einer halben Hausmeisterstelle scheitern!“

 

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