Klimawandel: Stehen im Reichswald bald Mittelmeer-Bäume?

Hartmut Voigt

Lokalredaktion Nürnberg

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19.2.2020, 05:42 Uhr

Noch bestehen Lorenzer und Sebalder Reichswald zu 80 Prozent aus Kiefer und Fichte. Doch diese Nadelhölzer haben wenig Zukunft. Der Umbau der "grünen Lungen" hat daher begonnen. Im Gespräch für Neupflanzungen sind neben Eiche und Buche auch nicht-heimische Arten wie Schwarzkiefer, Esskastanie oder Douglasie.

Zusätzlich zum riesigen Reichswald rund um Nürnberg gibt es auch Stadtwäldchen mit insgesamt 210 Hektar, für deren Pflege der Tiergarten zuständig ist. Größere Areale sind in Erlenstegen, daneben verteilen sich die Baumgruppen über die ganze Stadt: von Worzeldorf/Eibach bis nach Buch und Neunhof.

Düsteres Szenario für den Reichswald

Zoo-Mitarbeiter Gerd Schlieper weist mit dem Finger auf eine Wald-Bestandskarte der Stadt und entwirft ein düsteres Szenario: "Die Fichten sind alle dürr, alle kaputt, die Kiefern gehen in den nächsten zehn Jahren abrupt weg." Seine Mitarbeiter kämen mit dem Ausholzen nicht mehr nach. Es sei nicht möglich, alles mit Schädlingen befallene Totholz aus den städtischen Wäldchen zu ziehen. "Wir schaffen das nicht. Wir haben zu wenig Personal, uns fehlen geeignete Traktoren, Seilwinden und größere Krane."

Die wichtigste Aufgabe seines Tiergarten-Teams ist — als Ergänzung zum Service öffentlicher Raum — die Verkehrssicherungspflicht auf insgesamt 67 Kilometern Länge im Stadtgebiet: Schließlich darf kein absterbender Baum auf eine Straße, auf ein Haus am Waldrand oder auf das Freizeitgelände am Dutzendteich fallen.

Auch Buchen leiden unter Wassermangel

Bisher ist Schlieper davon ausgegangen, dass Ahorn und Buche resistenter gegen den Klimawandel sind, aber: "Jetzt sehen wir, dass auch sie unter der Hitze und dem Wassermangel leiden." Der 55-Jährige nennt als großes Plus, dass man bereits vor 30 Jahren mit dem Waldumbau auf mehr Laubbäume hin begonnen hat. Die jetzige "Umstrukturierung" wird allerdings weitere Jahrzehnte brauchen.


Wie der Reichswald unter der Trockenheit von 2018 leidet


Viele Wissenschaftler und Waldbesitzer glauben nicht, dass die Erderwärmung bei zwei Grad Celsius plus als Höchstgrenze zu stoppen ist. Man müsse den Wald in Zeiten eines nicht mehr abwendbaren Klimawandels für zwei bis vier Grad höhere Temperaturen stabil und zukunftsfähig machen, heißt es.

Dies unterstreicht auch Johannes Wurm, Leiter des Forstamts Nürnberg der Bayerischen Staatsforsten: "Im Jahr 2018 lagen die Durchschnittstemperatur für Nürnberg bei 10, 4 Grad Celsius, früher bei 8,5 Grad. Das sind jetzt schon knapp zwei Grad mehr." Es habe zwar 2019 "ein bisschen mehr Regen" gegeben, doch die Bäume leiden unter Trockenstress.

Wurm sieht es als wesentlichen Vorteil, dass der neue Reichswald unter dem Schutzschirm der alten, großen Kiefern und Fichten aufwachsen kann. Ohne diese wären die kleinen Setzlinge im Sommer direkt der brennenden Sonne ausgesetzt.

Bund Naturschutz äußert Kritik

Der Forstamtsleiter beschwichtigt: "Das Absterben der großen, alten Kiefern klingt momentan etwas ab." Trotzdem müsse man den Waldumbau mit hiesigen wie auch nicht-heimischen Arten voranbringen und auch experimentieren. Gleichzeitig sieht Wurm die Notwendigkeit, den heutigen Reichswald so lange wie möglich zu erhalten: Schließlich schafft die grüne Lunge ein gesünderes Klima für die Stadt, trägt viel zu Lärm- und Wasserschutz bei und ist ein wichtiger Kohlenstoffspeicher.

Den Einsatz nicht-heimischer Baumarten hält der Bund Naturschutz dagegen für einen "Irrweg". Man wisse nicht, ob sich die südfranzösische oder nordkroatische Flora so einfach nach Mittelfranken verpflanzen lässt. Die Bäume kämen vielleicht mit Hitze und Trockenheit besser zurecht. "Aber halten sie auch die hiesigen Winterfröste aus?", fragt BN–Waldreferent Straußberger. Er spricht von einer "fragwürdigen Strategie", mit diesen Pflanzungen ein wärmeres Klima des Jahres 2100 vorwegnehmen zu wollen. Denn diese mediterranen Bäume müssten auch längere Kälteperioden ertragen.


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Ein weiterer Grund, warum der BN den großflächigen Einsatz nicht-heimischer Gehölze ablehnt, liegt in der Fauna: Hiesige Insekten und Käfer kämen nicht mit den ungewohnten Arten zurecht. Der Waldreferent nennt als Beispiel die Roteiche, die von vielen Insekten gemieden werde.

Die Bayerischen Staatsforsten müssten nach Meinung des BN außerdem viel stärker ihr eigenes Vorgehen im Ökosystem Wald hinterfragen: "Oft wird der Wald viel zu stark aufgelichtet, so dass vereinzelt stehenbleibende Bäume viel stärker durch die Sonne angreifbar sind".


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