"Kneipe? Mit 70 Jahren schaffe ich das nicht mehr"
10.1.2013, 03:00 UhrFrau Schmidt, bevor Sie sich 2009 aus der Politik zurückgezogen haben, sprachen sie öfters einmal davon, im Ruhestand eine eigene Kneipe eröffnen zu wollen. Was ist aus den Plänen geworden?
Schmidt: Diese Pläne stammen aus meiner fortgeschrittenen Jugendzeit. Nun bin ich bald 70 Jahre alt, das schaffe ich nicht mehr. Es ist einfach zu anstrengend: Wenn man eine Kneipe eröffnet, muss man auch für sie da sein und mindestens sechs Tage in der Woche dafür arbeiten.
Noch heute haben Sie zahlreiche Ehrenämter inne, dazu kommen ein Ehemann, drei Kinder und vier Enkel. Haben Sie manchmal das Gefühl, dass Sie nicht alles 100-prozentig erledigen können?
Schmidt: Meine Kinder und Enkelinnen würden sich bedanken, wenn ich sie nun plötzlich dauernd bemuttern würde. Das wäre etwas komisch. Außerdem haben sie ja selbst alle ganz volle Terminkalender, so dass ich froh bin, wenn meine Bitte um Audienz einmal erhört wird (lacht). Im Sommer verreise ich immer knapp eine Woche mit den beiden Jüngsten, bei den Familienfesten sieht man sich, und mehr muss in meinen Augen auch nicht sein. Also ich habe im Moment überhaupt nicht das Gefühl, das irgendetwas zu kurz kommt: Was meinen Mann angeht, da hat die Zweisamkeit ebenso ihren Platz wie seine und meine Arbeit. Wir müssen nicht immer zusammenhängen.
Ist Ihr Terminkalender immer noch „rappelvoll“?
Schmidt: Naja, es gibt Wochen, die ich mir gezielt frei halte, um gemeinsam mit meinem Mann auf Lanzarote zu sein oder irgendwo anders hin verreisen zu können. Und ich habe Monate, in denen ich nach wie vor jeden Tag mehrere Termine habe und in der ganzen Republik unterwegs bin. Aber heute kann ich mir aussuchen, was ich mache und nehme nicht mehr alles wahr, was mir angetragen wird. Sie sagten einmal, Sie hatten 2005, als Sie Ihr Ministeramt verloren, die Angst, von 180 auf null abzustürzen.
Haben Sie sich vor stillen Momenten gefürchtet?
Schmidt: Nein, eigentlich nie. Stille Momente gibt es in jeder Tätigkeit und die braucht man zwischendrin auch einmal. Aber die Wahlen 2005 waren ja vorgezogen und ich war nicht vorbereitet: Ich habe nicht daran gedacht, dass meine Tätigkeit als Ministerin so früh enden könnte. Daher: Wenn ich mir im Rückblick vorstelle, dass ich im Oktober 2005 komplett aus der Politik ausgestiegen wäre, dann wäre das für alle Beteiligten nicht gut gewesen.
Sie wurden relativ jung Mutter. Hatten Sie dadurch jemals das Gefühl, etwas verpasst zu haben?
Schmidt: Nein, das Gefühl hatte ich dank der Unterstützung meiner Mutter, Großmutter, Schwiegermutter, Schwester und meinem Mann nie. Natürlich hatte ich mit dem Kind eine größere Verantwortung, aber ich habe nichts verpasst und nichts versäumt. Das WG-Leben habe ich nachgeholt, als ich 1984 viel zu früh Witwe geworden bin und mein Sohn mit seiner Freundin wieder bei mir eingezogen ist. So habe ich mit ihnen, meinem jüngeren Sohn und dessen Freund zusammen in einem Haus gelebt und die WG-Zeit in vollkommen anderer Form in reiferem Alter nachgeholt.
Sie sprachen gerade den Tod Ihres ersten Ehemannes an. Hat dessen Tod in irgendeiner Form Einfluss auf Ihr späteres Handeln genommen?
Schmidt: Sein Tod war in meinem Leben als erwachsener Mensch der größte Einschnitt überhaupt. Mein Mann und ich waren 23 Jahre lang verheiratet. Als er gestorben ist, empfand ich das wie eine Amputation. Ich konnte in der Zeit danach zum Beispiel keine Rede im Bundestag halten. Ich hielt das nicht aus und hatte sogar überlegt, mit der Politik aufzuhören. Doch als ich meine Mitte wieder gefunden hatte, habe ich mich ohne große Rücksicht auf andere sehr viel stärkerer in der Politik engagiert, als ich es wahrscheinlich ohne diesen Schicksalsschlag getan hätte.
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