Kommentar: Der Oster-Lockdown - ein verzweifelter Versuch

Alexander Jungkunz

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23.3.2021, 07:21 Uhr
Auftritt nach einer langen Sitzung: Bundeskanzlerin Angela Merkel, Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder verkünden die Beschlüsse des Corona-Gipfels. 

© Michael Kappeler, dpa Auftritt nach einer langen Sitzung: Bundeskanzlerin Angela Merkel, Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder verkünden die Beschlüsse des Corona-Gipfels. 

Diese Beschlüsse sind ein Armutszeugnis einer Politik, die mit den erschütternden Resultaten ihrer meist zu halbherzigen Corona-Maßnahmen konfrontiert wird.

Zu viele Versäumnisse und Fehler

Weil bisher nicht mal zehn Prozent der Bevölkerung geimpft sind, weil die Schnell- und Selbsttests oft nur angekündigt, aber nicht praktiziert werden, weil der Mut für fantasievolle Öffnungsregeln fehlt, weil die digitale Nachverfolgung per App nicht funktioniert – deshalb blieb der Nacht- Marathon-Sitzung nur (und wieder mal) das Mittel des Lockdowns.

Es ist der Sieg der "Fraktion Vorsicht" über die Lockerungs-Befürworter. Die Argumente der Virologen haben sich durchgesetzt. Denn die Inzidenz steigt seit dem komplizierten Wenn-Dann-Öffnungsbeschluss von vor drei Wochen ziemlich exakt so, wie es Dauer-Mahner wie Karl Lauterbach prognostizierten.

Die Intensivstationen werden wieder voller

Die Intensivstationen füllen sich. Wir betrauern allein in Bayern 13 000 Corona-Tote, Tendenz weiter steigend. Daher die stillen Tage um Ostern: Das simple Rezept der Kontaktbeschränkung soll die Infektionen nach unten zwingen.

Das ist auch das Eingeständnis, dass die Lockerungs-Beschlüsse zu früh kamen: Die Politik glaubte, es müsse wegen des wachsenden Unmuts zwingend Lockerung geben. Wohl ein riskanter Trugschluss.

Eine Mehrheit plädiert für mehr Vorsicht

Denn danach stiegen die Zahlen, zu Lockerungen kam es kaum. Und: Ja, in den Umfragen wächst der Unmut über die Politik. Es gab aber stets eine Mehrheit, die für das Prinzip „Mehr Vorsicht“ plädiert.

Das kommt nun. Mit etlichen Härten, Risiken und unlogischen Schritten. Zurückgefahrene Einkaufsmöglichkeiten erhöhen die Gefahr von überfüllten Läden am Karsamstag. Der freie Gründonnerstag fordert Arbeitgeber und Beschäftigte heraus. Und warum nur eine Bitte an die Kirchen, digitale Formate anzubieten?

Paradoxe Regelungen beim Tourismus

Kein Inlandstourismus, nicht mal in Ferienwohnungen oder Wohnmobilen – aber die Möglichkeit, nach Mallorca zu fliegen: paradox. Und Merkels Satz, doch bis Jahresende auf Reisen zu verzichten, offenbart eine abgrundtiefe Menschenferne.

Im Tale grünet“, um mit Goethe zu sprechen, an diesem Ostern noch kein „Hoffnungsglück“. Die Politik setzt aufs Gegenteil der Goetheschen Lebensfreude: „Hier bin ich Mensch, hier darf ich‘s noch nicht ganz sein.“

Es ist eine Wette: Es ist eine Wette: Durchhalten und weitgehend dichtmachen an Ostern, damit es danach Hoffnung gibt. Die Virologen halten dies für richtig. Hoffentlich behalten sie Recht.

Mehr Impf-Tempo, mehr Fantasie, bitte!

Dazu braucht es aber endlich all das, was zuletzt durch die erschreckende Unfähigkeit der deutschen föderalen Bürokratie und Verantwortungs-Verschieberei ausgebremst wurde. Mehr Impf-Tempo, mehr Fantasie für kluge Öffnungskonzepte nach Ostern etc.

Sonst nämlich steigen Unmut, Frust, ja Verzweiflung weiter. Der Oster-Lockdown wirkt wie der verzweifelte letzte Versuch einer schlingernden Politik, wieder Fuß zu fassen. Es wäre fürs Land gut, würde er tatsächlich gelingen.

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