Kommentar zu Schulübertritten: Gebt den Elternwillen frei
12.3.2021, 06:00 UhrDas Verschieben von Prüfungsterminen oder das Nachjustieren von 22 Proben für das Übertrittszeugnis auf jetzt 14 und sogar darunter zeigt: Die Bildungspolitik wird langsam zur Farce. Eltern und Lehrkräfte wissen es längst, Politiker auch – aber sie müssen es nun endlich zugeben: Dieses Schuljahr ist gemessen an gewohnten Maßstäben nicht mehr zu retten. Es ist ein Ausnahmeschuljahr und muss auch so behandelt werden.
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Deshalb fordern nicht nur Bayerns Eltern- und Lehrerverbände, sondern mittlerweile auch Politiker und darunter sogar CSUler wie der Ortsverband Mühldorf: Nehmt den Notendruck und gebt den Elternwillen frei.
Warum den Notendruck nehmen? Noten geben eine vorab klar definierte Rückmeldung über Geleistetes und schaffen damit Vergleichbarkeit. Voraussetzung ist: Der Zugang zu den Lerninhalten ist für alle gleich.
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Das ist aber mitnichten so. Je länger am gewohnten System festgehalten wird, desto größer wird die Bildungsungerechtigkeit. Sie basiert auf unterschiedlichen technischen Voraussetzungen, unterschiedlichen Fähigkeiten der örtlichen Lehrkraft, unterschiedlichem (zeitlichen, sprachlichen, qualitativen) Vermögen der Eltern, unterschiedlichen räumlichen Verhältnissen. Auf dieser Basis sind Noten sinnlos. Wie funktioniert Vergleichbarkeit, wenn etwa Nürnberg seine Schulen wieder schließen muss (und keine Proben geschrieben werden können), Erlangen aber nicht?
Das Notensystem versagt
Das Übertrittszeugnis wird am 7. Mai vergeben. Im April starten die Realschulen mit der ersten Abschlussprüfung. Im Mai machen sich FOS, BOS und Gymnasium ans Abitur. Können wir uns auch nur annähernd vorstellen, welchem Stressfaktor Kinder und Jugendliche ausgesetzt sind?
In diesem Ausnahme-Schuljahr versagt das gebräuchliche Notensystem, um über die Bildungswege von Kindern und jungen Erwachsenen zu entscheiden. Die Regierung muss endlich den Mut finden, bislang Unerhörtes zu wagen: Kinder können das Schuljahr freiwillig wiederholen, ohne dass es angerechnet wird; Eltern treffen nach einem Empfehlungsgespräch mit der Lehrkraft die Entscheidung, auf welche weiterführende Schule ihr Kind geht; Experten denken unter der Regie des Kultusministeriums über alternative Bewertungssysteme abseits von Leistungsabfragen nach. Die Reformpädagogik bietet ausreichend Ansätze dazu.
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Und, das ist sehr wichtig: Schulen werden mit der Umsetzung nicht wieder alleine gelassen.
Ja, das ist ein Kraftakt. Er setzt den Willen für konstruktive Zusammenarbeit und kreative Lösungen voraus. Und das Einbinden von Sachverstand. Aber genau das darf von einer verantwortungsbewussten Regierung mit Führungsqualitäten in Krisenzeiten erwartet werden.
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