Digitalisierung
Kommt bald der Livestream aus dem Feuerwehrhaus?
19.6.2021, 15:38 UhrUdo Nowotny sitzt in seinem Arbeitszimmer. Auf seinem Bildschirm kann er in eine Küche, ein Schlafzimmer und ein weiteres Arbeitszimmer blicken. Er ist Mitglied bei der Nürnberger Regionalgruppe des Kinderhilfswerkes terre des hommes (TDH). Seit Januar ist er hier aktiv, persönlich getroffen hat er seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter noch nicht.
30 Jahre hat Nowotny im Klassenzimmer über Kinderrechte aufgeklärt, nun kämpft der pensionierte Lehrer aus Altheim (Kreis Neustadt/Aisch – Bad Windsbach) via Zoom weiter.
Prof. Doris Rosenkranz von der Technischen Hochschule Nürnberg forscht im Bereich bürgerschaftliches Engagement. In Bayern engagiert sich jeder Zweite ehrenamtlich, nicht grundlos, wie Rosenfeld weiß: „Leute verschenken durch ein Ehrenamt Zeit, in der sie Gutes tun wollen.
Dafür möchten sie etwas zurückbekommen. Nicht etwa Geld, sondern Geselligkeit.“
Menschen vernetzen, ohne tatsächlich mit ihnen zusammenkommen zu können, das ist die große Herausforderung beim digitalen Ehrenamt. Auch Udo wäre es lieber, wenn er sich bald persönlich mit seiner Gruppe treffen und die geplanten Aktionen in die Tat umsetzen könnte. „Die digitalen Treffen ermüden einfach viel schneller“, erklärt er. Allerdings hat er auch die Vorteile erkannt. Termine macht er mit seiner Arbeitsgruppe per Doodle aus, per WhatsApp werden spannende Veröffentlichungen geteilt und durch regelmäßige Online-Seminare der Dachorganisation kann er seine Regionalgruppe auf dem Laufenden halten. „Ich sehe das wie eine Perlenkette: Eine Perle ist das Digitale, das sind die Dinge die man vorbereiten kann. Die andere Perle ist das persönliche Zusammenkommen und Umsetzen von Aktionen. Es braucht beides“.
Mittlerweile gibt es bereits komplett digitale Ehrenämter, zum Beispiel bei der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA. Dort kann sich jeder melden, der vom heimischen Laptop aus Weltraumquadranten beobachten und auswerten möchte. Gerade bei jüngeren Menschen werden diese digitalen Formen des Ehrenamtes immer beliebter. Denn: „Bei ihnen ist oft nicht die Geselligkeit der zentrale Aspekt des Engagements, sondern die Möglichkeit neue Kenntnisse zu erwerben und auch bestätigt zu bekommen“, erklärt Expertin Rosenkranz.
Mitmachen kann digital jeder
Ein weiterer Vorteil des digitalen Ehrenamtes: Menschen, die nicht mehr mobil sind, können mitmachen. „In den Niederlanden gibt es gute Erfahrungen mit einem Patensystem für chronisch Kranke, die ihre eigenen vier Wände nicht mehr verlassen können“, erklärt Rosenkranz. Durch das digitale Patenprojekt können so Erfahrungen ausgetauscht werden. Auch die Entfernung spielt oft eine Rolle. Auch der Altheimer Nowotny spart sich durch Zoom momentan fast eine Stunde Autofahrt, um an den Treffen der Nürnberger TDH-Gruppe teilzunehmen.
Digitale Feuerwehrübung
Es gibt aber auch Bereiche, in denen sich das Ehrenamt nur schwer in den digitalen Raum verlegen lässt. Ein Beispiel dafür ist die Freiwillige Feuerwehr. Patrick Vogt hat das Kommando über einen Löschzug in Almoshof im Nürnberger Norden.
Aufgrund der Pandemie darf die Wehr derzeit nur im Einsatzfall zusammenkommen. Die Mitglieder treffen sich allerdings zu verschiedenen Ausbildungen vor dem Bildschirm.
„Das war anfangs echt kompliziert, einige Kameraden haben sich schwer getan“, erklärt Vogt. „Online kann man eben nicht alles vermitteln, bei der Ausbildung muss man die Geräte auch mal selbst in die Hand nehmen können.“ Es gebe aber auch Inhalte wie das Thema Digitalfunk, die eigneten sich ideal für den Online-Unterricht. Vogt hat die positiven Aspekte der digitalen Übungen erkannt.
„So können auch Studierende, die aus Almoshof wegziehen, weiter an Bord gehalten werden“, erklärt er. Auch Mitglieder im Schichtdienst könnten digital häufiger teilnehmen. „Wir überlegen deshalb, auch nach der Pandemie die Inhalte über interne Clouddienste direkt aus dem Feuerwehrhaus zu streamen und abrufbar zu machen.“
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Wie viele Menschen ihr Ehrenamt in der Corona-Pandemie aufgegeben haben, steht derzeit noch nicht fest. Allerdings gebe es laut Rosenkranz bereits Rückmeldungen, dass vor allem ältere Freiwillige durch die Kontaktbeschränkungen abgehängt wurden, auch, weil digitale Alternativen unzugänglich waren. Allerdings gibt es laut Rosenkranz Hoffnung: Auf Facebook sei die am schnellsten wachsende Usergruppe die der über 70-Jährigen. Die Fähigkeiten der Ehrenamtlichen verändern sich, dadurch werden die Möglichkeiten vielfältiger. Für Rosenkranz ist klar: „In Zukunft muss Ehrenamt auch digital sein.“
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