Konfliktfeld Knoblauchsland: Gemüsebau stößt an Grenzen
24.4.2014, 05:58 UhrDer Antrag eines Landwirts auf ein drei Hektar großes Gewächshaus brachte auf den Tisch, was sich seit Jahren zu einem immer drängenderen Problem auswächst: Kommt die professionelle Landwirtschaft in der Stadt an ihre Grenzen?
Helmut Wolf bringt das Dilemma auf den Punkt: „Jeder will Knoblauchsländer Gurken“, sagt der Geschäftsführer des Bayerischen Bauernverbands (BBV) Nürnberg, „aber die Gewächshäuser vor der Haustür, in denen sie wachsen, will niemand.“ Die Stadt hat, wie berichtet, dem Bau des Gewächshauses zwischen Kraftshof und Neunhof einen Riegel vorgeschoben und einen Bebauungsplan eingeleitet, um die Fläche neu zu ordnen. Weshalb sich die Stadt gezwungen sah, gegenzusteuern: Der Glasbau würde die bislang freie Sichtbeziehung zwischen dem Irrhain bei Kraftshof und dem Schloss Neunhof durchbrechen – damit wird die Historie des Knoblauchsland empfindlich berührt.
Die schnellste Lösung des Problems wäre ein Landtausch: Von städtischer und privater Seite wird ein gleich großes Gebiet bestehend aus vielen zusammenhängenden Flächen zur Verfügung gestellt. Allerdings müsste mit sämtlichen Eigentümern ein Einvernehmen erzielt werden. Das scheint derzeit unmöglich – viele Köche verderben den Brei.
Neben dem Bebauungsplan, der Jahre in Anspruch nehmen kann, will die Stadt eine weitere Möglichkeit nutzen, langfristig einzugreifen: Unter Berücksichtigung landwirtschaftlicher, kultureller und ökologischer Gesichtspunkte soll in Zusammenarbeit mit möglichst allen Beteiligten aus Verwaltung, Verband und Bürgervereinen ein Entwicklungskonzept für das Knoblauchsland erstellt werden. Im Mittelpunkt stehen die Fragen: Wohin entwickelt sich die Landwirtschaft, die Bevölkerung, der Flughafen, das Naherholungsgebiet?
Strukturwandel der Landwirtschaft
Seit vielen Jahren beobachtet und begleitet Katharina Sieling vom Stadtplanungsamt den Strukturwandel der Landwirtschaft im Knoblauchsland hin zu einer Intensivierung und Spezialisierung. Früher, sagt Sieling, waren die Gewächshäuser höchstens vier Meter hoch und 3000 Quadratmeter groß. Jetzt sind sie acht bis neun Meter hoch, und ihr Umfang hat sich mit bis zu drei Hektar verzehnfacht. Was vor allem an einer ausgefeilteren Belüftungs- und Bewässerungstechnik liegt, deren Investition sich rechnen muss, darum auch die Größe.
Die Bauern müssen konkurrenzfähig bleiben, was angesichts der klein-strukturierten Flächen und der Begrenzung durch die Städte Nürnberg, Erlangen und Fürth sowie den Flughafen eine Herausforderung ist. 1200 Hektar groß ist laut Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten die Gemüsebaufläche im Knoblauchsland (Stand: Dezember 2012). In der Pfalz, dem größten geschlossenen Freiland-Anbaugebiet in Deutschland, standen im Jahr 2010 18.000 Hektar für Gemüse und Obst zur Verfügung. „Wenn wir nur auf Freiland setzen, gehen wir alle miteinander unter“, sagt Michael Brückner. Der CSU-Landtagsabgeordnete ist nicht nur BBV-Kreisobmann, sondern selbst Landwirt. „Das Besondere des Knoblauchslands ist, dass wir so breit aufgestellt sind.“
Von den 190 Betrieben sind rund 20 reine Freilandbetriebe, und das laut Brückner mit Erfolg. Doch das Geschäft würde weit weniger gut laufen, wenn sich alle auf Salat und Kohl beschränken. Tomaten und Gurken können aber nur dank der Gewächshäuser angeboten werden, was der Vielfalt der Marke Knoblauchsland zugute kommt. Entsprechend, schlussfolgert Brückner, tragen Gewächshäuser dazu bei, dass der Freilandanbau und damit das Gemüseanbaugebiet Knoblauchsland insgesamt erhalten bleiben. Brückner betreibt selbst zwei Gewächshäuser, knapp drei sowie zwei Hektar groß.
Drei Gründe sprechen für Gewächshäuser
Er nennt zwei weitere Gründe, die für Gewächshäuser sprechen: erstens die angenehmeren Arbeitsbedingungen. Drinnen ist man nicht der Witterung ausgeliefert, außerdem muss man kaum noch gebückt arbeiten.
Entsprechend attraktiv sind diese Arbeitsplätze auch für nicht qualifizierte Halbtagskräfte, vor allem für Frauen aus der Region. Der zweite Grund ist grundsätzlicher Natur: Was wird aus dem ländlich-dörflichen Charakter des Knoblauchslands, wenn die Bauern, weil sie nicht expandieren dürfen, dem Beispiel des Scherzer-Betriebs folgen und außerhalb investieren?
Im November 2013 hat die Familie Scherzer bei Dinkelsbühl auf sieben Hektar die bayernweit größte Gewächshausanlage in Betrieb genommen. Der Wegzug war notwendig, weil keine freie Fläche in der Größe zur Verfügung gestanden habe, wird Geschäftsführer Stefan Scherzer in einem Bericht der „Nürnberger Nachrichten“ wiedergegeben. Was aber wird aus der landwirtschaftlichen Nutzfläche, wenn darauf kein Gemüse mehr wächst?
Eine Verlagerung ins Umland wolle man seitens der Stadt „nicht forcieren“, betont Stadtplanungsamts-Chef Siegfried Dengler. „Aber wir werden auch nicht tatenlos zusehen können, dass das Gebiet wild durcheinander zugebaut wird.“ Der Druck auf die Fläche wird größer, die Nutzungskonflikte nehmen an Schärfe zu. Konrad Schuh, CSU-Stadtrat und Vorsitzender der Neunhofer Bürgergemeinschaft, wirft der Stadtverwaltung Schwerfälligkeit vor.
Er hofft darauf, dass mit dem bevorstehenden Amtsantritt des neuen Baureferenten Daniel Ulrich wieder Bewegung ins Spiel kommt. Das könnte passieren. Denn zufällig wurde der Startschuss für das Entwicklungskonzept Knoblauchsland ebenfalls auf den 1. Mai gelegt.
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