Kult & Krempel: Die Schreibmaschine wird noch gebraucht
24.02.2010, 00:00 Uhr
Die Schreibbüros großer Unternehmen gehören der Vergangenheit an. Nicht nur in den Büros steht auf nahezu jedem Schreibtisch ein hochmoderner Rechner, beherrscht nur noch das Geräusch moderner Tastaturen schreibendes Geschehen. Zunächst war es noch dumpf, hohl und schwer, mittlerweile ist es kaum mehr hör- und spürbar.
Doch das war alles einmal anders. Massive Typenhebel schlugen Buchstaben durch Farbbänder in ein um eine Walze gespanntes Papier. Die Buchstaben meist in gleichem Abstand mit einem Schriftbild, das den Jüngeren unter uns nur noch durch die Schriftart «Typewriter» bekannt sein dürfte. Am Ende der Zeile warnte ein lautes «Tschring» vor dem Zeilenumbruch.
Anfang des 18. Jahrhunderts wurde wohl die erste Schreibmaschine gebaut; folgt man einer nostalgisch passenden Ausgabe des Brockhaus von 1968, dann baute 1866 der Österreicher Peter Mitterhofer die erste mit Typenkorb und Schreibwalze. 1873 wurde sie dann erstmals in größeren Stückzahlen hergestellt - vom Waffenhersteller Remington in den Vereinigten Staaten.
Der Ursprung war eine Schreibhilfe für Blinde
Dann trat das ursprünglich als Schreibhilfe für Blinde konzipierte Gerät seinen Siegeszug durch die Welt an, wurde technisch immer ausgereifter, irgendwann elektrisch. Ende der 1980er Jahre hatte sie ihren Höhepunkt erreicht; es gab Schreibmaschinen mit Bildschirm, später mit Massenspeicher ausgestattet, in denen ganze Texte abgelegt werden konnten. «Und vor allem konnte man dann sehen, was man geschrieben hatte – bevor man es tatsächlich geschrieben hatte», sagt Monika Kistner (62), die in ihrem Berufsleben die gesamte Entwicklung hin zum PC mitgemacht hat.
Erste Schreibversuche machte sie noch auf einer rein mechanischen Schreibmaschine in der Firma ihrer Schwester. Im späteren Berufsleben waren die Maschinen dann aber schon elektrisch. «Deswegen aber nicht praktischer – aus heutiger Sicht», erzählt sie. «Verglichen mit den PC war Schreibmaschine schreiben fast schon Horror.»
Ein Brief beispielsweise: «Hinein zum Chef zum Diktat, dann an die Maschine und eine grobe Version geschrieben. Danach erste Korrekturen und das Schriftstück zum zweiten Mal verfasst. Dann wieder zum Chef, dem mit Sicherheit selbst noch Änderungen einfielen.» Hinzu kam, dass die Schriftstücke ja auch ohne sichtbare Fehler sein mussten. «Nicht nur die Personalabteilungen beurteilten Schriftstücke, indem sie sie gegen das Licht hielten und so auch die gut ausgebesserten Fehler sahen», so Kistner. «Die moderne Textverarbeitung hat das schon sehr erleichtert.»
Auf die Schreibmaschine verzichten wollte trotz allem erst einmal niemand. Zu einfach und zuverlässig ist ihr Konzept, und vor allem – wenn man mal vom Strombedarf der moderneren absieht – sind sie unabhängig von den Irrungen moderner Computertechnik immer einsetzbar. Unschlagbar war sie noch bis Ende der 1990er Jahre, wenn es um Formulare, oft mit mehreren Durchschlägen ausgestattet, ging.
Und das ist sie heute noch, fristet ihr Dasein neben den hochmodernen, mit aller Welt vernetzten Rechnern. In einer Abteilung eines großen Industrieunternehmens in der Nürnberger Südstadt zum Beispiel. Dort stehen auf den Schreibtischen der Mitarbeiter in der Export-Fakturierung neben Flachbildschirmen und Farblaserdruckern auf ergonomisch höhenverstellbaren Schreibtischen noch hellgraue Schreibmaschinen, unverändert seit über zwanzig Jahren. Der Aufkleber des Büromittellieferanten trägt noch die alte vierstellige Postleitzahl. Einen Raum weiter surrt der Netzwerkverteiler in einem kleinen Serverschrank.
«Wir brauchen die Maschinen zwar nicht mehr so oft wie früher, ausgedient haben sie aber noch nicht», erklärt dort die Mitarbeiterin Patricia Zeiher. Nach 20 Jahren Arbeitsleben verwendet sie noch täglich dieses heute archaisch anmutende Schreibwerkzeug. «Im Exportgeschäft gibt es noch spezielle Formulare, wie das CMR (Frachtbrief für den internationalen Güterverkehr), die wir ausfüllen müssen», erklärt sie, «und das geht am einfachsten mit der guten alten Schreibmaschine.»
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