Für Frustration keine Zeit
"Lächerlichkeit der Bundesregierung": So lief die Klima-Demo in Nürnberg
24.9.2021, 16:33 UhrVon einem tristen Bild an einem bewölkten Freitag keine Spur. Dem, der mittags nichtsahnend zwischen Wöhrder Wiese und Innenstadt unterwegs war, bot sich ein bunter Anblick aus Fahnen, Transparenten und Pappschildern. Ein kurzer Blick in die Menge genügt, um festzustellen: Ausschließlich jugendlich sind die Aktivisten hier nicht.
Zum achten globalen Klimastreik hatte in Nürnberg neben Fridays for Future (FFF) erneut ein breites Bündnis von Umweltvereinen, kirchlichen Vereinigungen und Gewerkschaften aufgerufen. Im Zentrum der weltweiten Demonstrationen stehen die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens und die Aufforderung an Regierungen nach effektiver Klimapolitik.
Start- und Endpunkt der sechs Kilometer langen Laufdemo durch die Innenstadt war am Wöhrder Talübergang. Auch am Klimacamp, das nach Wunsch der CSU-Stadtratsfraktion aufgelöst werden soll, wurde protestiert. Dort kamen nach Polizeiangaben 1900 Teilnehmer unter dem Motto #AllefürsKlima zu Auftakt- und Abschlusskundgebung zusammen. Nach Veranstalterangaben nahmen 7000 Menschen am Klimastreik teil.
Lächerlichkeit nicht zu überbieten
Fabia Klein (19), Pressesprecherin von FFF, ist empört: "Wir gehen auf die Straße, weil die Lächerlichkeit der Bundesregierung in Sachen Klimaschutz nicht zu überbieten ist." Für sie ist klar, nach unzähligen Streiks sei keine echte Besserung in Sachen Klimapolitik in Sicht. Sie gibt aber auch zu: "Für uns, die seit zweieinhalb Jahren demonstrieren, ist das einfach nur frustrierend." Als sie zu Demobeginn als eine der Ersten ans Mikrofon tritt, hat sich der Frust zu Ärger gewandelt: "Ich bin wütend, dass ich gerade für gerechte Klimapolitik streiken muss und deshalb nicht in der Schule sein kann!"
Petra (62) und Dag Lindström (75) sind heute speziell für den Klimastreik nach Nürnberg gereist. In Neumarkt sei meistens nicht so viel los und in München waren sie bereits auf der Demo, deshalb ging es dieses Mal nach Nürnberg. Von der kommenden Bundestagswahl erhoffen sie sich grundlegende Veränderungen. "Es braucht zum Beispiel eine Verkehrswende. Diese Massen an Autos müssen mindestens halbiert werden", führt Petra Lindström aus.
Vom Engagement der jungen Leute ist Ursula Burk (69) begeistert. Wenn sie hingegen in ihr eigenes Umfeld blickt, ist sie schockiert: "Die meisten Bekannten in unserem Alter sind sich der Gefahr der Klimakrise überhaupt nicht bewusst." Die bevorstehende Wahl habe für ihren Mann Heinz (72) und sie keine große Rolle gespielt. "Dass wir ein paar Unentschlossene durch die Demo überzeugen können, kann ich mir aber vorstellen und erhoffe ich", fügt sie hinzu.
Die breite Beteiligung aus der Zivilgesellschaft ist für FFF wichtig, unterstreicht Fabia Klein: "Als Schülerinnen und Schüler oder Studierende repräsentieren wir nicht die Breite der Gesellschaft." Deshalb steht die Teilnahme am Streik allen Initiativen offen. Dass die Klimabewegung in weiten Teilen eine Jugendbewegung ist, sei so nicht mehr richtig. "Auch ältere Menschen bringen sich überall ein. Die Mehrheit von ihnen läuft auf den Demos mit. Manche stellen sich als Ordner oder Fotograf zur Verfügung. Andere, die nicht kommen können, unterstützen uns finanziell." Zumal sich die meiste Arbeit im Hintergrund abspielt. Dass auch dort nicht nur Jugendliche mitwirken, sei für Außenstehende nicht ersichtlich.
Paula Rüb (67) war bereits 2019 bei den Demonstrationen dabei. Die Wahl am nächsten Sonntag ist für sie keine zentrale Motivation für ihren Protest: "Wir müssen auf jede mögliche Regierung und auf alle Parteien Druck ausüben, um das 1,5-Grad-Ziel noch zu erreichen." Für sie ist die Klimakrise auch keine reine Generationenfrage mehr: "Die Klimakrise kommt immer näher und auch ältere Menschen werden die Auswirkungen noch erleben." Die Initiative "Oldies for Future", der Rüb angehört, ist Ausdruck davon: "Hinsichtlich der Klimakrise spielt es keine Rolle, ob jemand Kinder oder Enkelkinder hat. Jeder kann sich bei uns für gerechte Klimapolitik engagieren", unterstreicht sie.
Einen direkten Wahlvorschlag gibt es auf dem Klimastreik zwei Tage vor der Bundestagswahl nicht. "Kein Wahlprogramm der großen Parteien würde die Klimaziele erreichen", kritisiert Klein. Pfarrerin Ute Böhne (58), beendet ihre Rede mit einem Appell: "Geht zur Wahl und wählt Parteien, die mit ihrem Programm dem 1,5-Grad-Ziel zumindest nahe kommen!" Bei der Lautstärke des Applaus wird deutlich: Hier sind sich junge und ältere Demonstranten einig.
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