Leuchtende Kinderaugen im Moloch von Lagos

8.10.2010, 23:05 Uhr
Leuchtende Kinderaugen im Moloch von Lagos

© oh

Ihr Job dort: Fund Raising für ein Waisenhaus am Rande der Großstadt. Christina geht auf Geldsuche für elf Kinder – Mädchen und Jungen zwischen vier und 14 Jahren. Einige sind wirklich Waisen, einige von ihren Eltern einfach im Waisenhaus abgegeben worden.

Sie hält Vorträge in Kirchengemeinden, sie bittet um das Nötigste, um ein neues Haus bauen zu können. Denn bisher leben die Kinder in einem Haus, das den Namen Heim nicht wirklich verdient: In einem Raum die Mädchen, in einem zweiten die Jungs. Mehr Zimmer stehen in der kahlen Betonbehausung nicht zur Verfügung für die Schützlinge von Mister Godwin.

Mister Godwin, der Leiter des Waisenhauses, hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, Kindern ein besseres, menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Aber auch er hat noch einen „richtigen“ Job, also nicht viel Zeit und noch weniger Geld übrig für die Ausstattung.

Also teilen sich drei Mädchen eine (Kinder)Matratze, ihre wenigen Shirts und Hosen stapeln sie übereinander in einer Plastiktüte. Spielen? Draußen im Staub, wenn sie nicht gerade kochen, putzen oder waschen müssen. „Es gibt überhaupt keine Spiele“, hat Christina festgestellt. Und hat für den 13-jährigen Praise einen Fußball gekauft. Der Traum seines Lebens, wie sie dann an seinen Augen gesehen hat.

Himmel und Hölle, das Hüpfspiel, zeigt sie den Mädchen, sie bäckt mit ihnen Apfelpfannkuchen, und es herrscht Schmatzen und Jauchzen, denn Früchte gibt es sonst nie, weil sie viel zu teuer sind. Und dass jemand mit ihnen kocht und bäckt und dabei mit ihnen lacht und ihnen übers Haar streichelt, das gibt es sonst auch nie.

Und dann nimmt Christina alle elf mit ins Kino in die Großstadt. Es dauert vier Stunden, bis sie mit den öffentlichen Bussen durch die von Verkehr und Schlamm verstopften Straßen im Stadtzentrum ankommen. Es dauert später sechs Stunden, bis sie wieder „daheim“ im Waisenhaus ankommen. Und zwischendurch kauft Christina Popcorn und Cola und sieht in 22 leuchtende Kinderaugen, die all das zum ersten Mal erleben und niemals vergessen werden.

Mit Bad und eigenem Bett

Aber nicht nur deshalb will sie wiederkommen. In den sieben Wochen hat sie immer wieder geworben für den dringend nötigen Neubau, in dem die Kinder sich die Zähne nicht draußen im Straßenstaub, sondern in einem Bad putzen können, in dem jedes Kind ein eigenes Bett hat, in dem es Spiele und Platz für Kinder gibt.

Christina will wissen, ob das neue Waisenhaus wirklich gebaut wird, sie will wissen, ob die Kirchen und die Stammesfürsten ihr anfängliches Ja auch wirklich einhalten und Geld geben. Ob Mister Godwin wirklich Pläne zeichnen lässt für das neue Kinderhaus. Ob die Bauarbeiter dann auch wirklich anfangen mit dem Bau. Denn sie hat selbst erlebt, wie viel ein Wort in Afrika zählt, wie sehr man sich auf Unterschriften, Instanzen und Behörden verlassen kann. Die Polizisten lernte sie als bis an die Zähne bewaffnete Machtmenschen kennen.

Überfall in Nachtbus

In einem Nachtbus wird sie, die mit dem Heimleiter und einigen Schützlingen unterwegs ist, mit vorgehaltenem Gewehr überfallen. Zwei Stunden lang im vermüllten Straßengraben mit dem Gesicht zum Boden – Geld und Handys haben die Räuber längst aus den Taschen geräumt – warten sie und die Kinder, ob sie wieder aufstehen dürfen.

Nach acht Wochen reist Christina wieder ab, das Praktikum ist zu Ende – damit auch die Angst vor weiteren Überfällen, die Zeit ohne Kaffee und ohne Pizza, die Zeit ohne fließendes Wasser und ohne Strom.

Rührender Abschied

Aber Christina will wiederkommen, weil sie ihre Kinder nicht vergessen kann. Sie haben ihr ein rührendes Abschiedsfest gezaubert, alle wollten noch einmal gestreichelt werden, und Praise wollte noch einmal Fußball mit ihr spielen. „Ich muss einfach wieder hin“, sagt sie. Bis es soweit ist, will Christina materiell helfen – mit Spielen, mit Geld. Derzeit klärt sie ab, dass Spendenquittungen ausgestellt werden können, Und sie sucht Mithelfer. „Ich freue mich aber nicht nur über finanzielle Hilfe, sondern auch über den Kontakt mit Menschen, die selbst Erfahrungen mit oder in Afrika haben. Wer mag, kann auch über mich direkt mit den Kindern in Kontakt treten.“

Wer helfen oder mitmachen oder einfach mehr wissen will, kann sich mit Christina Greßer, Telefon (0179) 8445502 oder christina.gresser@web.de in Verbindung setzen.