Liebe, Glaube, Leidenschaft: 20 Jahre Ultras Nürnberg
22.3.2014, 05:57 UhrLiebe, Glaube, Leidenschaft. Diese drei Worten hat zeitweise jeder Club-Spieler mit sich getragen, wenn er für den 1. FC Nürnberg auf das Spielfeld getreten ist. Vor ein paar Jahren war das in die Innenseite des Trikots gedruckt, in feiner Schreibschrift: Liebe, Glaube, Leidenschaft. Es ist eine Botschaft, die ihnen später, wenn der Ball rollte, auch akustisch zugetragen wurde, von den Fan-Rängen. Und dort insbesondere von den Ultras — den Urhebern der Wortkombination.
Für solche Slogans — kurz, prägnant, mit Identifikationspotenzial — bemühen Unternehmen, zu denen auch viele Fußballvereine in den vergangenen Jahren mutiert sind, Marketing-Profis. Solche hat auch der Club — der aber kann sich in diesen Fällen auch auf das kreative Potenzial seiner Fans verlassen. Von denen stammt ja nicht nur diese knappe, aber tiefgreifende Botschaft. Die aber kommt von Herzen, wie vieles, was die besondere, auch eigene Fan-Gruppe unternimmt.
Und ja, es geht um Liebe. Auch wenn Klaus Schamberger, Journalist und Urheber des Club-Depp-Vergleiches, dazu ganz platt sagt: „Einen Verein kann man nicht lieben — das ist ja schon technisch extrem schwierig.“ Die Fans aber pochen darauf, das bekundet auch der Teil der Szene immer wieder, der sich heuer vor genau 20 Jahren gegründet hat.
UN 94 — Ultras Nürnberg 1994 — ist überall zu lesen, wo die Ultras eine Duftmarke hinterlassen. Ihre breite schwarz-rote Zaunfahne „ULTRAS“ klemmt bei jedem Clubspiel, egal ob Pokalfinale oder Freundschaftsspiel, an der Bande oder dem Zaun hinter dem Tor. Das entspricht ihrem Treue-Verständnis gegenüber dem Verein, der ihnen so viel bedeutet.
In der Art und Weise, wie sie dieser Bedeutung Ausdruck verleihen, sind sie wahnsinnig kreativ, so kreativ, dass der Club sich — wie beim Spruch „Liebe, Glaube, Leidenschaft“ — gern eine Scheibe abschneidet. Oder gleich mehrere. Die aktuelle Kampagne „Ich bereue diese Liebe nicht“ ist ein Werk der Ultras. Die ist inzwischen aus dem Verein fast nicht mehr wegzudenken. Der Satz steht auf Fahnen, Shirts, Kondomen, selbst auf Unterhemden.
Es ist die gute Seite der Fan-Szene, die man mögen und verstehen kann — oder auch nicht. Nur Eifer und Einsatz lassen sich ihr nicht absprechen. Dafür sind preisverdächtige Choreographien die besten Beispiele. Für ihre Reminiszenz an den ehemaligen jüdischen Trainer des FCN Jenö Konrad und die nachfolgende Aufarbeitung der NS-Zeit in der Vereinshistorie sind Verein samt Fans, wie berichtet, ausgezeichnet worden.
Wann immer solche gigantischen Bilder in der Nordkurve entstehen, zeigen die Ultras, was sie leisten können. Schließlich geht dem eine Materialschlacht voraus. Für die Choreographie im vergangenen Derby gegen Fürth verteilten die Anhänger 12000 gedruckte Stadtwappen. Die bemalte Leinwand war 70 mal 40 Meter groß. Und wie auch zuletzt gegen den FC Bayern widmen sich die Ultras der (Vereins-)Geschichte. Gegen Fürth dem Nürnberger Trichter, gegen Bayern dem Ex-Münchner und Ex-Nürnberger Zlatko Tschik Cajkovski — und dessen Aussage: „Club-Fan war ich schon, da habe ich noch die Bayern trainiert“. Ein Angriff auf den Gegner? Ja, aber ein feinsinniger. Mit dem sie tun, was sie unbedingt wollen: ihren Verein unterstützen.
Doch sind es auch die anderen Szenen, Bilder, die bei vielen hängenbleiben — und wo das sonstige Engagement schnell nichtig ist. Der Wahnsinn. Zu sehen beim Platzsturm im Spiel gegen die SpVgg Fürth oder das klare Ja zum Einsatz von Pyrotechnik — das die Ultras mit ähnlichen Fan-Gruppierungen gemein haben.
Vor dem Spiel gegen Eintracht Frankfurt, zu deren Ultras-Gruppierung eine starke Abneigung besteht, treffen sich alle Anhänger (nicht nur Ultras) zum Abschlusstraining ihres Teams heute um 14 Uhr am Valznerweiher. Was sie dort machen? Ihrem Team Mut. Und wohl etwas Kreatives.
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