Meister-Trompete lag im Dornröschenschlaf
5.2.2009, 00:00 UhrVor Jahren erhielt der Trompetenbauer und Restaurator Michael Münkwitz aus Rostock einen Hinweis: «In der Dorfkirche von Belitz hängt eine Trompete mit Strick dran. Ich dachte, das sei wieder einmal ein altes Kavalleriehorn aus dem Ersten Weltkrieg. Ich machte mir eine Notiz, und vergaß das Ganze.»
Acht Jahre später lief eine Serie im Fernsehen über das Leben im Gutshaus unter Bedingungen des 19. Jahrhunderts. Schauplatz war Belitz, und da fiel Münkwitz die Trompete in der Kirche wieder ein. Also rief er den Pfarrer an, schaute vorbei – und erlitt beinahe einen Herzstillstand. Im Altarraum prangte das Epitaph für den Trompeter Jacob Hintze. Und neben dem Grabstein baumelte am Strick dessen braun korrodierte, leicht beschädigte Tröte. Die Handgravur auf dem Kranz, die Krone als Meisterzeichen, und der Name selbst waren eindeutig: Eine echte Trompete des Meisters Wolff Birckholtz, entstanden in Nürnberg im Jahr 1650!
Das ganz Besondere an der Trompete: Sie befindet sich trotz diverser Reparaturen immer noch im Originalzustand. Kein Teil wurde ausgewechselt oder ergänzt. Da können nicht einmal weitere Exemplare in Kopenhagen mithalten! Ein absoluter Seltenheitswert. Und eine wahre Fundgrube für historisch interessierte Instrumentenbauer.
«Diese Trompete ist wie ein Siebener im Lotto», verdeutlicht Münkwitz seine Erschütterung. «350 Jahre lang hing die Trompete in der Kirche. Ein Säbel neben dem Epitaph ist 1960 gestohlen worden, doch das Instrument ließen die Diebe in Ruhe.» Warum? Michael Münkwitz vermutet: «In Mecklenburg-Vorpommern hat man Ahnung vom Fischen und von der Landwirtschaft, aber nicht von Kultur!»
Tatsächlich dürfte die Birckholtz-Trompete nicht als Musizier- sondern als Signalinstrument beim Militär zum Einsatz gekommen sein. Ihr Besitzer Jacob Hintze (1624 – 1676) war Stabstrompeter, bevor er eine Gastwirtschaft in Belitz führte und dort sein bester Kunde ward. Mit 52 Jahren starb er eines gewaltsamen Todes. Seine Witwe brachte dennoch die bedeutende Summe von 20 Reichstalern für sein Epitaph auf.
Korrosion, Farbflecken vom letzten Kirchenanstrich und der Zahn der Zeit haben dem guten Stück zugesetzt. Die Birckholtz-Trompete ist unspielbar. Wie aber mag sie geklungen haben? Da gibt es nur einen Weg: Nachbauen!
Zunächst vermaß Michael Münkwitz die Trompete in allen ihren Einzelheiten. Dann lud er Koryphäen wie Richard Seraphinoff in seine Werkstatt ein, der das Instrument ebenfalls vermaß. Ein Vergleich der Messungen ergab Abweichungen von nur minimalen Ausmaßen. Der Nachbau entstand in echter Handarbeit, die Feingravur aber überließ Münkwitz einem professionellen Graveur. «Ich nehme an, auch Birckholtz hat nicht alle Verzierungen selbst geschaffen.»
Schön glänzt der Nachbau. Ist das nun eine Münkwitz-Trompete? Oder eine Birckholtz-Trompete? «Ich sage: Dies ist eine Kopie nach Birckholtz», erklärt der Meister. Schön glänzt auch der Trompetenklang: Gemeinsam mit dem Virtuosen Jean-Francois Madeuf und seinem Ensemble nahm Münkwitz ein Trompetenkonzert in der Dorfkirche von Belitz auf.
Die Birckholtz-Trompete ist nun nach Hause zurückgekehrt, nach Nürnberg. Nun hängt sie als Dauerleihgabe in einer Vitrine in der Musikinstrumentensammlung des Germanischen Nationalmuseums.
«Dort ist sie wohl am besten aufgehoben», denkt Michael Münkwitz. Zumindest ist sie dort besser geschützt vor Temperaturschwankungen und dreistem Zugriff. 350 Jahre der Ignoranz sind eigentlich zuviel des Glücks. Belitz bescheidet sich mit dem Nachbau.
Ob Belitz weitere Überraschungen birgt? Nicht auszuschließen. Als 1970 das Gasthaus des Trompeters Jacob Hintze abgerissen wurde, fand man unter den Dielen Skelette aus vergangenen Zeiten. Offenbar vermögende Bauern auf Durchreise, die dort ihre letzte Herberge gefunden hatten.
Die CD «Die Birckholtz-Trompete von 1650» mit Kompositionen aus dem 17. Jahrhundert ist in der Edition Raumklang erschienen. Bestellnummer RK 1805.
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