OB König im Gespräch

Miniparks und neue Bäume: Wie Nürnberg dem Klimawandel begegnen will

Andre Fischer

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28.7.2021, 05:58 Uhr
Oberbürgermeister Marcus König hat in einem ausführlichen Gespräch mit der Redaktion erklärt, wie er den Klimaschutz vorantreiben will.

© Michael Matejka, NN Oberbürgermeister Marcus König hat in einem ausführlichen Gespräch mit der Redaktion erklärt, wie er den Klimaschutz vorantreiben will.

Herr König, die Stadtverwaltung soll bis 2035 klimaneutral werden. Wird die Stadt auch die Wirtschaft antreiben, mehr für das Klima zu tun?

Marcus König: Nach der Pandemie werden die Fragen zur Zukunft noch viel intensiver gestellt werden. Dazu zählen Klima, Nachhaltigkeit, Mobilität, Wohnen. Und ja, wir werden uns in Nürnberg anstrengen müssen. Seit über einem Jahr haben wir ein Klima-Camp auf dem Sebalder Platz. Die jungen Menschen wollen wissen, wann geht es los und was wird gemacht. Wir haben uns eine CO2-Neutralität für das Jahr 2035 auf die Fahne geschrieben und das muss jetzt umgesetzt werden. Betroffen sind davon neben der Kernverwaltung auch die städtischen Eigenbetriebe wie N-Ergie, VAG, WBG und Klinikum.

Was ist denn konkret geschehen, um diese Zielvorgabe auch zu erreichen?

König: Im vergangenen Jahr haben wir einen Klimafonds, der mit 120 Millionen Euro ausgestattet ist, und einen Mobilitätspakt beschlossen. Wir pflanzen mehr Bäume. Wir wollen Stadtteile mit Klimainseln, Pocketparks und mobilem Grün ausstatten. Wir wollen die Fahrradwege so ausbauen, dass sie attraktiv sind und von Fahrradfahrern gern angenommen werden. Vielleicht können wir den einen oder den anderen Autofahrer davon überzeugen, dass er sein Auto stehen lässt. Wir haben in Nürnberg im Vergleich zu anderen Städten ein hervorragendes ÖPNV-Netz. Dafür müssen wir mehr Werbung machen.

Mobilitätspakt

Wie steht es um die Umsetzung des Mobilitätspakts?

König: Wir haben die ersten Millionen für neue Radwege ausgegeben. Beispiel Hauptbahnhof. Wir haben auch schon den Beschluss für den Ausbau der Radwege an der Bayreuther Straße gefasst. Obwohl die Steuereinnahmen durch Corona gewaltig zurückgegangen sind, stellen wir Menschen ein, die Radwege planen, bauen und die damit den Mobilitätspakt umsetzen. Diese Stellen sind beantragt.

Anträge der Stadtratsfraktionen werden in der Regel geprüft, ob sie Auswirkungen auf den Haushalt und auf den Stellenplan haben. Müssen Anträge künftig nicht auf klimafreundlich oder klimaschädlich hin bewertet werden?

König: Die Referenten und ich waren auf der Klausurtagung vor wenigen Wochen einig, dass wir bei allen Anträgen die Klimaneutralität und CO2-Neutralität im Blick haben müssen. Bei den Kindergärten oder Kinderkrippen haben wir bislang darauf geschaut, wie viele Kinder wir unterbringen können. Wir müssen aber auch berechnen, wie viel CO2 entsteht. Wir werden künftig darauf schauen, wie umweltfreundlich Neubauten gestaltet sind. Dabei geht es um neue Materialien, Photovoltaik, begrünte Dächer und Fassaden. Das werden wir von den Bauherren auch verlangen. Wir dürfen uns aber nicht nur auf den großen Geldbeutel einstellen. Die Themen Klimaschutz und Klimaneutralität müssen auch für Menschen mit einem eher kleinen Geldbeutel passen.

Ein Vorbild sein

Bedeutet das, dass Bauanträge ohne diese grünen Komponenten, die Sie erwähnt haben, nicht genehmigt werden?

König: Wir werden den Menschen und den Investoren, die bauen wollen, sagen, das ist unser Standard. Wenn sie das machen, dann bedeutet das für sie auch einen Imagegewinn. Wir wollen als Großstadt Nürnberg Klimaschutz und Klima-Resilienz vorantreiben. Wir könnten damit auch wirtschaftlich punkten und ein Vorbild für die hier ansässigen Firmen sein.

Muss jetzt der kleine Häuslebauer in seinem Bauantrag die grünen Komponenten vorweisen, um eine Genehmigung zu bekommen oder nicht?

König: Wir wollen überzeugen. Wir werden künftig fragen, wie soll das Haus beheizt werden? Geht auch Geothermie? Wir wollen versuchen, dort, wo Strom verbraucht wird, auch Strom zu erzeugen, beispielsweise durch Blockheizkraftwerke. In Kornburg Nord haben wir es ganz gut hinbekommen. Es entsteht neuer Wohnraum auch für junge Familien und wir arbeiten mit dezentralen Blockheizkraftwerken, die Wärme und Energie erzeugen.

Bei Vergleichen, wie viele Bäume oder Grünflächen eine Stadt hat, liegt Nürnberg fast immer auf den letzten Plätzen. Warum ist das so?

König: Rankings sind für mich nicht so wichtig, weil da alles mögliche mitbewertet wird. Für mich ist entscheidend, wie nimmt die Bevölkerung unsere Aktivitäten wahr. Sieht sie, dass wir Radwege bauen und Bäume pflanzen? Dass wir mehr Klimainseln in der Stadt haben und dass sich etwas positiv verändert? Unser Tun hat dann sicherlich irgendwann einmal Auswirkungen auf Rankings. Mehr Radwege und mehr Grünflächen bedeuten aber zunächst einmal auch mehr Baustellen. Es kommen erst einmal Beschwerden bei mir an.

Wie viele Bäume wurden unter Ihrer Regie gepflanzt? Sie hatten versprochen, dass es deutlich mehr werden.

König: Ich habe gesagt, für jedes Neugeborene wird ein Baum gepflanzt. In Nürnberg gab es 2020 etwas über 7600 Geburten. Rund 5300 Kinder wurden auch in Nürnberg angemeldet und für die pflanzen wir auch 5300 Bäume. Wir werden aber nicht nur Straßenbäume pflanzen, so viel Platz haben wir nicht, sondern auch in der Nähe der Wohnbevölkerung. 2300 Bäume wurden schon gepflanzt. Der Rest erfolgt im Herbst.

Ist es angesichts des Klimawandels noch vertretbar, Großveranstaltungen wie Rock im Park oder Bardentreffen durchzuführen?

König: Ja, wenn sie wieder durchgeführt werden dürfen. Die Frage ist doch, wie können wir Großveranstaltungen klimaneutral organisieren? Wenn wir eine Blaue Nacht planen, wenn wir ein Klassik Open Air planen oder andere Veranstaltungen, die wir selber betreiben, dann können wir auch unsere Standards festlegen. Wir werden in Zukunft penibel darauf achten, wie die Menschen zu den Veranstaltungen kommen, etwa mit dem Kombiticket, welche Speisen werden angeboten und wie sind sie verpackt. Wir werden versuchen, das möglichst klimaneutral zu organisieren. Bei Fremdveranstaltungen wie Rock im Park oder Norisring werden wir über Verträge auf Klimaneutralität hinarbeiten. Auch da wird es Veränderungen geben.

Nürnberg muss sich auf den Klimawandel einstellen. Parks wie der Luitpoldhain sind wichtige Oasen. Neue, kleine Grünanlagen sollen entstehen.

Nürnberg muss sich auf den Klimawandel einstellen. Parks wie der Luitpoldhain sind wichtige Oasen. Neue, kleine Grünanlagen sollen entstehen. © Stadt Nürnberg

Noch einmal: Wie wollen Sie die Grünflächensituation verbessern?

König: Es wird deutlich mehr kleine Parks geben. Wir werden mehrere Klima-Inseln einrichten. Deshalb haben wir den Masterplan Freiraum geschaffen. Wir werden in Zukunft jedes Quartal einen neuen kleinen Park eröffnen oder einen sanieren oder einen hochwertiger machen. Dafür wurden viele Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Das Geld, das Bund und Land bislang zur Verfügung stellen, wird aber insgesamt nicht genügen, die selbst gesteckten Klimaziele zu erreichen. Wenn 2035 immer näher rückt, dann muss jede einzelne Dienststelle wissen, was sie zu machen hat. Es wird Maßnahmen geben, die sehr drastisch sind und viel Geld kosten.

Was sind drastische Maßnahmen?

König: Das 365-Euro-Ticket. Es geht ganz praktisch darum, wie kommen die Menschen zur Arbeit? Wer bezahlt den ÖPNV? Haben die Menschen alle eine digitale Arbeitsstätte? Wie arbeiten Menschen im Büro? Wie kommen Außendienstler von A nach B? Es müssen Dienstauto-Flotten umgestellt werden. Das Ziel Klimaneutralität klingt gut und es ist wichtig, dass wir es erreichen. Aber viele Probleme können wir selber gar nicht lösen. Wo werden die E-Autos aufgeladen? In der Stadt gibt es dafür nicht genügend Platz. Es gibt noch kein Müllauto, das mit Strom fährt. Bis 2035 ist nicht mehr viel Zeit.

Der kreuzungsfreie Ausbau des Frankenschnellwegs ist Teil des Luftreinhalteplans der Stadt. Hat der kreuzungsfreie Ausbau des Frankenschnellwegs angesichts der Klimadiskussion noch eine Chance?

König: Wir haben mit dem Bund Naturschutz versucht, eine Lösung zu finden, doch das ist gescheitert. Jetzt entscheidet das Gericht. Wir haben alles getan. Die Verzögerungen kosten viel Geld, das an anderer Stelle fehlt.

Ist der kreuzungsfreie Ausbau tatsächlich noch durchsetzbar?

König: Den Frankenschnellweg müssen wir irgendwann angehen. Es ist nur die Frage, ob eine Röhre gebaut wird oder ob er komplett saniert wird. Der Straßenbelag und der vorhandene Lärmschutz müssen saniert werden. Die große Lösung, der kreuzungsfreie Ausbau mit Tunnel, kostet für die Stadt genau so viel wie die Sanierung, denn dafür gibt es keine Zuschüsse vom Freistaat. Sollten wir vor Gericht verlieren oder die Stimmung kippt und eine Realisierung des kreuzungsfreien Ausbaus ist nicht mehr möglich, dann müssen wir sehr viel städtisches Geld für die Sanierung ausgeben, ohne dass sich die Situation verbessert. Derzeit sehe ich Bilder von Alleen und Booten. Aber wo fahren denn die Menschen mit ihren Autos? Diese müssen doch irgendwo untergebracht werden. Ich muss ihnen doch eine Straße anbieten.

Ist eine kleinere, abgespeckte Lösung möglich?

König: Wir haben seit zehn Jahren hochprofessionell erarbeitete Pläne, an denen auch der Bund Naturschutz mitgearbeitet hat, etwa bei der Tunnelein- und -ausfahrt. Auch der Park auf dem Tunnel ist von Fachleuten geplant. Eine abgespeckte Lösung ist nicht denkbar. Es kann nicht das Ziel sein, dass wir alle 20 Jahre neue Pläne machen. Man muss einen Plan, der gut und der durchdacht ist, auch einfach mal durchziehen.

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