Mit dem Laserschwert gegen Langeweile
5.10.2015, 19:56 UhrHinter den Action-Einlagen steckt das ernste Thema „Ehrenmord“. Das von Gotthold Ephraim Lessing Stück der Aufklärung versetzt Regisseur Veit Güssow mitten ins Hier und Jetzt. Die Geschichte ist schnell erzählt: Emilia Galotti soll einen Grafen heiraten, wird aber von einem Prinzen geliebt. Der Prinz verhindert die Hochzeit und entführt Emilia. Die muss sich entscheiden, was ihr wichtiger ist: ihre Ehre oder ihr Leben.
Dass das ganze so kurzweilig gelingt, liegt an der Doppel-Besetzung: Sowohl Emilia als auch Marinelli – der Handlanger des Prinzen – werden von je zwei Frauen dargestellt. Elke Haertel und Veronika Conrady, die den im Original männlichen Marinelli kongenial verkörpern, ragen besonders heraus. Mit teuflischer Nonchalance spielen die beiden den Untergebenen, der in der vertrackten Geschichte die Fäden zieht.
Das Lachen bleibt einem so manches Mal im Halse stecken bei Güssows Inszenierung. Sie zeigt, dass hinter skurrilen amerikanischen Ritualen der sexuellen Enthaltsamkeit ein genauso verquerer Ehrbegriff steckt wie hinter der Patriarchenherrschaft nicht nur in muslimischen Familien. Dass Emilia am Ende ihre Verzweiflung auf Türkisch herausschreit, ist bedrückend und befreiend zugleich und liefert Denkanstöße.
Kalaschnikow zum Aufblasen
Wenn der Graf mit dem Laserschwert gegen Marinellis Plastikknarren antritt oder die famose Natalie Schmal als Geliebte des Prinzen ihre Kalaschnikow aufbläst, bevor sie sie benutzt, dann ist das großes Kino im kleinen Theater. Nur bequem ist es nicht, und das ist wörtlich gemeint. Die Zuschauer sitzen am Boden, auf Podesten im Schneidersitz oder auf spärlicher Bestuhlung. Das hält sie jedoch nicht davon ab, ebenso lang anhaltenden wie verdienten Applaus zu spenden.
Weitere Termine im Rahmen des Lichtblicke-Festivals am 21.10. um 19 Uhr und am 22.10. um 14.30 Uhr, außerdem am 11.11. um 14.30 Uhr und 19 Uhr sowie am 12.11. um 11 und 19 Uhr. Auf AEG, Werkstatt 141, Muggenhofer Straße 141.
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