Freude für alle - Fall 22

Mit Hilfe von Lilith schaffte eine vierfache Großmutter den Weg aus der Sucht

Silke Roennefahrt

Lokalredaktion

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7.12.2022, 10:55 Uhr
Warme Jacken oder Babystrampler: In der Kleiderkammer von Lilith können sich die Frauen ausstatten. Sozialpädagogin Lisa Tripp (hinten) hilft einer Klientin bei der Auswahl.

© Stefan Hippel Warme Jacken oder Babystrampler: In der Kleiderkammer von Lilith können sich die Frauen ausstatten. Sozialpädagogin Lisa Tripp (hinten) hilft einer Klientin bei der Auswahl.

Es schien eine leichte Lösung zu sein. Nahm sie Chrystal Meth, ließ sich der Alltag im Nu bewältigen. Job, Kind, Haushalt, das alles konnte Barbara M. (Name geändert) plötzlich spielend stemmen. Auch mit der Tatsache, dass sie nach der Trennung von ihrem Partner alleinerziehend war, kam sie plötzlich besser klar. Kein Wunder: Weil die Droge die Leistungsfähigkeit steigert und das Schlafbedürfnis verringert, hatte ihr Tag mitunter 24 Stunden. "Ich habe nachts die Wohnung geputzt", erinnert sich die 52-Jährige.

Sie ist kein Einzelfall. Dass Frauen zu Drogen greifen, um den vielen Anforderungen gerecht zu werden, komme häufiger vor, sagt Lisa Tripp von Lilith, der Drogenhilfe für Frauen und Mädchen. "Wir erleben das gerade bei jungen Müttern." Doch auch wenn die Droge den Konsumentinnen vorgaukelt, alles im Griff zu haben: Tatsächlich steht der Körper unter Dauerstress, Hunger, Durst, Schmerz und Müdigkeit werden nicht mehr wahrgenommen. Manche überschätzen im Rausch völlig die eigenen Kräfte und riskieren einen kompletten physischen und psychischen Zusammenbruch.

Auch Barbara M. stellte relativ schnell fest, dass die Droge nicht wirklich weiter half. "Du machst dein Leben und deine Gesundheit damit kaputt", sagt sie heute. Dennoch dauerte es mehrere Jahre, bis sie sich aus der Abhängigkeit befreien konnte. Dass es ihr gelang, hat auch mit Lilith zu tun. "Ich weiß nicht, ob ich es ohne diese Hilfe geschafft hätte." Bis heute besucht sie regelmäßig das Frauencafé und nutzt verschiedene Angebote von Lilith.

Die Warteliste ist lang

In der Frauenberatung können die Klientinnen sich persönlich einmal pro Woche beraten lassen - die Hilfe ist so gefragt, dass Lilith eine Warteliste führen muss. Im Café gibt es warmes Essen und eine Kleiderkammer, Frauen ohne festen Wohnsitz können hier duschen oder Wäsche waschen. Es gebe viel versteckte Obdachlosigkeit", sagt Tripp. "Oft schlafen die Frauen mal hier, mal dort, zum Teil werden dann sexuelle Gegenleistungen eingefordert."

Bei Barbara M. kam es nicht so weit, "ich habe immer meine eigene Wohnung gehabt". Nachdem sie den Absprung von den Drogen geschafft hatte, begann sie sogar eine Ausbildung und arbeitete lange als Altenpflegehelferin. Auch im Privatleben hatte sie damals Glück und heiratete die Liebe ihres Lebens. Doch durch eine Bagatellverletzung nahm ihr Leben eine dramatische Wende. Nach einer Verbrennung am Fuß infizierte sich 2018 die Wunde. Die Infektion breitete sich so stark aus, dass der Unterschenkel amputiert werden musste.

In der Altenpflege konnte sie nicht mehr arbeiten, Schmerzen und Verzweiflung ließen sie erneut zu Drogen greifen. Doch seit einem Jahr ist sie wieder clean - auch wenn sie ein weiterer Schicksalsschlag traf. Ihre Beziehung zerbrach, kurz darauf starb ihr Mann mit nur 45 Jahren. Weil die Ehe noch nicht geschieden war, muss die Witwe, die zudem die einzige Angehörige war, auch einen Teil der Bestattungskosten tragen - und hat jetzt erhebliche Schulden. Das Sozialamt kommt allenfalls für das Nötigste auf, wie viel die Behörde übernimmt, ist derzeit ohnehin noch offen. "Ich wollte ihm einen würdigen Abschied bereiten", sagt Barbara M., die ihrem Ex-Partner noch freundschaftlich verbunden war. Trotz der Trauer hielt sie sich diesmal von den Drogen fern. "Ich will für meine Enkel da sein", sagt die vierfache Oma.

Auch Lilith selbst braucht im Übrigen Hilfe. Der Verein, der auch Arbeitsprojekte wie den Second Hand Laden in der Jakobstraße ins Leben gerufen hat, um Frauen eine Perspektive zu bieten, wird nur zu rund 70 Prozent aus öffentlichen Mitteln finanziert. Den Restbetrag von mehreren 100.000 Euro pro Jahr muss Lilith selbst aufbringen, zum Beispiel durch Spenden. Das Geld wird auch für einen Notfonds gebraucht, aus dem etwa Lebensmittel oder Babybedarf wie Windeln finanziert werden.


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